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Die Tiere sind das Leben des Miguel Càndil

Miguel Càndil, hier mit einem seiner Esel, ist ein Original im Inselosten. | Miriam Eisold

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Wer den Strand von Sa Coma im Osten der Insel unweit von Cala Millor sucht, der findet mit großer Wahrscheinlichkeit auch Miguel Càndil und seine Farm. Die „Rancho Sa Coma“ grenzt im Naturschutzgebiet Punta de n’Amer direkt an den weißen Sandstrand an. Einen Zaun sucht man hier vergebens: Die Pferde, Ponys und Esel bewegen sich frei auf der Halbinsel, die zwei Kilometer ostwärts ins Meer ragt. Nicht einmal zur Straße gibt es eine geschlossene Umzäunung. Warum die Tiere nicht abhauen? „Weil ich ihnen das gesagt habe“, sagt der alte Mallorquiner mit der immerzu heiseren Stimme, und ein Lächeln huscht über sein sonst eher strenges Gesicht.

Im Dorf gibt es wahrscheinlich niemanden, der den 76-Jährigen, der seit eh und je mit dem Fahrrad und meist mit Strohhut unterwegs ist, nicht kennt. Seit nunmehr über vier Jahrzehnten bietet Miguel Càndil auf dem Gelände geführte Ausritte, Fahrten mit der Eselskutsche und Ponyreiten für Kinder an. 20 Pferde und Ponys sowie sechs Esel stehen dazu zur Verfügung. Früher, da waren es einmal 30 Pferde und Miguel hatte bis zu vier Angestellte. Aber mit der Umstellung zum Euro liefen die Geschäfte immer schlechter und heute macht er alles weitestgehend alleine. Die Preise auf der Rancho Sa Coma sind trotzdem mehr als moderat: Fünf Euro kostet es, wenn man sich ein Pony für einen 30-minütigen Spaziergang leiht, 15 Euro kostet ein geführter Ausritt. Im Winter, wenn nicht so viel los ist, führt der Senior auch selbst die Ausritte an. Wenn in der Zeit seiner Abwesenheit jemand kommt, um ein Pony zu leihen oder mit der Eselskutsche zur zirka dreißig Minuten entfernten Burg Castell de Sa Punta de n’Amer fahren möchte, dann muss er eben warten. Und wenn Miguel Càndil gerade in einem der Container, die auf dem Gelände stehen, Siesta hält, dann steht der Besucher eben davor und genießt im besten Fall die herrliche Natur, bis der alte Mann aufwacht.

„Das Einzige, was ich an meinem Beruf nicht so sehr mag, sind die Menschen“, sagt Miguel und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er das genau so meint. „Die reden zu viel und sehen und hören zu wenig.“ Und sie verstehen nicht, dass Ponys kein Spielzeug sind. „Wenn sie ein Spielzeug suchen, dann sollen sie da vorne, an der Straße, in einem der Souvenirshops ein Plastikpferd kaufen. Aber sie sollen meine Ponys in Ruhe lassen.“

Besucher, die es gut meinen und den Pferden einen Apfel oder ein Stück trockenes Brot mitbringen, sollten sich beim Füttern auch besser nicht erwischen lassen. „Pferde können beißen“, sagt Miguel Càndil fast schon zornig. „Ich habe gesehen, wie einem Mann die Fingerkuppe abgebissen wurde.“ Außerdem sei es seine Verantwortung, was auf seinem Gelände mit seinen Tieren passiere. Auch für Erwachsene, die ihre Kinder zwischen den Pferden und Eseln spielen lassen, hat er kein Verständnis. „Ein Pferd kann ein Kind mit einem einzigen Tritt schwer verletzten oder gar töten“, warnt er. In seinen Worten schwingt eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. „Lassen Sie mich jetzt in Ruhe“, sagt er dann und stapft davon. Im Gehen ruft er noch: „Im Dorf sagen doch eh alle, ich sei verrückt!“

Seine Ruhe ist es, die sich der alte Mann wünscht. Vielleicht ist das der Grund, warum er nie verheiratet war und auch keine Kinder hat. Aber dafür hat er einen ganzen Stall voll Nichten und Neffen – und die mag er dann doch. Im Grunde jedoch gehört Miguels Herz seit je her allein den Tieren. Für die tut er alles. Bei Wind und Wetter.

„Verrückt? Wieso?“ Im Dorf reagiert man verwundert auf Miguels Behauptung. Ein Eigenbrötler sei er, das schon. Aber ein guter Mensch. Einer, auf den man sich verlassen kann, wenn man Hilfe braucht. Der zwar – zugegeben – oft mürrisch scheint, aber nie jemandem etwas tun würde. „Hunde, die bellen, beißen nicht“, erzählt Francisca lachend, die Miguel Càndil seit ihrer Kindheit kennt. Seit sie denken kann, hat Miguel Pferde und Esel. Erst hatte er sie in den 1970ern sieben Jahre vor einem der ersten Hotels in Sa Coma zum Reiten angeboten, später ist er auf das Gelände im Naturschutzgebiet umgezogen, wo er seit 44 Jahren aktiv ist.

„Dass die Pferde nie abhauen, das stimmt aber nicht!“, korrigiert man schmunzelnd in einer Bar im Dorf. „Gerade letzte Woche liefen zwei Ponys hier vorn die Straße entlang.“ Aber das sei nicht weiter schlimm. Die Polizei kennt Miguel – vielleicht sind die Polizisten als Kinder selbst auf seinen Ponys geritten. Und wenn ein Pony ausbüxt, dann wird es eben wieder eingefangen. Das nimmt man in Sa Coma mit der berühmten mallorquinischen Gelassenheit.

Miguel Càndil ist im Grunde ein Netter, da ist man sich im Dorf einig. Und manche behaupten gar, das ganze Naturschutzgebiet Punta de n’Amer gehöre ihm – aber das stimmt nicht. Der alte Miguel zahlt dort eine monatliche Pacht. Viele Sprachen versteht und spricht der Mallorquiner obendrein. Am besten jedoch wohl die seiner Pferde. Im Grunde sei er ein bisschen wie ein freiheitsliebendes Wildpferd. Jemand, der sich nicht reinreden lasse. Und wenn man seine Regeln respektiert und befolgt, dann werde man auch von ihm respektiert.

„Weniger reden und mehr sehen und hören” – das übt man am besten für gerade einmal 20 Euro bei einer Fahrt mit dem Eselskarren durch das wunderschöne Naturschutzgebiet entlang des Meeres hin zur Burg. Ein wahrlich einmaliges Erlebnis – nicht zuletzt, weil man die Zügel selbst in der Hand hält. Auf dem anderthalb Stunden langen Ausflug zur Burg samt Kaffee trinken mit sensationellem Blick über die Bucht von Cala Millor und wieder zurück – vertraut Miguel Càndil zwar vermutlich nicht den Menschen, denen er den Karren vermietet, dafür aber seinen Eseln, die das Gefährt ziehen. Und das zu Recht: Man kann die Zügel unterwegs auch weglegen – die Esel kennen den Weg und werden bei der Rückkehr von ihrem Herrn mit einem freundlichen „Hola Burrito“, also „Hallo Eselchen“ empfangen. Wenn der Mann mit seinen Tieren spricht, wird seine Stimme sanft. Seine Gesichtszüge entspannen sich und man spürt: Miguel liebt seine Tiere wirklich mehr als alles andere auf der Welt. Und letztlich ist es doch so: Glücklich ist, wer lieben darf.

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