Der Tod seiner einzigen Tochter vor knapp zwei Monaten hat Francisco Franco für einen kurzen Moment erneut in das Bewusstsein der spanischen Öffentlichkeit treten lassen. Über das Privatleben des Mannes, der Spanien von 1936 bis 1975 als Diktator beherrschte, ist indes nie viel bekannt gewesen. Auch seine Tochter Carmen, die am 29. Dezember im Alter von 91 Jahren in Madrid ihr Leben beschloss, hat sich selbst in den Jahren des Franquismus weitgehend im Hintergrund gehalten und es insbesondere gemieden, zum Objekt der Berichterstattung in der Regenbogenpresse zu werden.
So ist der "Caudillo", also der Anführer, wie sich Franco im Gefolge des Militärputsches von 1936 nennen ließ, vielen Spaniern und selbst Mallorquinern in erster Linie als Staatschef in Erinnerung geblieben. Dass er von 1933 bis Ende 1934 zwei Jahre als Militärgouverneur für die Balearen in Palma wirkte, ist selbst vielen Mallorquinern nicht geläufig. Noch spärlicher sind die Informationen, wenn es darum geht, wie der einst jüngste General in der modernen Geschichte Europas - die entsprechenden Schulterklappen hatte der Offizier bereits 1926 erhalten - seine Zeit auf der Insel verbrachte. Bekannt ist, dass er seiner Leidenschaft, der Jagd, frönte. Auch eine Besteigung des höchsten Berges auf Mallorca, des Puig Major an einem Sommertag, damals noch ohne militärische Radarstation, ist belegt.
Der "Generalísimo", so ein weiterer Beiname für Franco, galt bereits 1933, als er nach Mallorca versetzt wurde, in rechts-konservativen Kreisen als populärer Volksheld. Der deutsche Schriftsteller Vigoleis Thelen, der von 1931 bis 1936 in Palma lebte, beschreibt in seinem Roman "Die Insel des zweiten Gesichts", wie im Altstadtpalast der mallorquinischen Adelsfamilie Formiguera die feierliche Begrüßung für den einzutreffenden Franco eingeübt wurde. Thelen und seine Frau, die die Töchter der Formigueras als Sprachlehrerin unterrichtete, sollten bei dem Zeremoniell ausdrücklich ebenfalls dabei sein. Doch das antifaschistisch und antimilitaristisch eingestellte Paar verweigerte sich und nahm nicht einmal an der Probe teil, zu der - so fabuliert es Thelen - eigens eine Ersatzperson den noch abwesenden General darstellen sollte. Im Roman heißt es:
... auch zum Scherz war ich nicht zu bewegen, vor den Strohmann hinzutreten, den Arm zu heben und zu sagen: Viva Franco! Arriba España!
Der Autobiografie des deutschen Exilschriftstellers Frank Arnau, der 1933 zeitweise ebenfalls auf Mallorca lebte, ist ein weiteres Detail über Franco zu entnehmen: So berichtet Arnau von einem Fräulein Singer. Die Deutsche, die sich selbst als "kluges Juddemädchen" bezeichnet haben soll, hatte sich nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland von Berlin aus nach Palma abgesetzt, wo sie im Frühjahr 1933 einen Laden eröffnete. Die junge Schneiderin, "Qualitätskonfektion", und der 40-jährige Militärgouverneur lernten sich, so vermutet es Arnau, in dem Geschäft kennen, bis die Deutsche im Folgenden zur Freundin des verheirateten Generals wurde.
Später, als Franco wieder auf das Festland versetzt wurde, verkaufte das "Singermädchen" den Laden, verließ Mallorca und ließ sich "in Reichweite des Generals" nieder, schreibt Arnau. Er selbst traf die Deutsche erst 1936 in Paris wieder, wenige Tage vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges. "Aus mit dem General?", fragte er Fräulein Singer. Die Frau gab der Biografie zufolge auf die Frage eine eindeutige Anwort:
"Er wollte, dass ich für einige Zeit verreise. Vielleicht hab' ich böses Blut gemacht, du weißt, wie das ist, ein General und eine Fremde. Vielleicht die Familie - ich weiß es nicht. Trennung auf Zeit, denke ich mir. Irrtum vorbehalten, du weißt, das steht unter jeder Bilanz. Qui vivra, verra!"
Hat es diese Frau, diese Beziehung tatsächlich gegeben? Ausgewiesenen Geschichtskennern auf Mallorca ist eine Affäre Francos mit einer jungen Deutschen zumindest nicht untergekommen. Andererseits haben sich Details und Anekdoten in Arnaus Werk "Gelebt, geliebt, gehasst", erschienen 1972 in München, in der Regel als zuverlässig erwiesen, sagt etwa der Arnau-Experte Hans-Christian Napp. Im Prinzip spricht somit nichts gegen den Wahrheitsgehalt einer jener frühen deutsch-spanischen Affären auf Mallorca. Franco, der mit seinem Militärputsch letztlich Spanien in den blutigen Bürgerkrieg stürzte, dürfte indes sehr gut verstanden haben, die Beziehung, solange sie existierte, unter Verschluss zu halten.
(aus MM 2/2018)