Er steht da, kerzengerade. Wenn José Bermúdez wie am Abend des MM-Besuchs, Montag, 25. Juli, vom Strand von El Molinar aus die untergehende Sonne betrachtet, erstarrt er fast vor Ehrfurcht. „Es ist immer wieder schön, im Hochsommer zu dieser Zeit ans Ufer zu kommen”, sagt der Bewohner des Palmesaner Meeresviertels und fährt mit einer Hand sachte über seinen rechten Oberschenkel. „Es ist alles so unprätentiös hier.”
Rentner Bermúdez ist einer von vielen Spaniern, die erst richtig erwachen, wenn die Juli-Sonne nicht mehr allzu stechend ist. Wenn er nicht gerade steht, schwimmt er oder liegt auf einem Handtuch und schaut glasig in den Himmel. In zwei bis drei Metern Entfernung von ihm feiern derweil mehrere Familien mit kleinen Kindern eine Art Gelage. Von im Sand stehenden Tischen bedienen sich alle hungrig und durstig voller Lebensfreude. Ein bisschen weiter davon entfernt hören zwei Erwachsene und die gemeinsame Tochter schnelle Elektrobeats, die aus einem mitgebrachten Bluetooth-Player halblaut geschleudert werden.
Auf der Promenade selbst wird es unterdessen, da die Sonne langsam über der Serra de Tramuntana versinkt, immer trubeliger. Betagte Rentnerinnen in ausgedienten Kleidern, die humpelnde Hunde ausführen, mischen sich unter schicke Youngster, ein in Tommy-Hilfiger-Klamotten gehüllter älterer Lebemann mit einem auffallend kurzbeinigen Dackel blickt von einer der vielen braunen Sitzbänke aus starr Richtung Horizont. Vor einigen der mit Veranden bestückten Wohnhäuser in erster Meereslinie halten Alteingesessene angeregt Schwätzchen ab.
Was allabendlich auf und neben der schnurgeraden Promenade, am Strand und auf den Küstenfelsen des durchaus hippen Palmesaner Meeresviertels stattfindet, ist ein unverkrampftes Zusammensein fast sämtlicher Altersklassen ohne große Angeberei. So wie ihm die Nase gewachsen ist, macht hier jeder, was er will. Da ist etwa Elisa Roig, die hier jeden Tag joggt. „Abends ist es angenehmer”, sagt die Mittzwanzigerin und entschwindet mit ihren kunterbunten Sneakern schnell im dichter werdenden Getümmel. Woanders gibt man sich konzentriert Yogaübungen hin, wenige Meter davon entfernt machen zwei ältere Frauen feixend Selfies auf dem Sand. In den nicht allzu zahlreichen Bars kippen sich die Gäste Eis oder „Hierbas”-Schnaps hinter die Binde.
Das ausnehmend spanische Molinar-Gefühl ist Lichtjahre vom wenige Kilometer entfernten derben deutschen Ballermann-Gewusel zu verorten. Eher wenig alkoholselig, nicht allzu laut und vergnüglich-locker läuft das mediterrane Lebensgefühl hier zur absoluten Hochform auf. Der Abend ist zu schön, um einfach nur ins Bett zu gehen.