Am 9. September des vergangenen Jahres sprang Daniel Kaiser Küblböck (dieser Name steht in seinem Pass) von der Aida-Luna in die Labradorsee. Seitdem gilt der 33-Jährige als verschollen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass er noch am Leben ist.
Der Sänger wurde Ende 2002/Anfang 2003 durch die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar” in Deutschland bekannt. Später lebte er teilweise auf Mallorca. Hier hat er auch viele Freunde hinterlassen.
Die auf der Insel ansässige Journalistin Alexandra Pilz hatte ein besonderes Verhältnis zu Daniel. Mit sehr persönlichen Worten nimmt sie jetzt, ein halbes Jahr nach seinem Verschwinde, im Mallorca Magazin Abschied von ihm. Ihr Brief trägt die Überschrift „Flaschenpost für Daniel Kaiser Küblböck”.
Mein Schatz!
Über sechs Monate ist es nun her. So viele Monate ohne einen Anruf, eine Whats-App, ein Video – einfach nur irgendein Zeichen von Dir. An manchen Tagen vermisse ich Dich so sehr, dass ich alles wie durch einen Schleier sehe, weil mir immer wieder Tränen in die Augen schießen.
Weißt du noch, wie wir uns vor vielen Jahren bei einem Bootsausflug auf Mallorca kennengelernt haben? Als alle anderen am Ende des Tages nach Hause fuhren, sind wir beide in eine Bar in der Nähe vom Paseo Marítimo gegangen und haben so lange über Gott und die Welt gequatscht, bis man uns morgens um sieben Uhr rausgeschmissen hat. Danach war unsere Freundschaft besiegelt.
Du hast mich sofort verzaubert mit Deinem Lachen, Deiner Bescheidenheit und Deiner charmanten Art. Ich glaube, vielen Menschen ist das auch so ergangen, wenn sie Dir persönlich begegnet sind. „Ein unglaublich charismatischer junger Mann mit einem Riesentalent. Der kann die Leute fesseln und begeistern!”, hat Frank Elstner über Dich gesagt und Du warst stolz wie Bolle, als ich es Dir erzählt habe. „Das hat er gesagt? Das ist aber sehr nett von ihm.” Besonders beeindruckt hat den „Wetten, dass ..?”-Erfinder aber auch Dein Ehrgeiz, weil Du Deine Stimme so enorm weiterentwickelt hast.
Ja, Daniel, daran hast Du wirklich hart gearbeitet. Stundenlang geübt und geübt. Wie oft hat mein Telefon geklingelt: „Hör mal, Schatz, ich muss dir mal eben was vorsingen.” Mich hat das immer wahnsinnig berührt. Und jedes Mal hast Du Dich bei mir fürs Zuhören bedankt. Da musste ich immer schmunzeln. Aber auf solche kleinen Details und Höflichkeiten hast Du sehr viel Wert gelegt.
Nicht viele Menschen beherrschen heute noch das Knigge-Einmaleins. Tür aufhalten für Ladys, Blümchen mitbringen, sich für einen schönen Abend, ein gutes Gespräch oder ein selbst gekochtes Essen bedanken. Für Dich alles eine Selbstverständlichkeit.
Auch als Gastgeber habe ich nie einen besseren als Dich kennengelernt. Du hast den Mercat de l’Olivar leer geshoppt, „Heute Brunch bei mir!”, und von der Tischdeko bis zur Bodenvase war immer alles top gestylt.
Apropos Brunch! Ich muss daran denken, wie wir mal wieder am Wochenende im Supermarkt einen Großeinkauf gestartet haben. Das Kassenlaufband war voll mit unseren Sachen. Hinter uns stand diese alte Dame mit Krückstock. Sie hatte nur Brot, Butter und ein kleines Stück Käse in ihrem Einkaufskorb. Zwischen euch gab es nur einen Blick, ein Lächeln und schon habt ihr gequatscht. Dann stand ich plötzlich alleine da, denn Du hast diese Dame geschnappt, eingehakt und bist mit ihr zusammen im Markt verschwunden. Letztendlich haben wir die prall gefüllten Einkaufstüten in ihre Wohnung geschleppt, die Du bezahlt hattest – die Dame konnte das alles gar nicht fassen und hat vor Freude geweint. Später hast Du dann auf meinem Sofa gesessen und stundenlang das Internet zum Thema Altersarmut durchforstet. Zig Artikel hast Du mir vorgelesen und wir haben die ganze Nacht darüber diskutiert.
Du hast Dir immer so viele Gedanken gemacht, bist so unvoreingenommen und mit so viel Wärme und Liebe im Herzen auf die Menschen zugegangen, das hat mich immer wieder aufs Neue beeindruckt. „Am liebsten wäre ich der wichtigste Mensch der Welt, dann könnte ich überall für Frieden sorgen.”
Jetzt sitze ich hier mit einem lachenden und einem weinenden Auge, weil ich an diesen Lieblingssatz von Dir denke. In all den Jahren unserer Freundschaft haben wir den Frieden auch zwei, drei Mal auf Eis gelegt. Ein Wirbelsturm in der Wüste, der den Sand ins Weltall schießt, ist dagegen nichts. Aber natürlich haben wir uns wieder vertragen und dann tagelang darüber gelacht, wie blöd der Streit war und was dabei alles verbal durch die Luft geflogen ist. Manche Sätze so skurril, dass wir sie noch Jahre später ausgegraben haben.
Wir und unsere „Erinnerungskiste” voller Situationen und Aktionen, die wir als so intensiv empfunden haben. Oft haben wir uns angerufen, weil uns eines unserer Highlights in den Kopf geschossen ist. Völlig egal, ob Du gerade mit Deinem Fahrrad durch Friedrichshain gerast oder im El Corte Inglés gewesen bist. Völlig egal, wo es mich gerade durchzuckt hat. Und dann haben wir so lange gelacht, bis unsere Bauchmuskeln schmerzten.
Nun werde ich niemals wieder so darüber lachen können. Das konnten wir nämlich nur zusammen. Unsere „Erinnerungskiste” ist nicht mal voll geworden, mein Schatz, und ich muss jetzt schon einen Deckel draufmachen, weil nichts mehr hinzukommen wird. Aber ich werde sie für immer in meinem Herzen tragen und sie hüten und beschützen, wie den größten Schatz!
Ich danke Dir für all die Jahre unserer Freundschaft, Daniel Kaiser Küblböck! Du wunderbares Menschenkind – Te quiero para siempre!
(aus MM 11/2019)