Mit dem amerikanischen Ex-Präsidenten Barack Obama verbindet Udo Senf eine Gemeinsamkeit: Beide haben den 31. Grad der Freimaurerei inne. Die Freimaurer sind ein Männerbund, sagenumwoben und häufig als "Geheimbund" bezeichnet, der die Fäden der Weltpolitik in der Hand hält. Darüber kann der 65-jährige Mülheimer nur lachen. "Das einzige Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt", sagt Senf.
Freilich gebe es Rituale bei den Treffen, die nicht für die Außenwelt bestimmt sind. Auch eine gewisse Hierarchie werde eingehalten, die an die Stufen einer Ausbildung erinnert, was sie letztlich auch ist. Als "Lehrling" tritt man der Gruppe, "Loge" genannt, bei, kann dann "Geselle", "Meister" und "Beamter" werden. Der Leiter einer Loge ist der "Stuhlmeister", das war Udo Senf auf Mallorca bereits für zwei Legislaturperioden. Mallorcas deutschsprachige, damals ruhende Loge Catena Fraternitatis 95 hat er 2002 mit einigen Mitstreitern reaktiviert.
Was genau ist die Freimaurerei? Auf einer von Senf empfohlenen Website ist eine Eigendefinition veröffentlicht. "In der Tradition der Aufklärung und des Humanismus wollen wir - Männer verschiedener religiöser, politischer und weltanschaulicher Überzeugung - bei unserem Treffen den Versuch machen, die Welt und die Gesellschaft in der wir leben, menschlicher zu machen." Die Ideale der Aufklärung und der französischen Revolution: Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit gepaart mit Toleranz und Humanität, bilden die Grundlage der "Arbeit" in einer Loge. "Wir nennen die rituellen Abläufe ,Arbeit'. Da passieren Abläufe und verschiedene Dinge und da wird eine Rede zu einem Thema gehalten", erklärt Udo Senf. Auch persönliche Sachen würden zur Sprache gebracht, denn man könne sich sicher sein, dass alles, was in der Loge sei, auch in der Loge bleibe. Religionszugehörigkeiten und politische Ansichten spielten in der Loge keine Rolle.
"Man arbeitet vor allem an sich selbst, um seine Psyche und seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Du gehst nicht in die Freimaurerei, um Vorteile zu erlangen", sagt Senf. Freilich, wenn er als Bauunternehmer einen Architekten brauche, frage er zuerst einen "Bruder" der Loge, wenn es dort einen gibt. "Da kann ich davon ausgehen, dass er mich nicht übervorteilt."
Die öffentlich sichtbare Arbeit der Freimaurer-Loge auf Mallorca ähnelt durchaus der anderer Organisationen und hat einen humanitären Zweck. "Wir haben vor den Supermärkten Kisten aufgestellt und Spenden gesammelt für minderbemittelte Familien", erzählt Udo Senf, der seit 20 Jahren auf Mallorca lebt. Er unterstützt auch zwei Patenkinder, eins in Afrika und eines in Südamerika.
Udo Senf hat sich schon als Student für die Freimaurerei interessiert. Dann offenbarte ihm ein Segelfreund bei einer Flaute auf der Ostsee nach einigen Bierchen, dass er Freimaurer sei. Senf war begeistert und ließ sich gleich zu einem Besuch einladen. Seitdem gehört er den Freimaurern an, hat es auf Mallorca bis zum Stuhlmeister gebracht und zur Mitgliedschaft im Templerorden, die nur verdiente und in den jeweiligen Graden qualifizierte Freimaurer erlangen könnten, so Senf.
Insgesamt acht Logen gibt es auf Mallorca, drei spanische, eine deutschsprachige, vier englische. Wer sich interessiert, kann um einen Besuch bitten. Dass man tatsächlich aufgenommen wird, hängt dann von den "Brüdern" ab. "Wir nehmen Menschen von gutem Ruf. Wenn jemand zuvor etwas Schlechtes getan hat, muss er das offen sagen", erklärt Senf. Er selbst habe schon erlebt, dass sich bei einem Mitbruder später nach der Aufnahme herausstellte, dass er ein zweifelhaftes Vorleben hatte. Eine weitere Voraussetzung ist übrigens, dass man ein Mann ist - die Freimaurer sind ein reiner Männerbund. "Es gibt Frauenlogen, aber die sind nicht von der Großloge in London anerkannt", sagt Senf. Und das werde wohl auch so bleiben in den nächsten Jahrhunderten.
Wer aufgenommen wird, befindet sich übrigens in guter Gesellschaft: Adenauer, Goethe, Mozart, Karl der Große, Friedrich der Große und George Washington, sie alle waren Freimaurer, die autoritären Regimes oft ein Dorn im Auge sind. Während der Nazi-Diktatur in Deutschland kamen die Mitglieder, die damals durch eine Butterblume am Revers zu erkennen waren, in Konzentrationslager. "Auch auf Mallorca hat Franco sieben oder acht Freimaurer erschießen lassen", erzählt Senf.
Heute soll es weltweit rund sieben Millionen Freimaurer geben, auf der amerikanischen Ein-Dollar-Note befinden sich sieben Symbole der Freimaurerei. Über deren Ursprünge gibt es verschiedene Versionen, die bis in die Zeit der alten Ägypter reichen. "Die Freimaurerei ist im Mittelalter bei den Dombauern entstanden", sagt Udo Senf, daher auch das Symbol mit dem Zirkel. Ihn fasziniert vor allem das weltumspannende Netzwerk. "Egal wo du bist auf der Welt, man hilft sich untereinander", schwärmt er. "Da lernst du viele tolle Menschen kennen."
(aus MM 40/2017)