Die deutsche Mallorca-Residentin Petra Savelsbergh hatte sich schon immer mit einem Tiger identifiziert. Das Krafttier verkörpert für sie bis heute ihre innere Stärke. In den 2020er Jahren ging es ihr so schlecht, dass sie diese Power nicht mehr in sich spürte. „Ich wusste weder ein noch aus. Mein Mann und ich hatten uns getrennt. Zu allem Überfluss bekam ich noch einen Burn-out”, erzählt die Autorin und Bewusstseinscoach. „Ich lebte damals mit der jüngsten meiner drei Töchter in Palma und war nicht in der Lage, mich richtig um sie zu kümmern. Immerhin stand sie als Schülerin kurz vor dem Abitur”, bedauert Savelsbergh.
„Sie machten sich über meinen Zustand große Sorgen”, berichtet die 55-Jährige. Schließlich kannten ihre Kinder sie nur als starke Tigerfrau, die sich so schnell nicht aus der Bahn werfen ließ. Also beschlossen die Kinder der Patchwork-Familie, die innere Kraft der Mutter wiederherzustellen. Dafür schenkten sie ihr eine Reise zu ihrer ältesten Tochter, die in Panama lebt. „Diese kannte Schamanen und hatte bereits an Zeremonien teilgenommen”, sagt die Schriftstellerin und lächelt. Es sei ihr schon immer ein Bedürfnis gewesen, die einheimischen Heiler aufzusuchen und um Rat zu fragen.
„Kurz darauf war es so weit und wir fuhren mit dem Geländewagen in den Dschungel”, erzählt die aus Aachen stammende Residentin. „Bei den Schamanen im Camp wurde ich zunächst nach der Intention meines Besuches gefragt. „Sie haben mich angeschaut und ich hatte das Gefühl, sie können mir auf den Grund der Seele blicken”, erinnert sich die damalige Burn-out-Patientin. „Ich sagte ihnen, dass ich meine Stärke und Selbstliebe wieder zurückerlangen möchte. Aber sie hatten mir längst meine tiefe Traurigkeit angesehen”, berichtet Savelsbergh.
Die Zeremonie, die sie anschließend mitmachte, ist sicherlich nicht für jedermann geeignet. Nach den Gesprächen trank sie Ayahuasca. „Das ist ein Saft aus einer Liane, der psychedelisch wirkt”, erklärt sie. Also wie eine Droge? „Es ist keine Droge. Es ist aber eine Substanz, die zur Bewusstseinserweiterung führt”, erklärt sie bestimmt. Die Wirkung trete langsam ein und sei bei jedem Menschen anders. „Ich habe mir buchstäblich die Seele aus dem Leib gekotzt”, beschreibt Savelsbergh die Nebenwirkungen, die auch Durchfälle verursachen könnten. Dadurch würde eine seelische Reinigung erfolgen, die eine gewisse Selbstfindung erst möglich mache. Auf den fragenden Blick der MM-Reporterin antwortet sie: „Es gibt Dinge, die man erst verstehen kann, wenn man sie selbst erlebt hat. Da ist so viel zwischen Himmel und Erde, von dem wir nichts verstehen und es auch nicht erklären können. Ich glaube fest daran”, versichert sie. Zwischen den Anwendungen sei immer ein Schamane oder Gehilfe in Reichweite. „Sie sind immer für einen da, ich fühlte mich nie alleine gelassen”, beteuert sie.
Dass die Einnahme der bitteren Pflanzenessenz kein Zuckerschlecken ist, war Savelsbergh bewusst. „Das folgende Übergeben ist unabwendbar. Es ist für die Wirkung des Saftes erforderlich.” Das bestätigt auch der Neurowissenschaftler Draulio Araujoin in einem Spiegel-Interview. „Die Substanz kann sogar als alternatives Medikament bei psychischen Erkrankungen wie Depression eingesetzt werden”, so Araujon, der in Studien bei Probanden innerhalb von 24 Stunden enorme Verbesserungen feststellen konnte. Gleichwohl enthält der rot-braune, klebrige Sirup den Wirkstoff Dimethyltryptamin (DMT) und ist deswegen in Deutschland verboten.
Und was ist mit den durch die halluzinogene Wirkung verursachten „Horrortrips”, vor denen gewarnt wird? „Das passiert höchstens, wenn der Schamane nicht professionell arbeitet”, ist sich Savelsbergh sicher. Das seien dann meistens Betrüger. „Die indigenen Völker betrachten und verwenden Ayahuasca seit tausenden von Jahren als Medizin, fügt Savelsbergh hinzu. „Viele glauben, bei den Eingeborenen halte es sich um Hinterwäldler. Die leben genau wie wir, haben Handys und essen Pommes”, sagt Savelsbergh, die außer in Panama auch in Kolumbien und Peru Zeremonien beigewohnt, etwa bei ihrer Freundin, der Schamanin Maestra Sonia.
„Und ich bin jedes Mal gesund und gestärkt aus dem Dschungel heimgekehrt”, betont sie und lächelt zufrieden. „Ich habe dadurch absolute Klarheit über mein Leben erhalten und bin sehr glücklich. Ich konnte endlich akzeptieren, was mir widerfahren war und loslassen”, sagt Savelsbergh und ist sich sicher, dass sie mit der Einnahme von Antidepressiva und Sitzungen beim Psychologen mehr Zeit hätte aufwenden müssen.
Eine Stufe härter war für Savelsbergh die Anwendung von „Kambô”, dem Sekret des Riesenmakifrosches, mit dem man sich buchstäblich erst einmal vergiftet, bevor eine Entgiftung erfolgen kann. „Wirkt wie ein natürliches Antibiotikum, ist aber sehr schmerzhaft”, sagt die Anwenderin aus Erfahrung. Zunächst bekomme die Person mindestens ein Loch in eine Körperstelle gebrannt. In die Wunden wird dann das Gift gestrichen, das so in die Blutbahn gelangt. Klare Sache, dass mit dem Extrem-Detox nicht jeder Arzt einverstanden ist. Schließlich erzeugt die Behandlung erneut starkes Erbrechen und Übelkeit. Wird beim Ayahuasca mental entgiftet, so verfolge man mit dem „Kambô” eine körperliche Reinigung. „Und die ist überaus herausfordernd und anstrengend”, bestätigt Savelsbergh.
Hat sich diese Tortur tatsächlich gelohnt? „Ich habe nur auf diese Weise meine innere Kraft wiedergefunden und mein neues Leben beginnen können”, versichert sie ohne glichen Zweifel. Wie treffend der Vergleich mit dem Tigersymbol war, erlebte Savelsbergh nach dem Schamanen-Besuch im Dschungel in Panama. Sie war im Regenwald auf dem Weg, eine Tierstation für Faultiere aufzusuchen. „Da stand diese indigene Frau vor mir und schenkte mir einen Tigerzahn und sagte dabei schlicht ‚der gehört zu dir’”, erinnert sie sich immer noch verwundert. Ihre Geschichte hat sie in einem Buch „Der Tiger in mir” auf 420 Seiten unter ihrem Geburtsnamen „Maria Fy” festgehalten.
Da sie überzeugt ist, dass außer ihr auch viele andere Frauen in ihrem Leben Herausforderungen zu meistern hatten und dadurch große Stärke erlangten haben, arbeitet Savelsbergh bereits an einem neuen Projekt. Für ihr Buch „Mallorca Made Me” will sie anhand von Erfolgsgeschichten verschiedener Frauen berichten, wie diese ihr neues Leben auf Mallorca gestaltet haben.