Zart und durchgängig fein marmoriert: Der Gedanke an ein Steak vom Wagyu-Rind lässt Gourmets weltweit das Wasser im Mund zusammenlaufen. Seit 2010 züchtet Bildhauer Josep Maria Sirvent die japanischen Edelrinder auf seiner 50 Hektar großen Finca bei Santa Maria del Camí. Dort wachsen sie ohne Stress und Antibiotika auf. Ganz wie es auch ihrem Namen entspricht: Die japanische Silbe „Wa“ bedeutet „Harmonie”, „gyuū” steht für „Kuh”. „Wagyu“ ist dabei ein Oberbegriff für mehrere Rinderrassen aus dem Reich der aufgehenden Sonne. Die unter Fein-schmeckern bekannteste ist sicher das Kobe-Rind aus der gleichnamigen Präfektur in Japan, für dessen Fleisch Kilopreise von bis zu 700 Euro gezahlt werden.
Sirvent kam über den Umweg der Kunst erstmals in Kontakt mit den Gourmet-Tieren. „In den 1990er Jahren arbeitete ich im Auftrag der japanischen Regierung an mehreren Projekten. Man lud mich in Restaurants ein und dabei kam ich in den Genuss des Fleisches“, erzählt er. Schon bald hatte der 62-Jährige, der aus einer nordspanischen Viehzüchterfamilie stammt, die Idee, das Edelfleisch auch auf Mallorca anzubieten und machte sich bei Züchtern in Kobe schlau.
Doch ein Problem blieb: Die Rinder gelten in Japan als Nationalerbe, erst seit 2014 ist ihr Export erlaubt. Außerhalb Japans leben die meisten Wagyus in den USA, Australien und Kanada, sie stammen von Tieren ab, die zu wissenschaftlichen Zwecken Mitte der 1990er Jahre nach Amerika exportiert wurden. „Doch auch diese Tiere sind sehr teuer. 2004 entschied ich mich daher dafür, Embryonen zu kaufen”, berichtet Sirvent. Weil es in Spanien keine Möglichkeit dazu gab, wurden sie von „Leihkühen” in Deutschland ausgetragen. „Das Verfahren ist nicht einfach. Die Erfolgsquote liegt bei nur 50 Prozent”, erklärt der Züchter.
2010 brachte er die ersten Kälber nach Mallorca und war damit der Wa- gyu-Pionier der Insel. Und noch eine neue Idee setzte er auf seiner Finca in die Tat um: Er kreuzte die japanische Rasse mit der Vermella Menorquina, einer vom Aussterben bedrohten Rinderrasse von Menorca. „Studien haben gezeigt, dass die menorquinischen Kühe hochwertiges Fleisch mit einem ganz besonderen Geschmack liefern. Auch ihre Milch ist einzigartig, aus ihr wird der bekannte Mahón-Käse gemacht. Außerdem geben sie deutlich mehr Milch als mallorquinische Kühe, daher sind ihre Kälber besser genährt“, erläutert Sirvent.
Heute ist seine Zucht auf 30 Tiere, zehn davon rotbraune Rinder von Menorca, angewachsen. Die Wagyu-Kühe tragen übrigens alle japanische Namen, „das ist eine Empfehlung des australischen Züchterverbands, dessen Mitglied ich bin”, erklärt der Bildhauer. Auf dem Weideland seiner Finca können sich die Tiere mit dem Irokesen-Fellpuschel auf dem Kopf frei bewegen. Für ihr leibliches Wohl sorgen Früchte des Johannisbrotbaums, Hafer, Gerste und einheimischer Xeixa-Weizen. Sämtliche Zutaten des bovinen Speiseplans wachsen auf Sirvents Finca, eine deutsches Firma hat daraus ein Spezialrezept erstellt. „Das Futter ist an die Wachstumsphasen der Tiere angepasst und sorgt für einen einzigartigen Fleischgeschmack. Wagyu Mallorca unterscheidet sich daher von einem Produkt aus Deutschland. Ein Steak von meiner Finca erkenne ich sofort“, sagt der Züchter.
Ängstlich wirken seine Rinder nicht. Besuchern der Finca nähern sie sich mit freundlicher Neugier. „Dieses Verhalten hängt aber nicht von der Rasse, sondern vor allem von der Behandlung und Ernährung ab“, betont Sirvent. Bei ihm werden Kälber anders als in der konventionellen Zucht nicht frühzeitig von der Muttermilch entwöhnt. Zwar werden sie nicht wie ihre Artgenossen in Kobe von Hand massiert, aber sie können sich von einer großen Kratzstange durchkneten lassen. Sirvents Zuchterfolg gibt ihm recht. Zurzeit hüpft eine Handvoll Kälber über die Weide. „Im Juni wurden sogar Zwillinge geboren, das passiert sehr selten“, sagt er stolz.
Mit drei Jahren hat das angenehme Leben der Wiederkäuer ein Ende. „Ab einem Alter von zwei Jahren lagert sich Fett in den Muskeln ein, ein Jahr später werden kastrierte Bullen und Kühe ohne Nachwuchs geschlachtet“, erklärt Sirvent. Halbe oder ganze Tiere verkauft er an Luxushotels und -Restaurants auf den Balearen, seit Anfang des Jahres liefert er auch Boxen mit gut 2,5 Kilo Fleisch für 99 beziehungsweise 119 Euro an Privatkunden. „Die Käufer können zwischen 100 Prozent Wagyu oder der Kreuzung mit der Vermella Menorquina wählen“, erklärt er. Vor allem deutsche und schwedische Residenten nutzen das Angebot. Wer bestellt, muss allerdings Geduld haben, bis das Gourmetfleisch eintrudelt. Sirvent sammelt Bestellungen, bis es sich lohnt, ein Tier zu schlachten. Das kann dann schnell mal einen Monat dauern.
Vergrößern will der Künstler seine Rinderzucht nicht, ihm kommt es auf Qualität und Nachhaltigkeit an. „Wir arbeiten mit Sonnenenergie, Brunnenwasser und Naturdünger. Zurzeit läuft unser Antrag auf ein Ökolabel“, sagt er. Wenn alles gut geht, ist er in gut einem Jahr der einzige Biozüchter in ganz Spanien – und bliebe damit seinem Ruf als Pionier treu.