Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.
Ja, ich gestehe, ich gehöre auch dazu und ich frage mich, ob ich ein Loblied auf meine eigene Generation singen darf. Ist das Selbstbeweihräucherung? Möglicherweise ja. Aber ich finde, es ist an der Zeit. Frauen in den Fünfzigern sind wirklich großartig. Und ich weiß, wovon ich spreche. Gerade hier auf Mallorca bin ich schon einigen begegnet. Erfolgreiche Geschäftsfrauen und Mütter. Je nach Lebensplan organisieren sie sich selbst, ihre Familien und/oder ihre Unternehmen. Sei es als Einzelkämpferinnen oder im Team. Sie sind intelligent, selbstbewusst und schön. Sie wissen meistens, was sie wollen und wenn sie es mal nicht wissen, finden sie es heraus. Sie scheuen sich nicht, um Hilfe zu bitten, wenn sie, was selten vorkommt, mal welche brauchen. Sie sind sich ihrer körperlichen Vorzüge bewusst und zeigen sie auch. Und, Männer aufgepasst, auch im Bett wissen sie, was sie wollen, sind wild und leidenschaftlich. Ich könnte noch ewig über die Vorzüge und tollen Eigenschaften dieser Superfrauen weiterschreiben.
Allerdings frage ich mich auch, woran es liegen mag, dass viele dieser tollen Frauen innerhalb von wenigen Augenblicken zu scheuen, zurückhaltenden und stillen Wesen mutieren. Wesen, die so gar nichts mehr zu tun haben mit Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung und Glamour. Plötzlich lassen wir uns herumkommandieren, vergessen unsere Werte. Wir lassen es zu, respektlos behandelt zu werden und passen uns an. Machen uns gar klein, damit bestimmte Menschen in unserem Umfeld größer wirken. Es scheint, als hätten wir vergessen, wer wir sind und was wir können. Die Erklärung für dieses gegensätzliche Verhalten ist so simpel wie verständlich: Wir wollen geliebt werden.
Nahezu jedes Lebewesen ob Mensch oder Tier (abgesehen von einigen Ausnahmen, wie dem Feldhamster, der Schwarzen Witwe und dem sogenannten einsamen Wolf) ist ein soziales Geschöpf und bevorzugt es, in Gesellschaft zu leben. Dies ist entwicklungsgeschichtlich gesehen auch nachvollziehbar. Es war dem Überleben durchaus förderlich, sich wilden Tieren und den sonstigen wirtschaftlichen wie klimatischen Herausforderungen im Verbund zu stellen. Die einen gingen zur Jagd, während die anderen das Feuer hüteten. So weit, so übersichtlich. Wann genau aus dem Rudel-Leben dann exklusive Zweierbeziehungen wurden, ist mir nicht bekannt. Ebenso wenig weiß ich, ob Zweierbeziehungen das Modell der Zukunft sein werden. Sicher ist aber, dass das Hormon Oxytocin dazu beiträgt, dass wir lieben und uns geliebt fühlen. Dieses sogenannte Bindungs-Hormon sorgt auch dafür, dass weibliche Wesen (wenn alles gut läuft) nach der Geburt dieses kleine, runzelige, verschmierte und schreiende Wesen umgehend in ihr Herz schließen und der Mutterinstinkt erwacht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Oxytocin uns auch die Sinne vernebelt, uns alles durch die rosarote Brille sehen lassen kann, wenn wir verliebt sind.
Für den Erhalt der Art ist es in den meisten Fällen auch heute immer noch hilfreich, sich die Aufgaben Pflege und Erziehung von Kindern im Rahmen einer Familie zu teilen. Alleinerziehende wissen ein Lied davon zu singen, was es heißt, alles alleine schaffen zu müssen. Übrigens waren laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2019 rund 2,2 Millionen Mütter und etwa 407.000 Väter alleinerziehend in Deutschland.
Auch wenn wir nicht alle Kinder haben beziehungsweise diese irgendwann das Nest verlassen und wir uns wieder um uns kümmern können (beziehungsweise dürfen oder müssen, je nach weiterer Lebenssituation und Hobbys), bleibt der Wunsch nach Zugehörigkeit. Nach Liebe, Verständnis und Fürsorge für uns und andere. Und dafür sind wir bereit viel zu tun. Mitunter sehr viel.
Was mich wieder an den Anfang meiner Geschichte bringt. Die Klassefrauen 50plus. Diese haben entweder die Herausforderung, Kinder zu erziehen bereits abgeschlossen oder sind aus unterschiedlichen Gründen gewollt oder ungewollt kinderlos durchs Leben gekommen. Wir alle aber haben es bis hierher geschafft, haben mehr als 50 Jahre gelebten Lebens hinter uns. Einige von uns leben in glücklichen und sonstigen Beziehungen, in erster, zweiter oder dritter Ehe. Andere sehen sich in der Situation, in Liebesdingen noch einmal neu durchstarten zu können.
Dabei dürfen wir in jedem Fall tolle, selbstbewusste Frauen bleiben – oder werden. Sicher ist es wichtig und richtig, Kompromisse zu schließen, um gemeinsam klar zu kommen. Es ist aber nicht notwendig, uns klein zu machen, zu akzeptieren, was uns gar nicht gefällt oder gut tut. Wir müssen auch nicht in Konkurrenz treten mit Frauen, die jünger oder faltenfreier sind. Für die Hagelschaden (es kommt sowieso nur auf das Licht an!) und Winkefleisch lediglich vage, düstere Bedrohungen in ferner Zukunft sind. Wir dürfen uns Partner gönnen, die unseren Wert erkennen, die verstehen, dass sie mit uns den Hauptgewinn gezogen haben.
Es geht jetzt um uns. Wir haben die Chance, unser Leben zu überdenken, uns neu zu erfinden und Pläne zu machen für die zweite Hälfte unseres Lebens. Los geht’s, Ihr fabelhaften Frauen!