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Die andere Frau, die Valldemossa berühmt gemacht hat

„Heilige Catalina Thomàs, leiste Fürbitte für uns”: An nahezu jedem Haus in Valldemossa sind bemalte Fliesen über oder neben der Eingangstür angebracht. | Jaume Rosselló

| Valldemossa, Mallorca |

Catalina, Caterina, Catina, Lina, Cata und natürlich Cati. Ohne Zweifel ist „Catalina” samt den vielfältigen Varianten der Koseform einer der populärsten Vornamen der Insel. Inwiefern aber hat Mallorcas Inselheilige Catalina Thomàs, über die wir heute sprechen, damit etwas zu tun? Frömmigkeit, Glaube und das Festhalten an Traditionen haben in der Inselgesellschaft vor dem Zeitalter des Tourismus eine wichtige Rolle gespielt. Doch kurioserweise wird der Kosename der allerbedeutendsten unter den mallorquinischen „Catalines” nicht aus ihrem Vor-, sondern aus ihrem Familiennamen abgeleitet, der auf der Insel zudem mal mit und mal ohne „h” – T(h)omàs – geschrieben wird.

Die Rede ist von der Inselheiligen Sor Tomasseta, also „Schwester Tomaslein”. So lautet übrigens auch der Titel eines Volksliedes, das jeder Mallorquiner kennt und dessen Refrain jubelt: „Que en viva Sor Tomassa, que es santa mallorquina!” („Es lebe Schwester Tomassa, sie ist die mallorquinische Heilige”).

Die Bronzestatue in Valldemossa zeigt die
Inselheilige Catalina Thomàs als junge Frau
in traditioneller Bauerntracht.

Verehrt wird die ehemalige Nonne auf Mallorca zwar seit Jahrhunderten; heiliggesprochen wurde sie indes vom Vatikan unter Papst Pius XI. offiziell erst im Jahr 1930. Diese Verkündigung wurde damals auf der Insel mit großen Feierlichkeiten begangen. Vor ihrer Heiligsprechung war die 1531 in Valldemossa geborene Geistliche von Rom erst im Jahre 1792 seliggesprochen worden, also gut zwei Jahrhunderte nach ihrem Tod. Die Nonne erhielt dadurch den Ehrentitel „Beata” (Selige), das ist die erforderliche Vorstufe zur heiligen „Santa”.

Ungeachtet ihrer Heiligsprechung vor nunmehr 91 Jahren ist Catalina Thomàs i Gallard den Insulanern bis heute meist als „Beata” geläufig. Der Autor und Forscher Gabriel Carri begründet das so: Auf Mallorca war die frühere Bezeichnung bereits so tief verwurzelt, dass sich das „Heilige” nicht gegen das „Selige” durchsetzen konnte.

Nahezu jeder Valldemossa-Besucher trifft bei der klassischen Visite von Chopin & Co. unverhofft auch auf die Geistliche. Doch wer zum Teufel ist diese Santa Catalina Thomàs, die wie der polnische Komponist in dem Dorf scheinbar allgegenwärtig ist? Beim Bummeln durch die engen Gassen begegnet der Fußgänger der mallorquinischen Heiligen wortwörtlich an jeder Ecke. Selbst fünf Jahrhunderte nach ihrem Tod ist sie dadurch in dem Dorf so präsent, als hätte sie ihren Geburtsort nie verlassen. Der Grund: An nahezu jedem Haus ist über oder neben der Eingangstüre eine bemalte Fliese angebracht. Auf dieser ist stets derselbe Spruch auf Katalanisch zu lesen: „Santa Catalina Thomàs, pregau per nosaltres.” (Heilige Catalina Thomàs, leiste Fürbitte für uns). So wird die berühmteste gebürtige „Valldemossina” auf diese Weise zur Schutzheiligen eines jeden Haushaltes.

Das Leben der Catalina Thomàs spielte sich indes nicht nur in dem Bergdorf ab, sondern auch in Palma. Die schon zu Lebzeiten beliebte Nonne starb 1574 in der Inselhauptstadt im Alter von 41 Jahren. Damit endete eine Lebenshälfte, die der Frömmigkeit gewidmet war, und zwar hinter den Mauern des Klosters Santa Magdalena, das im Winkel der Rambla und des Carrers Sant Jaume liegt. Wenn diese hohen und fensterlosen Wände sprechen könnten! Und dabei so auskunftsfreudig und farbig wären wie die Fliesen in Valldemossa! Dann würden das Wirken der Nonne und die ihr zugeschriebenen Wunder vielleicht auch nicht ganz so geheimnisvoll anmuten. Doch von den gut 20 Jahren ihrer Klausur, die Catalina Thomàs in dem Kloster verbrachte – sie ist dort übrigens auch bestattet –, sind als schriftliche Zeugnisse einzig das Lob ihres Beichtvaters sowie das ihrer damaligen Mitschwestern erhalten geblieben.

