Der Mietvertrag ihres Hauses in Deutschland war abgelaufen, der Vermieter duldete sie nur noch. Ihre Habseligkeiten hatten Annika und Kevin Kaltwasser aus der Nähe von Braunschweig fast komplett verkauft. Mit einem Bett, einem Plastiktisch und zwei alten Bürostühlen lebten sie in Wartestellung.
"Wir haben einen Hund und eine Katze, hatten deshalb keine Übernachtungsmöglichkeit mehr bei Freunden oder Verwandten. Darum haben wir uns dann entschlossen, ohne einen Plan B einfach loszufahren?", erzählt Annika Kaltwasser. Am Dienstag, 12. Mai, machte sich das Paar in seinem vollgepackten Wagen auf den Weg nach Barcelona, von dort sollte es am nächsten Tag auf die Fähre nach Mallorca gehen.
"Es war ein stressiger Trip mit wenig Schlaf, eine Achterbahn der Gefühle", erzählt die 41-Jährige. Die Grenze zu Frankreich und Spanien passierten sie problemlos. Die erste Nervenprobe folgte an einer Mautstelle in Nordspanien. "Wir standen 20 Minuten in der Schlange, dann fragte uns ein Polizist, ob wir Residenten sind", berichtet Kaltwasser. Das Paar überreichte ihm seine Abmeldung aus Deutschland, den Mietvertrag für ihre Finca bei Sineu und ein Schreiben, das ihre Notsituation auf Spanisch erklären sollte. "Als der Beamte dann sah, dass unser Wagen vollgepackt war, wünschte er uns einen schönen Tag und winkte uns durch", sagt sie.
Die Erleichterung hielt nicht lange an. "Überfahrt nur für Residenten", hieß es auf einer Infotafel am Fährterminal von Barcelona. Beim Einchecken musste das Paar jedoch nur seine Buchungsnummer vorlegen und ein Dokument mit Fragen zu Herkunfts- und Zielort sowie zum Krankheitssymptomen ausfüllen. "Außerdem mussten wir schriftlich versichern, in den letzten 24 Stunden keine fiebersenkenden Mittel eingenommen zu haben", erklärt Kaltwasser.
Mit beiden Dokumenten in der Hand traten sie am Abend die Reise nach Mallorca an. "Als die Autofahrer am nächsten Morgen vor dem Verlassen der Fähre kontrolliert wurden, haben wir uns die ganze Zeit gefragt, ob sie uns tatsächlich auf die Insel lassen", erinnert sich Kaltwasser. Doch nach einer Fiebermessung und Aufnahme der persönlichen Daten hießen die Beamten sie auf Mallorca willkommen.
"Wir sind bestimmt fünf Kilometer gefahren, bis wir realisiert haben, dass wir es geschafft haben", sagt die Neu-Mallorquinerin, die jetzt mit Ehemann Kevin dabei ist, ihre Finca einzurichten. Noch fühle es sich ein wenig wie Urlaub an, sagt sie. Ihren Wohnsitz haben sie mittlerweile auf der Insel angemeldet, der Ernst des Lebens beginnt am 1. Juli, dann öffnet ihr Ehemann eine Gebäudereinigungsfirma, bei der sie mithelfen wird.
Während sich das Paar allmählich auf der Insel einlebt, sitzt Peggy Welkener, eine andere Auswanderin in spe, weiterhin in Flein bei Heilbronn fest. Für einen Monat hat sie sich in einem Hotel eingemietet. "Einfach drauflos zu fliegen, wäre unvernünftig. Es wurden ja einige vom Flughafen in Palma direkt wieder zurückgeschickt", sagt die 70-Jährige. "Ich denke, die Kaltwassers haben Glück gehabt und nette Beamte erwischt", kommentiert sie, als sie von MM vom Happy End des Auswandererpaars hört. Sie setzt ihre Hoffnung nun auf die Aufhebung der deutschen Reisewarnung für die EU und den voraussichtlichen Neustart des Tourismus im Juli.