Gerade für die Deutschen gehört das Auto oft zu ihren wertvollsten Besitztümern. Soll es verkauft werden, wird in der Regel selbst aus der letzten Rostlaube noch einmal alles herausgeholt. Es wird gesaugt, gewischt, gesprüht und lackiert, was das Zeug hält. Nicht selten bekommen selbst die alten Winterreifen noch einmal eine Ölpolitur, damit sie glänzend, zumindest nach „neuwertig”, aussehen. Auch dann, wenn die Profiltiefe eine andere Sprache spricht. Es wird wirklich alles getan, um mit den Fotos auf einem der zahlreichen Online-Portale noch 300 Euro mehr aus der scheidenden Familienkutsche herausholen zu können. Völlig normal.
Blättert man sich hingegen digital durch die zahlreichen Immobilien-Verkaufsangebote auf vielen Maklerseiten im Internet, sieht man auch für Mallorca nicht selten leere und irgendwie beklemmend anmutende Zimmer. Diese Fotos von inhaltslosen, traurigen Räumen sind fast so schlimm wie die Bilder von Immobilien, auf denen die halb aufgegessene Packung Kartoffelchips den unaufgeräumten Wohnzimmertisch ziert. Niemand würde den Innenraum seines Autos fotografieren und dabei den vollen Aschenbecher in den Fokus rücken.
„Es gibt mittlerweile klare Daten und Statistiken, die belegen, dass eine Immobilie, die ‚gestaged’ wurde, einen höheren Verkaufspreis erzielt”, erklärt Kristin Geisshirt-Titze. Sie ist seit 2014 lizenzierte „Home Stagerin” und nach ihrem Umzug von Deutschland nach Mallorca gerade dabei, ihre Firma in diesem Bereich hier auf der Insel aufzubauen. „Kurz gesagt: Wir bringen Leben, Licht und Gefühl in ein Verkaufsobjekt. Das können Wohnungen, Häuser, Büros, Gewerbeimmobilien, Gärten oder auch Yachten sein.”
Das aus dem Englischen stammende Wort „Stage” bedeutet so viel wie Bühne. „Wir verhelfen einer Immobilie zum optimalen Auftritt, um so den besten Preis für den Verkäufer zu erzielen. In Härtefällen geht es auch mal darum, die Immobilie überhaupt an den Mann oder die Frau zu bringen.” Geisshirt-Titze und ihre Kollegen würden dabei stets versuchen, alle Sinne anzusprechen. Alleine mit den richtigen oder falschen Möbeln könne man einen Raum enorm beeinflussen. „Wir arbeiten zudem viel mit Licht, um Stimmungen zu erzeugen und mit Deko-Accessoires, um ein harmonisches Bild zu schaffen.”
Dabei gehe ihre Arbeit weit über das Arrangieren einer Immobilie für gute Verkaufsfotos hinaus. „Gerade für Besichtigungen ist das richtige Staging wichtig. Die Kissen auf der Couch müssen sich gut anfühlen, wenn man mit den Fingern darüber streicht. Die Musik, die im Hintergrund läuft, sollte im Unterbewusstsein entspannend wirken, und wenn dann noch der Duft von frischem Kaffee durch die Räume zieht, assoziieren wir das oft mit einer Wohlfühlatmosphäre und somit vielleicht ja auch mit unserem neuen Zuhause.” Das sind nur einige der Tricks und Kniffe, die beim Home Staging zum Einsatz kommen.
„Ich bin nicht nur Home Stagerin, sondern arbeite seit vielen Jahren auch als Designerin für Innenräume. Mir fällt auf, die Leute verwechseln das gerne mit dem Home Staging.” Als Einrichter arbeite man nach den Wünschen des Kunden. „Das bedeutet, was immer dem Auftraggeber gefällt, richte ich ein. Es ist ja schließlich sein Haus, und er muss sich wohlfühlen. Beim Home Staging geht es allerdings nicht so sehr darum, was dem Verkäufer gefällt, sondern was dem potenziellen Käufer gefallen könnte. Das ist ein entscheidender Unterschied. Und manchmal nicht ganz einfach dem Verkäufer zu vermitteln.”
Der Trend des In-Szene-Setzens von Immobilien kommt aus den USA und wurde von der Amerikanerin Barb Schwarz ins Leben gerufen. Sie nahm schon in den 1970er Jahren ihre Erfahrungen aus dem Theater- und Musical-Bereich mit hinein in ihre Maklertätigkeiten. Aus ihrer Liebe zum Arrangieren und Dekorieren entstand die Idee des Home Stagings, das sich seitdem über den Globus verbreitet. Nach eigenen Angaben hat Schwarz in ihrer Karriere so über 7000 Immobilien verkaufen können. „Ich erinnere mich, um 2010 gab es in Deutschland einen richtigen Hype um diese Methode, Immobilien zu präsentieren”, so Geisshirt-Titze. Aus Neugierde und Freude am Einrichten und Dekorieren ihrer eigenen Immobilien habe sie sich schließlich entschieden, beruflich in die Richtung zu gehen.
Ihre Ausbildung hat sie bei der Deutschen Gesellschaft für Home Staging (DGHR) gemacht. Ein Basiskurs, um als lizenzierter Home Stager arbeiten zu können, kostet dort um die 2000 Euro. Das spanische Pendant dazu ist die Asociación de Home Staging España.
Für die Einrichtungs- und Dekorationsexpertin geht es nach den Weihnachtsfeiertagen im Familienkreis auf Mallorca nach Österreich. Dort warten sechs Chalets darauf, von Geisshirt-Titze eingerichtet zu werden.