Über die Kindheit und Jugend der späteren Nonne ist hingegen mehr überliefert. Hier ein paar Orte, die mit Catalina Thomàs in Verbindung gebracht werden:

Das Geburtshaus, wo Catalina Thomàs in Valldemossa das Licht der Welt erblickte, befand sich im Carrer de la Rectoria, 9. Im Schatten der Sant-Bartomeu-Pfarrkirche wurde dort Ende des 18. Jahrhunderts eine Kapelle errichtet. Heute kann man an der Stelle verschiedene Dokumente und eine Reliquie bewundern. Die versteckt liegende Gasse war bereits eine Sehenswürdigkeit, lange bevor in dem Dorf von Chopin und George Sand überhaupt die Rede war.

Das Landgut Son Gallard, auf dem die junge Catalina mit ihrer Familie lebte, liegt in der Gemeinde Deià, einige Kilometer vom Kernort entfernt. Der Legende nach überstand das Kind unbeschadet einen Blitzschlag, der das Gebäude teilweise in Trümmer legte. Für viele Gläubige war dies ein erster Hinweis auf die spätere Berufung der Nonne.

Zum Festtag der ehemaligen „Valldemosina”
schmücken Anwohner ihre Häuser mit
Bildern der Nonne.

Molinet de sa Beata: Die abgelegene Mühle in den Höhen von Valldemossa ist heutzutage ein relativ unbekannter Ort, an dem selten Touristen vorbeikommen. Zu Lebzeiten der Heiligen war die Mühle in Betrieb und sicherlich ein gut frequentierter Ort.

Auch in Palma gibt es Orte, die mit Catalina Thomàs zu tun haben: Neben dem bereits erwähnten Kloster handelt es sich um einen unscheinbaren Felsbrocken weiter unterhalb der Rambla an der Plaça Mercat, wo abends in den Bars gerne Gin Tonics konsumiert werden. Von den Cafés aus ist wenige Meter entfernt die Rückseite der Kirche Sant Nicolau zu sehen. Dort ist in Kopfhöhe ein mächtiger Naturstein eingemauert. Eine Inschrift aus dem Jahre 1826 berichtet, dass Catalina Thomàs auf jenem Felsen stundenlang ausharrte und das Votum des Klosters über ihre Aufnahme erwartete.

Der eingemauerte Naturstein befindet sich
an der Rückseite der Kirche Sant Nicolau
in Palma. Auf ihm hatte die spätere
Geistliche einst gesessen.

Auch das Herrenhaus von Mateu Safortesa i Tagament in Palma erinnert an die Heilige: Die 19-Jährige gelangte 1550 als künftige Novizin dorthin, in der festen Überzeugung, ihr Leben Jesus Christus weihen zu wollen. So wohnte die junge Frau im Haus der Familie Safortesa-Tagament im Carrer Sant Bartomeu, Plaça Tagament. Eine Steintafel auf Latein erinnert an den einstigen Zwischenaufenthalt.

In nahezu jedem Dorf auf Mallorca ist eine Straße nach der Heiligen benannt. In Palma sind es mit der Plaça Santa Pagesa im Stadtviertel Bons Aires sowie mit dem Carrer de Son Tomassa in Sa Indioteria gleich zwei. All das ist ein Beleg dafür, wie populär und weitverbreitet die Beata auf der Insel ist.

Von Juli bis Oktober finden inselweit verschiedene Prozessionen mit der Heiligen als Hauptmotiv statt. Vor allem Valldemossa pflegt mit dem „Triumphzug der Kutsche der kleinen Beata” seit über einem Jahrhundert diese Tradition. Jeden Sommer wird unter den kleinen Mädchen des Dorfes eines ausgewählt, das „La Beata” darstellen darf. Das Kind wird als „Pagesa” in Bauerntracht gekleidet. Gemeinsam mit weiteren Mädchen und in Begleitung ebenso prächtig gekleideter Kutscher wird die kleine Heilige jeweils am 28. Juli abends durch das malerische Dorf geleitet.

Eine prächtig mit Blumen und Lichtern geschmückte Kutsche:
Darin wird die kleine Darstellerin der Inselheiligen samt weiteren
Mädchen durch das Dorf gefahren.

In Santa Margalida wiederum beschließt die Prozession der Beata den Sommer. Das Fest inszeniert auch den Widerstand Catalina Tomàs’ gegen die Versuchungen. Die tugendhafte Beata läuft mit dem Kreuz vor dem Schoß unbeeindruckt durch das Gedränge der Teufel, die sie zu verführen trachten. In Palma wiederum führt eine Prozession zum Kloster Santa Magdalena.

Bei der Beata-Prozession in Valldemossa
laufen viele Teilnehmer in
traditioneller Bauerntracht mit.

Wie keine andere weibliche Persönlichkeit hat die Heilige Catalina Thomàs das mallorquinische Selbstverständnis geprägt, und zwar sowohl auf dem Lande als auch in der Hauptstadt, was nicht oft vorkommt. Allerdings scheinen sich heutzutage die christlichen Werte in einer Krise zu befinden: So steht das spanische Adjektiv „beata”, kleingeschrieben, mittlerweile abwertend für eine altmodische und nicht besonders realitätsbezogene Person. Anders ist es jedoch bei „la Beata”, mit großem „B”. Hier handelt es sich um unsere Hauptfigur.

Trotz allen Wandels: Es gibt nach wie vor viele Insulaner, die die Tradition der Inselheiligen hochhalten.

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