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Die Mallorca-Residenten und ihre Heimatgefühle

Ein echter Hingucker: Das Wort Heimat in zwei Meter großen Buchstaben am Rand eines Neubaugebietes in Wetzgau (Baden-Württemberg). | Kreuzschnabel/Wikimedia Commons

| Palma, Mallorca |

Nicht zuletzt wegen der sich immer weiter entwickelnden Multikulti-Gesellschaft, der Flüchtlingsproblematik und einer oft beklagten Entfremdung von traditionellen Werten wird in Deutschland verstärkt über das Thema "Heimat" diskutiert. Erst vor wenigen Tagen hat der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel in einem "Spiegel"-Aufsatz die Sozialdemokraten aufgefordert, das Thema nicht allein den anderen politischen Gruppierungen zu überlassen.

Was ist "Heimat"? Darauf lässt sich eine allgemeingültige Antwort kaum finden. Denn es haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte unterschiedliche Definitionen des Begriffs etabliert. Im klassischen Sinne ist Heimat der Ort oder die Region, wo die Wurzeln eines Menschen liegen. Wo er geboren ist, wo er die ersten Lebensjahre verbracht hat und groß geworden ist. Viele Menschen bezeichnen aber auch den Ort als Heimat, an dem sie sich wohlfühlen, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbringen, wo Angehörige und Freunde leben. "Meine Heimat" wird dann auch oft gleichgesetzt mit "mein Zuhause".

In den Tagen um den Jahreswechsel denken viele Leute über ihr bisheriges Leben nach. Bei Mallorca-Deutschen stellt sich dann nicht selten die Frage "Wo ist eigentlich meine Heimat?". Das gilt natürlich gleichermaßen für Österreicher und Schweizer, die auf der Insel ansässig sind. Denn nach Jahren oder Jahrzehnten mediterranem Leben ist die Zeit der Jugend weit weg. Mancher kommt nach Jahren der Abwesenheit wieder in seine "Heimatstadt" und stellt fest, dass kaum noch etwas so ist, wie es war. Und oft gibt es wichtige Menschen aus der Vergangenheit nicht mehr oder sie haben sich sehr verändert.

MM hat sich mal bei einigen Residenten umgehört, was sie zum Thema "Heimat" denken. Antworten, die vielleicht nicht repräsentativ sind, aber zum Nachdenken anregen können.

"Ich bin ein alter Schlesier", meint Klaus Exner, der mit seiner Frau Uta seit rund 20 Jahren bei Canyamel lebt. "Damals wohnten noch mehrere Generationen unter einem Dach, daraus ergab sich eine Verbundenheit. Heute ist durch die Globalisierung alles zersplittert." Der 76 Jahre alte frühere Werbefotograf und begeisterte Hobbykoch stammt aus Breslau, dem heutigen Wroclaw in Polen. "Ich würde da aber nie wieder hinfahren und sagen, das ist meine Heimat. Das ist heute die Heimat anderer Menschen."

"Heimat ist für mich ein Gefühl. Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle", meint der Wahl-Mallorquiner. Heimat habe für ihn nichts mit Herkunft zu tun. "Das ist Tümelei. Aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen." Exner hat in Wolfsburg gelebt. "Dort habe ich Freunde gefunden, das war dann meine Heimat. So ist es später auch in Baden-Baden gewesen und dann hier auf Mallorca. Mir kommt es bei der Frage nach Heimat wirklich auf den Wohlfühlfaktor an."

Ähnlich sieht es Juan Schmidt Coll. Der Golflehrer wurde vor 58 Jahren als Sohn eines Deutschen und einer Mallorquinerin aus Sóller in Saarbrücken geboren und ist dort auch aufgewachsen. Als Heimat bezeichnen würde er die Saar-Metropole heute allerdings nicht. "Meine Heimat ist Mallorca, wo ich seit 30 Jahren lebe. Mit Saarbrücken verbinde ich Jugenderinnerungen ... Aber Heimat würde ich das nicht nennen." Wie Exner sieht auch Schmidt Coll seine Heimat da, "wo ich mich wohlfühle". "Wenn ich mal wieder in Saarbrücken bin, dann fühle ich mich dort nicht unbedingt zu Hause. Es hat sich im Laufe der Jahre sehr viel geändert. Alles ist extrem durchorganisiert", meint Schmidt Coll, in dessen Charakter sich eigenen Angaben zufolge deutsche und spanische Tugenden mischen. "Ich kann die Diskussion aber auch nicht ganz verstehen, die Thematik ist für mich etwas fern. Wer weiß, wo ich in 31 Jahren zu Hause sein werde?"

