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Der Wunderfotograf von Mallorca

„Rock’N’Rolla”: Lichtkunst für einen Fotowettbewerb mit dem Thema Musik. Die Lichteffekte sind nicht nachträglich eingefügt, sondern während des Fotografierens entstanden.

| Mallorca |

Es ist ungefähr 22 Uhr an einem Abend Mitte September. Die Nacht ist dunkel und sternenklar. Nur ein paar Deko-Wolken hängen hier und da am Himmel herum. Auch der Mond ist diese Nacht so dünn, dass er an die weiße Spitze des Fingernagels erinnert. Es ist eine nahezu perfekte Nacht an der Südküste Mallorcas. Die einzige wiederkehrende Lichtquelle ist die Kuppel des Faro de Cap Blanc. Der Leuchtturm, der vorbeifahrende Schiffe vor Mallorcas Landmasse warnt.

Was etwas Unruhe in dieses idyllische Bild bringt, sind die zehn Gestalten, die sich im Gänsemarsch am Zaun, der das Leuchtturmgelände und die Steilküste trennt, entlang schlängeln. Sie sind dunkel gekleidet, tragen Stirnlampen, Rucksäcke, teilweise Handschuhe und Gesichtsmasken. Für Ausstehende muss die Gruppe sehr seltsam, vielleicht sogar gefährlich aussehen. In den Rucksäcken der acht Männer und zwei Frauen befinden sich aber keine Diebesgerätschaften, sondern jeweils ein Dreibeinstativ, eine Kamera, Objektive und ein Selbstauslöser.

Der Anführer der Truppe ist der Fotograf Marc Marco aus Valldemossa, und Ziel ist der Torre Vigía de Cap Blanc. Der alte Wehrturm ist das erste Fotomotiv in dieser Nacht. Marco drückt mit seiner behandschuhten Hand einen Maschendrahtzaun mit Stacheldraht nach unten und sagt: „Da müssen wir drüber.“

Während die Gruppe klettert, fängt Marco an zu erzählen: „Ich liebe die Nacht. Die Ruhe, den Frieden. Nachts habe ich einfach die meiste Zeit. Seit rund sieben Jahren schlage ich mir schon die Nächte um die Ohren. Und witzigerweise bin ich durch meinen Sport zum Fotografieren gekommen. Bis zu meinem 21. Lebensjahr war ich Tennisprofi und habe es sogar auf Platz 471 der Tennisweltrangliste geschafft. Damals habe ich oft mit Rafael Nadal trainiert und bis er 15 Jahre alt war, hatte er keine Chance gegen mich. Dann aber“, zuckt er mit den Schultern und grinst, „hat er den Spieß umgedreht.“ Und weil Marc Marco die eigenen zahlreichen Turnierreisen festhalten wollte, fand er zur Fotografie.

Die Gruppe ist angekommen. Zehn Stative und Kameras klicken und klacken in die richtige Position. Nehmen den Turm und die darüber befindliche Milchstraße in den Fokus. Marco erklärt, gibt Anweisungen, schaut seinen Lehrlingen über die Schultern. Dann schnappt sich der 39-Jährige eine kleine Taschenlampe mit warmem Licht, klettert eine alte rostige Leiter am Turm hoch und legt die sehr schwache Lichtquelle in ein kleines Fenster. „Alle bereit?“, fragt der Profifotograf und ruft: „Gut, dann auslösen in 3, 2, 1. Los!“

Noch einmal surrt und klickt das Equipment. Dann ist es still. Auf den Displays werden die ersten Ergebnisse sichtbar. Unter den Teilnehmern sind Spanier, Deutsche und ein Holländer. Nach der Stille fallen fast augenblicklich Worte und Satzfetzen wie: „Qué bonito“, „Krass!“ oder auch „Ongelooflijk“, was auf Niederländisch so viel wie „unglaublich“ bedeutet. Tatsächlich: Auf den entstandenen Fotos leuchten das alte Gemäuer und sein kleines Fenster warm und einladend. Aus dem oberen Ende des Turms steigt ein Sternennebel auf. Es sieht ein bisschen aus wie ein Schornstein, der statt Rauch Sterne spuckt. Die Teilnehmer schauen von ihren Fotos hoch in den Himmel und wieder zurück auf die Displays. „Unglaublich, wie viele Sterne da sind, die wir mit dem Auge nur nicht sehen können, oder?“, fragt Marco seine Schüler.

Manchmal investiert Marco drei Nächte in dasselbe Motiv, um das perfekte Foto zu machen. Seine Nächte opfern zu müssen, macht ihm nichts aus. Im Gegensatz zu seiner Frau: „Am Anfang war sie schon skeptisch, dass ich mich nachts draußen herumtreibe. Mittlerweile weiß sie aber, dass ich wirklich Fotos mache. Außerdem glaube ich, dass sie mich für verrückt hält. Ich bin einmal im Winter nachts 27 Kilometer auf den Berg Puig de l’Ofre gestiegen, um ein Sonnenaufgangsbild vom schneebedeckten Puig Major machen zu können. Also hat sie wahrscheinlich sogar Recht. Vom Sofa aus kannst du keine tollen Fotos machen. Ein bisschen Leid gehört dazu!“

Es ist 3.30 Uhr, die Milchstraße ist schon lange nicht mehr zu sehen und die Speicherkarten der zehn Kursteilnehmer sind gut gefüllt. Bevor er seine Schüler in den Feierabend entlässt, sagt Marco: „Passt auf dem Heimweg auf Euch auf!“ Im kommenden Jahr will er wieder Workshops rund um Nachtfotografie und Lichtmalerei geben. Der Kurs wird um die 85 Euro kosten. Dafür bekommen die Teilnehmer zwei Theoriestunden, zwei Nächte à fünf Stunden voll Licht und Kunst. Die unterhaltsamen Geschichten gibt es gratis dazu.

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