Hallo, hier ist Tilmann”, erklingt eine warme, freundliche und unaufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung. Ganz im Gegenteil zu der Autorin dieser Zeilen, die mit zitternden Händen zum Hörer greift. Denn gleich wird sie eines der größten Idole ihrer Jugend interviewen: Tilmann Otto nennt sich auch Gentleman und ist seit Mitte der 1990er Jahre nicht nur der bekannteste, sondern auch der erfolgreichste Reggaekünstler Deutschlands. Vor allem Songs wie „Intoxication”, „Superior”, „Dem Gone” oder „Ahnma” – zusammen mit den Hamburger Rappern „Beginner” – machten ihn zum Star. Gerade ist sein neues Album „Mad World”, erschienen, das er auf Mallorca produziert hat.
Das wäre ohne die Flut im Ahrtal gar nicht denkbar gewesen. Denn die zerstört 2021 sein Studio, kurz bevor die Aufnahmen für sein achtes Musikalbum beginnen sollten. Der naturverbundene Musiker entscheidet sich für Mallorca, mietet sich kurzerhand in eine Finca in Sant Llorenç ein, baut sich dort ein kleines Studio auf und arbeitet anderthalb Jahre an „Mad World”: „Ich habe mich auf Mallorca sehr wohlgefühlt”, erzählt er im MM-Interview, „und ich war so unabgelenkt. Wenn auf der Wiese vor deiner Finca nur Schafe und Ziege weiden, kann dich auch nichts ablenken.” Er habe sich zusammen mit seinen Produzenten „verbarrikadiert” und „einfach Musik gemacht”, schildert der Sänger, „und das fiel mir so leicht auf Mallorca.” Und das hört man seiner neuen Platte an.
„Over The Hills” ist ein Lied, das den Hörer fast fühlen lässt, wie sehr Gentleman die Zeit auf seiner Finca im Osten der Insel genossen haben muss. Fernab von der Hektik und des Lärms seiner Heimatstadt Köln hat er auf der Insel seinen „Seelenfrieden” gefunden, so singt er auf Patois, der jamaikanisch-kreolischen Sprache. Anderhalb Jahre pendelte er zwischen Mallorca und Köln hin und her, wo seine Frau und Tochter leben. „Der große Vorteil waren die guten Flugverbindungen, eine Reise nach Deutschland ist einfach nur ein Katzensprung”, erklärt der 48-Jährige, der neben der Produktion des neuen Albums auch noch 55 Konzerte in Deutschland gab.ç
„Der Ort und die Musik spiegeln einander immer wider. Wo die Musik aufgenommen wurde, hat große Auswirkungen”, sagt der Musiker gegenüber MM und sinniert: „Wäre das neue Album im Winter in Berlin entstanden, hätte es sicher anders geklungen.” Und Mallorca hört man nicht nur auf den zwölf Liedern, sondern man sieht es auch. Bei zahlreichen Ausflügen hat Gentleman die Insel erkundet und war „völlig geflasht” vom Tramuntana-Gebirge, erinnert er sich. Gleich so beeindruckt, dass an der berühmten Bucht von Sa Calobra das Foto für das Albumcover entstanden ist. Auch zwei Videos wurden auf Mallorca gedreht, unter anderem in der Serra de Tramuntana und auf der Finca in Sant Llorenç.
Kleine Einkäufe im Dorf erledigen, um zum Beispiel frische Milch und Eier zu holen, standen für Gentleman auf der Tagesordnung. Für ihn war das Leben auf einer mallorquinischen Finca vor allem „ungezwungener”. Und wie steht es mittlerweile um sein mallorquín? „Na ja, ein ‚Adéu’ und ‚Bon día’ bekomme ich schon über die Lippen”, plaudert er mit einem Schmunzeln aus, „und ich kann sogar Bier auf Spanisch bestellen!”
Natürlich haben anderthalb Jahre Mallorca bei dem Kölner Spuren hinterlassen, und zwar im positiven Sinne. Denn jetzt hat er sich eine Ferienimmobilie in Son Servera zugelegt und wird mit seiner Familie öfter zu Besuch sein, um Ferien und Feiertage auf der Insel zu verbringen. Oder, um hier einmal mehr seinen Seelenfrieden zu finden.
„Mad World”, erschienen am 2. Dezember, gibt es zu kaufen oder zu streamen.