Wie unterschiedlich die Ansichten zum Thema "Heimat" sein können, zeigt im Vergleich zu Schmidt Coll die Reaktion von Michaela Hüffer. Sie lebt seit mehr als 40 Jahren auf der Insel, hat 33 Jahre Schuh-Boutiquen betrieben und ist heute auch ohne eigenen Laden noch in ihrem Business aktiv. Auch nach 40 Jahren Mallorca käme die 58-Jährige nicht auf die Idee, die Insel als "Heimat" zu bezeichnen. "Meine Heimat ist Münster. Da bin ich aufgewachsen, da komme ich her, da sind meine Wurzeln, da leben meine Schulfreunde, wenn sie nicht in aller Welt verteilt sind." Die Geschäftsfrau, die in Palmas Stadtteil Cala Major wohnt, differenziert zwischen "Heimat" und "Zuhause". "Meine Heimat ist Münster, mein Zuhause aber hier auf Mallorca. Ich fliege gerne mal weg. Aber schon nach ein paar Tagen zieht es mich dann wieder nach Hause."

"Meine Heimat ist dort, wo ich geboren bin, in der Pfalz", lässt Günter Stalter keinen Zweifel. "Aber Mallorca ist meine zweite Heimat. Ich habe nicht die Absicht, wieder nach Deutschland zurückzukehren", meint der 79-Jährige, der für die deutschsprachige evangelische Kirchengemeinde den Residententreff organisiert. "Für viele ist die Gemeinde sicherlich auch ein Stück Heimat in der Ferne. So wie die Bild-Zeitung, Lidl oder die Müller-Märkte. Der Residententreff hat damit aber nichts zu tun. Wir versuchen, den Menschen Mallorca näher zu bringen." Stalter hat beobachtet, dass heimatliche Gefühle bei den Menschen stärker werden, je älter sie sind. "Man vermisst bestimmte Dinge oder Freunde, bekommt Heimweh." Deutsche Residenten, die Mallorca als "Heimat" betrachten, kennt Stalter seinen Angaben zufolge nicht. Anders ist das in der eigenen Familie. "Mein Sohn ist auf der Insel geboren. Für ihn ist das hier die Heimat."

Thomas Algasinger hat bemerkt, wie der Begriff "Heimat" sich für ihn persönlich gewandelt hat. Der 58-Jährige aus Dorfen in der Nähe von München kam vor zehn Jahren nach Mallorca. In Can Pastilla betreibt er das Restaurant Phoenix, ist mit der Mallorquinerin Mercedes liiert. "Mittlerweile ist meine Heimat Mallorca. Das war vor ein paar Jahren noch anders und hat sich entwickelt. Ich verbinde mit Heimat Eltern und Elternhaus. Wenn meine Eltern noch leben würden, dann würde ich sie besuchen und sagen, ich fahre nach Hause. Wenn ich jetzt zu meinen Enkelkindern reise, dann denke ich, ich bin in Bayern. Kaum auf Mallorca gelandet, schießt mir der Gedanke in den Kopf, jetzt bis du wieder daheim." Für Algasinger ist "Heimat" ein wichtiger Begriff. "Ich glaube, wenn du dir ein gewisses Umfeld aufgebaut hast, dann ist das ein Stück Heimat."

Max Stebegg aus Artà stammt aus der Nähe von Graz. "Österreich ist die Heimat, in die ich hineingeboren worden bin. Und die ich als Kind gar nicht so schätzen konnte. Ich glaube, je älter man wird, desto mehr kann man Heimat schätzen", meint der 67-Jährige, der zusammen mit seiner Frau Jacky jahrzehntelang die Bar "Casa Nova" in Cala Rajada betrieben hat. Seit 38 Jahren wohnt Stebegg auf Mallorca. "Ich habe gleich am Anfang gemerkt, dass ich hier leben möchte. Meine selbst gewählte Heimat ist Mallorca." Ein Beleg ist für ihn Folgendes: "Wenn ich früher im Winter nach Österreich geflogen bin, dann habe ich mich wahnsinnig auf Schnitzel und österreichische Leckereien gefreut. Heute sehne ich mich in Österreich nach dem Pa amb oli oder nach einem Frito Mallorquin ... Wenn man die Küche und die Lebensqualität der neuen Heimat mehr schätzt als die der alten, dann kann man schon von Heimat sprechen, oder?"

(aus MM 52/2017)

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