Wenn die Temperaturen steigen, lechzen nicht nur Urlauber auf der Insel nach erfrischenden Getränken. Geht es um Cocktails oder Longdrinks, sind „Gin Tonic” oder „Aperol Spritz” auf fast jeder Getränkekarte zu finden, aber welche neuen oder alten Drinks sind in diesem Sommer angesagt? MM hat zwei preisgekrönte Experten gefragt.
„Weil hier so viele Menschen aus aller Welt sind, passen wir uns den Geschmäckern an”, sagt Borja Triñanes, 28 und Chef-Barmann im „Ginbo” an Palmas Paseo de Mallorca. Die aktuelle Karte sei von lokalen Produkten der Balearen inspiriert. Beliebt ist etwa der „Lavanda” mit Lavendel oder der „Oliva” mit Oliven. Die Basis ist jeweils ein ausgewählter Gin, beim „Lavanda” zum Beispiel Gvine aus Frankreich, dazu trockener Wermut, ein Sirup aus Lavendel und Erdbeeren mit Zitronensaft, geschüttelt, über Eis serviert und aufgeschlagen mit einer dicken Schicht Eiweiß, die den Cocktail bedeckt. Der optische Anspruch an einen guten Drink werde immer wichtiger, wie der Profi aus Santiago de Compostela weiß.
Von der neuen Karte, die im August kommen wird, verrät er ein paar Auszüge. Sie spielt mit den Geschmäckern der am häufigsten vorkommenden Nationalitäten auf Mallorca: Deutsche, Schweden, Engländer, Italiener, Argentinier, Kolumbianer und Marokkaner. „PMI”, wie das Kürzel des Hauptstadt-Flughafens, wird das Angebot heißen und kreative Geschmacksrichtungen haben: Für jedes Land gibt es vier Drinks, die jeweils eine lokale und eine landestypische Spezialität kombinieren. Zum Beispiel das deutsche Pendant Bier und Erdbeeren oder saure Gurken und Melone. Das schwedische soll Zimtrollen und Mandeln enthalten, das britische etwa Milch, Tee und Pfirsich. „Craft Cocktails” nennt sich diese Bewegung, die auch in diesem Sommer total angesagt sein soll. Aus den Zutaten werde ein Sirup hergestellt, der sich ideal mit Spirituosen kombinieren lasse.Der Fokus liegt auf ausgewählten, bekannten Zutaten, die neu interpretiert werden in einem individuellen Mix. Es soll neue Geschmackserlebnisse bieten, aber immer noch angenehm und allgemeinverträglich sein. „Man muss ein Gefühl dafür haben, was zusammenpasst und was nicht. 90 Prozent sind Erfahrung”, sagt Borja Triñanes.
Das bestätigt auch Rafa Martín, Chef des „Brassclub”, der quasi in einer Bar groß geworden ist, wie er selbst sagt. Zu jeder Jahreszeit gibt es in der vor sechs Jahren eröffneten Bar des Profis aus Salamanca eine neue Karte, die auch von Kundenwünschen inspiriert ist. Der 41-Jährige schwört auf Cocktails, die „nie aus der Mode kommen” wie Dry Martinis, Margaritas, Moscow Mules oder Mojitos, experimentiert aber auch für den Sommer mit Aperitifs wie Campari oder Pampelle, die seiner Meinung nach gut zu Soda, Tonic oder sogar Champagner passen. Leicht, frisch und fruchtig soll es jetzt sein, weiß er. Mehr Kunden würden in der heißen Jahreszeit zudem nach Cocktails mit einem moderaten Alkoholgehalt fragen. Aktuell habe er für sich Ingwer, Kombucha oder Kokoswasser zum Experimentieren entdeckt.
Geht es um Gin und Tonic, ist Martín wichtig, dass jeder Kunde nach seinem Geschmack bedient wird. Der eine möge seinen Gin trocken, der andere blumig, der andere mit einem Geschmack von Zitrusfrüchten. Die richtige Empfehlung sei laut Martín der Schlüssel zum Erfolg. „Kennt man das Produkt, das man verkauft, kann man es auch mit Überzeugung vorschlagen”, sagt der 41-Jährige.
Sein Rezept: Ein hochwertiger Gin, kalt eingegossen, perfektes hartes Eis und dazu ein Schweppes Tonic, mit aromatisierten Zitrusfrüchten ohne weitere pflanzliche Zutaten im Glas.Geht es um den vermeintlichen spanischen Klassiker Sangria, sind sich die beiden Spanier uneinig. Borja Triñanes vom „Ginbo” meint, Sangria sei nur ein Stereotyp von Touristen, die meisten Spanier würden ihn gar nicht so häufig trinken oder danach fragen. Wenn überhaupt, dann nur im Süden Spaniens.
Rafa Martín vom „Brassclub” hingegen sieht ihn als „großen Klassiker”, dem er gerne etwas Besonderes beimischt. So gieße er die Alkohole mit Zimt und Gewürzen an, während er frisches Obst hinzufügt. Natürlich gehöre bei beiden Bars auch Bier zum Standardsortiment. „Heutzutage kann man viel mit Bier spielen”, sagt Martín. „Es gibt belgische Lambic-Biere mit bittersüßen Aromen dank der Gärung von beispielsweise roten Früchten oder Aprikosen oder wild und aromatisch mit Basilikum und Minze”, so der Experte über das gerade angesagte Gärverfahren. „Ich bleibe aber eher bei einer sehr klassischen Mischung: Bier mit einem Schuss Amer Picon, einem französischen Aperitif.”
Das Trinkverhalten auf Mallorca bleibe von internationalen Trends nicht unbeeinflusst. „Vor zehn Jahren waren Mix-Getränke noch der Renner, dann kam der ‚Gin Tonic’, heute haben Cocktails ihre ‚Goldene Ära’”, meint „Ginbo”-Barchef Triñanes, der vor sechs Jahren nach Mallorca kam. Was Männer vorzugsweise trinken und was Frauen, könne man nach Aussage der beiden Bar-Chefs heute nicht mehr pauschal sagen.
„Beide ordern heutzutage gleichermaßen, vielleicht ist das weibliche Publikum eher geneigt zu weniger alkoholischen Getränken, mit Säften, Gins oder Wodka. Männer wählen häufiger Getränke mit Spirituosen, den härteren, weniger süß, eher bitter wie Rum, Whisky oder Tequila”, sagt Rafa Martín. „Ich serviere nicht mehr pauschal nach ‚typisch weiblich’ oder ‚typisch männlich’, sondern frage vorher nach”, sagt Borja Triñanes. „Wir hatten hier auch schon Paare, bei denen er einen Erdbeer-Daiquiri bestellt hat und sie einen Whisky pur.”
(aus MM 30/2019)