Es juckt hier, es juckt da - wer dieser Tage auf Mallorca Irritationen und Ausschlag auf seiner Haut spürt, der ist vermutlich dem Gift der Prozessionsspinner zum Opfer gefallen. Vor allem in der Nähe von Kiefern sind die schwarz-braunen Raupen mit den hellen Härchen momentan auf der ganzen Insel anzutreffen, an der Playa de Torà in Peguera sprechen Anwohner sogar von einer Plage. Gerade für Touristen aus Deutschland, die die vor allem im Mittelmeerraum verbreiteten Tiere oft nicht kennen, stellten diese eine echte Gefahr da.
Dass mit den "Procesionarias" nicht zu spaßen ist, sagt auch Allgemeinmedizinerin Uta Hofmeister vom Deutschen Facharztzentrum Paguera. "Man sollte nicht in Panik verfallen, aber die Probleme durchaus ernst nehmen." Jedes Jahr kommen zahlreiche Patienten zu ihr, die unter den Prozessionsspinnern leiden. Gerade im März sind diese scharenweise unterwegs. Im Januar und Februar schlüpfen die Raupen in ihren Nestern in den Kiefern und machen sich gemächlich auf den Weg zum Boden hinab, auf der Suche nach Erdreich, in das sie sich vergraben können, um im Sommer ihren Kokon als Schmetterling zu verlassen und wiederum in den Nestern in den Bäumen ihre Eier abzulegen.
Bei ihrer Wanderung sind die Raupen fast nie allein unterwegs. In der Regel führt ein Weibchen die Gruppe an, im "Gänsemarsch" ziehen die Tiere los. Diese Prozessionen lassen die rund drei Zentimeter langen Tiere in ihrer Gesamtheit größer wirken und schützen sie vor Angreifern aus der Luft.
"Das Problem sind die feinen Härchen", so Hofmeister. Diese enthalten das Gift Thaumatopein. "Auf gar keinen Fall sollte man die Tiere anfassen, sondern jeglichen Körperkontakt vermeiden", rät sie. Doch selbst wer nicht direkt in Berührung mit den "Procesionarias" kommt, kann sich vor ihrem Gift nicht gänzlich schützen. "Die Haare sind kaum zu sehen und fliegen, gerade wenn Wind weht, vermehrt durch die Luft", so die Ärztin. Genau dadurch werde der Juckreiz ausgelöst. "Je nach persönlichem Leidensdruck sollte man medizinische Hilfe in Anspruch nehmen und zwar möglichst schnell."
Antihistamin aus der Apotheke oder Kortisonsalbe können helfen. Wenn Schleimhäute betroffen sind, reiche das aber nicht immer aus. "Letztens hatte ich eine Patientin, die das Gefühl hatte, ihr Hals schwillt an. Dann hilft es nur noch, Kortison zu spritzen."
Einen großen Bogen um die kleinen Quälgeister zu machen, ist also immer ratsam. Doch wie soll man mit ihnen umgehen, wenn sie sich auf dem eigenen Grundstück tummeln? "Man sollte versuchen, sie zu beseitigen", so Hofmeister. Vor allem dann, wenn man Haustiere wie Hunde oder Katzen hat. Für die können die Prozessionsspinner nämlich ein ebenso großes Risiko darstellen und sogar lebensgefährlich sein, sollten Bello oder Mietze die Tiere verschlucken. "Es ist ratsam, die Raupen zunächst mit Wasser zu begießen und sie erst dann wegzufegen", so die Ärztin. So könne verhindert werden, dass die Härchen aufgewirbelt werden. "Falls man etwas in die Augen bekommt, darf man auf keinen Fall daran herumreiben, sondern sollte es mit Wasser ausspülen."
Noch besser ist es, schon frühzeitig gegen die Raupen vorzugehen. Viele Gemeinden bieten beispielsweise den kostenlosen Service an, dass ein städtischer Experte die Nester - meist kostenlos - aus den Bäumen schießt. Das ist aber vor allem im Januar sinnvoll, bevor die Prozessionen beginnen.
An öffentlichen Kiefern wird dies häufig ohnehin getan. Auf Mallorca ist das mittlerweile Gemeindesache, wie die aktuelle Balearen-Regierung zu Beginn der Legislaturperiode verlauten ließ. Die Vorgängerregierung hatte mit groß angelegten Schädlingsbekämpfungsaktionen per Flugzeug massive Proteste von Anwohnern, Imkern und Biobauern hervorgerufen, die durch den Einsatz des Mittels "Dimilin" um ihre Gesundheit und die Qualität ihrer Produkte fürchteten. Die aktuelle Regierung sieht davon ab.
"Das Gute ist, dass es bald vorbei ist", so Hofmeister. In ein paar Wochen wird sich auch die letzte Raupe im Erdreichen vergraben haben und der Spuk ist vorbei - bis zum nächsten Jahr.
(aus MM 11/2016)