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„Perfektionismus will 
hier niemand”: Die traumhafte Zeit der Deutschen Christine Günther auf Mallorca

Christine Günther ist 1968 mit ihrer Familie auf die Insel gezogen

Christine Günther liebt das Leben auf der Insel und nimmt an zahlreichen kulturellen Veranstaltungen teil. | Privat

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Für Christine Günther aus Neustadt an der Weinstraße stand nach nur einem Monat Bedenkzeit fest, dass sie mit ihrem Mann und ihrem zweijährigen Sohn auswandern wollte. Die Eltern gingen auf die Kanaren, Familie Günther dagegen nach Mallorca. Dort hatten die Eltern des spanischen Ehemannes aus Valencia eine Finca in der Nähe von Palma.

Günther war davor bereits öfter für kurze Perioden auf dem Festland gewesen. Beim Zusammenleben mit den Spaniern verbesserte sie ihre Sprachkenntnisse und bekam tiefere Einblicke in die Lebensweise. „Wäsche habe ich in Spanien noch mit der Hand gewaschen und zum Einkaufen liefen wir zu Fuß gut drei Kilometer”, berichtet sie und fügt hinzu, dass ihr dies nicht geschadet habe und dass es für sie kein Problem war, etwas einfacher als aus Deutschland gewohnt zu leben.

Auf der Insel begann die damals junge Mutter sofort damit, sich bestmöglich in die mallorquinische Gesellschaft zu integrieren. Sie beantragte die spanische Staatsbürgerschaft, die sie auch schnell und ohne Probleme bekam. Dadurch hatte sie einige Vorteile, sagt sie. Weil sie überall als Spanierin geführt wurde, bekam sie sofort Angebote und Jobs. Da zu jener Zeit noch nicht so viele Insulaner Deutsch sprachen, konnte sie in Hotels zwischen den Spaniern und Deutschen vermitteln. „Die Deutschen hatten zahlreiche Beschwerden, die die Spanier aber nicht verstanden haben. Also habe ich übersetzt und versucht, alle Beteiligten auf einen Nenner zu bringen.”

Mit dieser Art von Dienstleistung war sie sehr gefragt, wurde abgeworben und schnell in anderen Branchen tätig, zum Beispiel in der Verwaltung von Ferienappartements. Deutsch sei auf der Insel als Fremdsprache immer gefragter gewesen, weil die Zahl der Touristen ab den 1970er Jahren stetig anstieg, auch wenn sie noch deutlich geringer war als heute. Nachdem sie sich 1978 von ihrem Mann getrennt hatte, zog sie es nach Cala d’Or, wo sie in Sa Coma Arbeit als Maklerin fand und weiterhin zwischen Spaniern und Deutschen vermitteln konnte. Ihr Sohn Rainer Alcón fing an, bei ihr zu arbeiten und übernahm sogar das Immobilienbüro.

Durch das Aufwachsen auf der Insel, den spanischen Vater und die deutsche Mutter hatte Rainer Alcón nie Schwierigkeiten oder das Gefühl, zwischen zwei Kulturen zu stehen. „Ich arbeite wie ein Deutscher, aber lebe wie ein Spanier!”, sagt er lachend. „Viele meiner Kunden sind Deutsche. Die haben schon genaue Vorstellungen, wie alles laufen muss. Auch in Spaniens Arbeitswelt. Sie erwarten, dass hier alles wie in Deutschland geregelt wird und perfekt läuft. Manchmal funktioniert das aber nicht so”, so Alcón. „Und Perfektionismus will hier auch niemand”, fügt Mutter Christine hinzu. „Man bedenke, dass die Leute hier mit ihrer Lebensweise zufrieden sind. Sie mögen und schätzen die Deutschen sehr.” Zugereiste Deutsche müssten aber bedenken, dass sie bei einer Auswanderung auch gewisse Aspekte der anderen Kultur akzeptieren und nicht krampfhaft versuchen sollten, zu verbessern und zu belehren. Bei vielen Touristen habe sie den Eindruck, dass sie eigentlich nur das Wetter austauschen wollten. Also Sonne und Meer genießen, aber im Grunde in Deutschlands Strukturen bleiben.

Heute ist Günther zwar in Rente, den Zugang zu den Spaniern möchte sie aber weiterhin vereinfachen. Sie empfiehlt, Sprachkurse zu besuchen und beim Sprechen nicht zu perfekt sein zu wollen. „Manche drehen sich den Satz dreimal im Kopf zurecht, und bis sie ihn herausgebracht haben, ist die Pointe verpasst oder das Gegenüber hat längst den Faden verloren und weiß gar nicht mehr, wovon überhaupt gesprochen wurde”, sagt sie. Man könne ja auch mal nur ein bis zwei Worte einwerfen, häufig werde aus dem Zusammenhang schon klar werden, worum es geht. „Es muss nicht perfekt sein. Die Einheimischen schätzen es unheimlich, wenn überhaupt versucht wird, Spanisch zu sprechen.” Es sei schon bedauerlich, wenn Ausländer hier etliche Jahre lebten, aber noch kein „Hola” zur Begrüßung über die Lippen bekämen. Außerdem sei eine stärkere Beteiligung am Leben der Spanier hilfreich. „Es gibt so viele kulturelle Veranstaltungen und Gelegenheiten, Leute aller Nationen kennenzulernen. Warum nutzen das so wenige?”, fragt sie sich und zählt verschiedene Möglichkeiten auf. „Wer möchte, kann sich in meinem Kulturverteiler unter calador@ sacoma.e s anmelden. So wird man über viele Veranstaltungen der Insel in den Bereichen Musik, Kunst, Kultur, aber auch über Treffen mit anderen Deutschen informiert.”

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