Seit 24 Jahren wirbelt Monika Schwender durch die Clínica Juaneda in Palma. Mal eilt sie in die Notaufnahme, mal zur Intensivstation, in die Patientenzimmer oder ins Büro, je nachdem, wohin sie über ihr Handy gerufen wird. Lange bleibt es nie still. Die 67-Jährige betreut die deutschsprachigen Patienten der Klinik, hauptberuflich. Ihr Alter sieht man ihr nicht an. Aktiv sein hält eben fit. Ein bisschen teilt sie sich ihre Kräfte inzwischen aber ein, verrät sie: "Ab 10 Uhr fahre ich mit dem Aufzug nach oben. Die Treppen nehme ich nur noch nach unten."
Das Handy klingelt. Anruf aus der Notaufnahme. Ein Deutscher wurde eingeliefert. Rasch läuft die gelernte Krankenschwester ins Untergeschoss. "Guten Morgen, ich bin die Monika", hört man sie noch sagen, bevor sie die Tür zum Untersuchungsraum schließt.
Im Sommer kämen hauptsächlich jüngere Leute mit weniger gravierenden Krankheiten und Verletzungen, erzählt sie anschließend. Viele hätten eine Fraktur. Im Winter seien es eher ältere Leute, Residenten, die auch längere Zeit im Krankenhaus blieben. Spanisch sprächen die wenigsten. Fast immer müsse sie übersetzen und dabei oft Überzeugungsarbeit leisten.
"Ich lass' mich nicht in Spanien operieren. Ich lass' mich nur in Deutschland operieren." Den Satz höre sie täglich. Aber letztendlich würden die Patienten doch vor Ort operiert. "Wenn wir zusammen mit dem Arzt erklären, was genau gemacht werden muss, sind sie beruhigt. Ich weiß nicht, ob sie das so gut in Deutschland erklärt bekommen." Schnell muss auch geklärt werden, ob eine Versicherung besteht und ob diese die Behandlungskosten übernimmt.
Ein Dreierteam kümmert sich um die deutschsprachigen Patienten in der Klinik, von denen es meist 20 bis 25 gibt. Zum Team gehören auch Iris Krause und Saskia Wortmann. Monika Schwender ist die Veteranin. Auf dem Weg ins Büro bespricht sie noch eine Zimmerverlegung mit Schwestern und unterhält sich eine Weile mit einem Deutschen, der im Rollstuhl auf dem Gang sitzt. Im Büro ist ein Krankenrücktransport zu organisieren, Arzttermine müssen festgelegt und Entlassungspapiere vorbereitet werden, ein Reiseveranstalter und Angehörige eines Neuzugangs sind zu verständigen. "Sie zu finden, ist oft Detektivarbeit."
Wieder klingelt das Handy. Das Gespräch dauert lange. Eine Patientin wolle unbedingt an diesem Tag nach Deutschland fliegen, obwohl bei ihr eine Untersuchung angesetzt sei, um eine lebensbedrohliche Erkrankung auszuschließen, erzählt die Betreuerin später. Der Ehemann habe sie beschimpft, als sie ihm sagte, dass seine Frau von der Klinik nicht das "Fit to fly" bekomme. Die Versicherung würde nichts zahlen, falls die Maschine wegen der Frau notlanden müsste. Schließlich habe der Mann doch eingesehen, dass der Flug zu gefährlich wäre.
Gute Nerven, Erfahrung und Menschenkenntnis brauche man für den Job, meint Schwender. Manchmal sei eine gewisse Härte nötig, wie eben gerade. Einige Patienten müsse man mit Samthandschuhen anfassen, weil sie schnell auf 180 seien und aggressiv würden. Andere hätten Angst. "Die muss man auch mal in den Arm nehmen und sagen: Das kriegen wir schon wieder hin." Es gebe auch viele einsame Patienten. Sie bräuchten besondere Fürsorge.
Eigentlich könnte sie seit zwei Jahren ihre Rente genießen, aber die Kinder seien aus dem Haus, Enkel noch nicht da. "Was soll ich da zu Hause?" Die Arbeit mache ihr immer noch Freude. "Das Schönste ist, wenn Patienten eingeliefert werden, die dem Tod ganz nahe sind und wir dann irgendwann sagen können: Sie sind über den Berg." Dann weine sie mit den Angehörigen vor Erleichterung. Auch wenn ein Patient sterbe, trauere sie oft mit der Familie. "Man ist ja nicht aus Stein, auch nicht nach all den Jahren."
Trotzdem habe sie gelernt, die Arbeit nach Dienstschluss hinter sich zu lassen. "Am nächsten Morgen lege ich den Schalter wieder um und bin ganz bei meinen Patienten." Früher habe sie alle Probleme mit nach Hause genommen, aber das sei weder für sie gut gewesen noch für ihre Familie.
Manche Schicksale bedrückten jedoch das Leben lang. Immer wieder erinnere sie sich an den netten Mann, der seinen 60. Geburtstag mit Freunden auf Mallorca feiern wollte. Bei einer Radtour hatte er einen Unfall. "Und er flog als Rollstuhlfahrer zurück nach Deutschland."
Ein paar Jahre zuvor habe ein Mittzwanziger seinen Studienabschluss mit Freunden auf der Insel feiern wollen. Er sei kopfüber in ein nicht ganz gefülltes Schwimmbecken gesprungen. "Das hatte er nicht gesehen. Er war vom Hals abwärts gelähmt. Und das sagen Sie mal den Eltern."
In einem großen Buch macht sich das Team zu jedem Patienten Notizen. "Um immer zu wissen, was zu tun ist." Ist alles erledigt und der Patient entlassen, wird der Name durchgestrichen. Monika Schwender macht zwei große Kreuze. Für heute ist Feierabend.
(aus MM 37/2017)