Es ist das große Ganze, das Franz Kraus fast permanent beschäftigt. Wie kann man ökologisch im Lebensmittelbereich wirtschaften und dennoch Geld verdienen, und das nicht einmal zu knapp? Wie kann man die Natur respektieren und lieben, ohne als Kaufmann gleich unterzugehen? Wie kann man sozial sein, ohne arm wie eine Kirchenmaus zu werden? Wie das geht, hat der Gründer des vor allem auf Eis spezialisierten und im unendlich schönen Orangental verwurzelten Unternehmens „Fet a Sóller” („Hergestellt in Sóller”) in den vergangenen drei Jahrzehnten vorbildlich unter Beweis gestellt. Es war ein Drahtseilakt, der sich gelohnt hat.
Man schrieb das Jahr 1990, als der im hart umkämpften Süßwarenbusiness (Katjes, Stollwerck) gestählte Franz Kraus erstmals aus dem Flugzeug stieg, um die ihm vorher gar nicht bekannte Insel in Augenschein zu nehmen. Er fuhr direkt in das Orangental mit dem hübschen, von einer schönen Jugendstil-Kirche beherrschten Ort Sóller, wo Freunde von ihm wohnten. Er richtete sich ein und verguckte sich mehr und mehr in diesen Teil der Insel.
Und irgendwann war es um ihn geschehen. Wie durch ein Brennglas sah Kraus in sich die Idee aufkeimen, der damals landwirtschaftlich darniederliegenden Traumecke des Eilands wieder Leben einzuhauchen. Sprich, die Orangen und sonstigen Zitrusfrüchte der Gegend kaufmännisch so geschickt zu nutzen, dass die Menschen wieder Hoffnung schöpfen konnten. „Damals funktionierte das Geschäftsmodell Sóller halt nicht mehr”, so der Eiskönig von Mallorca im MM-Gespräch. Vier Jahre nach seiner Ankunft auf dem Eiland der Sehnsüchte sah sich Kraus dann gerüstet, kopfüber ins kalte Wasser zu springen: Er stieg zusammen mit seiner Lebensgefährtin Gabi Menz ins Eis- Business ein.
Und je mehr der Trend sich dahin entwickelte, dass das Ökologische an Gewicht gewann, desto klarer geriet dem Mann aus Neuwied am Rhein das große Ganze ins Blickfeld. „Um besser zu sein, muss man hohe Qualität liefern”, so der Unternehmer, der die allseits hochgelobte Mittelmeerdiät in Ehren hält und bemängelt, dass den großen Lebensmittelkonzernen der gesundheitliche Aspekt trotz „Greenwashings” noch immer völlig egal zu sein scheint. „Die verwenden alle möglichen Kunstprodukte”, so Franz Kraus. Frei nach seiner Überzeugung, dass das Einfache und Naturverbundene zwar kostenintensiver, aber zukunftsträchtig ist, baute Kraus seine Firma in all den Jahren Zug um Zug auf.
Der Erfolg gab ihm recht. 50 bis 60 Beschäftigten gibt Kraus derzeit Arbeit – vor allem Mallorquinern, aber auch ausländischen Spezialisten aus Deutschland oder Frankreich. Wobei man – wie Kraus sagt – selbstredend nicht weiß, wie sich die Dinge unternehmerisch in einer immer komplexeren Welt mit Kriegen und dem bedenklich schnell fortschreitenden Klimawandel in der Zukunft entwickeln werden. Die Büros, Produktionsstätten und Experimentier- sowie Probierareale befinden sich in einem für zwei Millionen Euro errichteten und im Jahr 2017 eingeweihten funktionellen Gebäude im Gewerbepark Son Angelats von Sóller.
Sein Eis, aber auch Olivenöle und andere Speisen wie übrigens in einer Behinderten-Werkstatt hergestellte Marmeladen verkauft Franz Kraus vor allem auf der Insel in eigenen Läden sowie ausgewählten Supermärkten. Hinzu kommen Geschäfte in Barcelona, auf den Kanaren, in Frankreich und in seinem Heimatland, Alemania. Etwa 6000 Liter Öko-Eis werden pro Tag in der Fabrik in Sóller produziert. Bis das Produkt fertig ist, ist ein komplizierter Prozess zu bewältigen, und zwar von der Vermischung pasteurisierter Milch mit Früchten in Spezialmaschinen bis zum Entstehen des Eises.
Damit das Produkt bloß keine harten Kristalle enthält, wird es zunächst bei minus 30 Grad 15 Minuten lang schockgefrostet, bevor es bei dann 20 Grad unter null in eine nicht mehr ganz so kalte Kammer kommt. 14 Geschmäcker werden der Laufkundschaft inzwischen unter anderem in den begehrten 200-Milliliter-Behältern geboten, insgesamt 32 stehen Hotels oder Restaurants zur Verfügung. Feinschmecker können sich sogar mit Gambas-Eis oder Eis mit menorquinischem Käsegeschmack den Magen vollschlagen.
All das Schöne und gut Schmeckende muss sich natürlich rechnen. Und damit das auch so passiert, muss man unternehmerisch geschickt vorgehen: Auf und auch jenseits der Insel ist für „Fet a Sóller” der bereits seit 20 Jahren existierende onlinebasierte Verkauf das wichtigste Geschäft. „Hier haben wir den direkten Kontakt mit den Kunden und sind nicht abhängig von Dritten”, so Franz Kraus gegenüber MM. „Wir wollen unser Geschäft selbst kontrollieren.” Und das funktioniert: „Die Firma hat dazu beigetragen, dass Sóller eine ökonomische Struktur hat”, so Franz Kraus sichtlich stolz. Schließlich sei ganz im Allgemeinen ein gemeinsames Leben ohne Ökonomie gar nicht vorstellbar.
Die quasi historische Leistung im Tal der 1000 Zitrusbäume hat den Deutschen aber nicht abheben lassen. Im Gegenteil: Kraus wurde mit der Zeit eins mit der bäuerlich und bescheiden daherkommenden Umgebung. Was nicht verwunderlich ist: Sein Zusammenwachsen mit Mallorca beschleunigt hat sicherlich auch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Rheinländern und Mallorquinern – davon ist der mit dem moselfränkischen Dialekt aufgewachsene Eiskönig felsenfest überzeugt. „Hier und dort erzählt man viel, doch was man wirklich will, wird nicht gesagt”, so Franz Kraus. Man muss halt – das Große und Ganze stets im Blick – die Botschaft zwischen den Zeilen herausfiltern. Oder intuitiv herausfinden, wie die Seelen im Orangental ticken, um sie mit ökonomischem Sachverstand – wie geschehen – zu überzeugen und für eine Idee zu begeistern.