Vorsichtig nähert sich der weiße Wallach „Tik Tok” und beschnuppert mit seinen weichen Nüstern die ausgestreckte Hand. Freundlich stellt er die Ohren auf und schnaubt zufrieden. Seit November vergangenen Jahres steht das 22-jährige Pferd auf dem Gnadenhof „Good Karma Sanctuary” der Niederländerin Joke van der Post. Mittlerweile ist der Wallach gut im Futter. Das sah vor wenigen Monaten noch ganz anders aus. „Ich habe ihn von einem Händler abgekauft. Eigentlich sollte er auf einen Schlachttransport nach Frankreich gehen. Neben ihm habe ich noch weitere Pferde mitgenommen.” Die anderen Vierbeiner, die auf die Namen „Whatsapp”, „Roomba”, und „Wifi” hören, stehen ebenfalls auf dem Hof der Tierschützerin.
Doch nicht nur Pferde finden bei der Niederländerin ein Zuhause. Joke van der Post rettete auch ein Maultier, zwei Esel, zahlreiche Hunde und eine Katze. Der Helferinstinkt wurde der Niederländerin quasi in die Wiege gelegt. Bereits ihre Mutter war in Holland als Tierschützerin tätig. „Ich bin mit geretteten Tieren groß geworden”, erklärt sie. Die ehemalige Berufsreiterin und Psychologin wurde in der Nähe von Amsterdam geboren. 1996 trat sie bei der Olympiade für die Niederlande in Atlanta an und ritt seither auf internationalen Turnieren in den Disziplinen Springreiten und Dressur. Zwischenzeitlich war sie auch in Deutschland als Tierretterin aktiv und arbeitete als Managerin im Stall Rothenberg in Bad Homburg.
Als sie schließlich samt Kind und Vierbeinern nach Mallorca auswanderte, leitete sie für sechs Monate ein Gestüt bei Felanitx. Aus persönlichen Gründen verließ sie allerdings den Hof und gab in diversen Ställen der Insel Reitunterricht. Zudem trainierte sie Pferde auf der Veranstaltungsfinca Son Amar in Bunyola. Doch das Leben auf Mallorca war nicht immer einfach für Joke van der Post. Während des Trainings in Son Amar verletzte sie sich schwer am Rücken. Zudem wurden bei ihr Leukämie und ein Gehirntumor diagnostiziert. Aufgrund dessen musste sie auch aus ihrer ehemaligen Finca, in der sie schon damals vernachlässigte Tiere bei sich aufnahm, ausziehen. Während ihrer Chemotherapie zog die alleinerziehende Mutter nach Palma, damit ihre Kinder die Schule besuchen konnten. Rund sechs Monate nach ihrer Genesung siedelte Joke van der Post in ihr heutiges Domizil nach Llucmajor.
Dort widmet sie sich bis heute der Tierrettung. Mit ihrer Arbeit als Psychologin finanzierte die Niederländerin schon damals alle anstehenden Tierarzt- und Futterkosten. „Viele Tiere sind nicht nur unterernährt, sondern leiden oftmals auch an chronischen Krankheiten. Früher habe ich das alles privat und aus eigener Tasche gemacht. Es gab keine Sponsoren oder Spendeneinnahmen.” Mittlerweile hat Joke van der Post mit „Good Karma Sanctuary” eine internationale Stiftung gegründet. Damit setzt sich die Niederländerin vor allem für die Rechte der Tiere ein. „Gerade beim Thema Tierschutz muss in Spanien noch einiges passieren. Bereits in der Schule sollten die Kinder über artgerechte Haltung und Tierwohl unterrichtet werden. Zudem müssen einige Gesetze abgeändert werden.”
In den meisten Fällen wird Joke van der Post über verwahrloste Tiere auf Facebook kontaktiert. Vor etwa drei Wochen rettetet sie ein Pony an der Cala Tuent. Das Tier war sichtlich abgemagert. „Ich bekam einen Anruf, dass in der Nähe der Bucht ein unterernährtes Pferd gesichtet wurde.” Doch Joke van der Post erklärt, dass oftmals kein bösartiger Wille dahinter steckt. Viele Halter sind mit der Versorgung der Tiere überfordert. „In diesem Fall hat nicht nur das Tier Hilfe gebraucht, sondern auch der Besitzer. Der alte Mann lebte auf seinem Grundstück ohne Strom und fließendes Wasser”, erklärt Joke van der Post. Und das ist kein Einzelfall: Etwa 90 Prozent der abgemagerten Pferde, die auf die Finca kommen, gehören Senioren oder Personen, die nicht mehr für die Tiere aufkommen können. Dank Hilfe verschiedener Urlauber und Einheimischen wurden die Stute, die nun auf den Namen „Mathilda” hört, schließlich von Cala Tuent zum Gnadenhof nach Llucmajor transportiert.
Doch es gibt auch andere Fälle. Nicht selten rettet die Holländerin Pferde, die nicht mehr geritten werden und somit „ihren Wert verloren” haben. Im schlimmsten Fall werden diese Tiere dann zu einem Händler gebracht und durch ein jüngeres, gesundes Tier ausgetauscht. Dann droht den Vierbeinern eine qualvolle Reise in einem Viehtransport nach Frankreich oder Italien. Joke van der Post appelliert daher an den gesunden Menschenverstand: Die Anschaffung eines Pferdes sollte gut überlegt sein. „Man muss mit Kosten zwischen 300 und 350 Euro monatlich rechnen. Die Verantwortung ist groß. Und bei alten Pferden, die krank sind und nicht mehr geritten werden, müssen dieselben Kosten kalkuliert werden, wenn nicht noch mehr”, erklärt van der Post. Ab und an muss die Tierschützerin auch die Polizei verständigen. „Das sind allerdings die Extremfälle.” Außerdem kommen auch wirtschaftliche Faktoren hinzu. Die Corona-Pandemie und schlechte Heuernten haben dazu beigetragen, dass vor allem Pferde und Esel auf der Insel in den vergangenen Monaten nicht mehr artgerecht versorgt werden konnten.
Um Spendengelder einzutreiben, organisiert Joke van der Post regelmäßig Benefizveranstaltungen und Konzerte. Für viele Tiere, wie zum Beispiel der Pony-Stute „Mathilda”, gab es ein Happy End. „Sie steht zufrieden auf der Koppel mit ihrem Herdenkumpel und lässt sich kaum einfangen”, sagt Joke van der Post und lacht. In der vergangenen Woche konnte die Niederländerin zudem ein Pferd in eine Familie nach Sóller vermitteln. Doch auf Dauer wünscht sich Joke van der Post, keine Tiere mehr aufnehmen zu müssen. „Ich hoffe einfach, dass meine Arbeit irgendwann nicht mehr nötig ist. Das wäre ein gutes Zeichen.”