Es geht nicht um die große Liebe – eher um ein bisschen Orientierung im Single-Dschungel von Mallorca. Nach sieben Jahren will frau schließlich einmal schauen, was der Markt so hergibt. Wie praktisch, dass im Restaurant MarChica in Palma de Mallorca ein Speeddating-Event stattfindet. Diese Chance muss ich nutzen. (Ich mache das ja nur für die Arbeit. Genau. Reine journalistische Pflicht.) Wobei … mit meinen 46 Jahren fühle ich mich hier wie ein Update, das noch nicht installiert wurde. Aber meine Mutti sagt, das Ganze sei wie Fahrradfahren – angeblich verlernt man es nicht.
Die deutsche Veranstalterin Bettina Klos erklärt kurz, wie die moderierten Drei-Minuten-Runden ablaufen. Singles bekommen dabei ein pinkes Herz, alle anderen ein silbernes. Mein pinkfarbenes Glitzerherz landet auf meinem gleichfarbigen Pulli. (Super. Ich habe den Tarnmodus aktiviert. Trotzdem leuchtet es wie ein Warnsignal.)
Viele Frauen sind dabei
Ich betrete die Zweiklassengesellschaft: Der Saal ist noch fast leer – und größtenteils mit Frauen besetzt. Meine Freundin sitzt bereits an einem Tisch, wo sich die ersten Mitstreiterinnen, alle mit einem pinken Herzen an der Brust, angeregt unterhalten. Die Stimmung ist locker und fröhlich. Frau tauscht Erwartungen aus, lacht, vergleicht Dating-Erfahrungen, als würden wir uns alle schon ewig kennen. Als Mann sitzt da nur Kai. Mit silbernem Herzchen. Und ernstem, fast nüchternen Gesichtsausdruck.
Links von mir erklärt eine der Frauen: „Er muss sich zuerst mit meinem Hund verstehen, sonst geht gar nichts.” Die anderen nicken zustimmend. Und genau sie erzählt dann ihre Tinder-Geschichte: Ein gut aussehender Mann, alles passte – und sogar ihr Hund mochte ihn sofort. „Da dachte ich wirklich: Das könnte was werden.” Die Runde lehnt sich neugierig vor.
„Tja”, sagt sie trocken, „bis ich gesehen habe, dass er unter dem Tisch seine Handykamera laufen hatte.” Ein vielsagendes „Ooooh” geht durch den Raum. „Und du? Dein letztes Date?”, richtet sich die Aufmerksamkeit plötzlich auf mich. „Äh … ich bin seit Jahren glücklicher Single und wollte mir das hier einfach mal anschauen.” – „Aha”. (Und ich mache das ja nur für die Arbeit.)
Eine Frau nickt und fühlt sich in ihrer Entscheidung bestätigt: „Genau! Ich bin nie so glücklich gewesen wie in meiner Zeit als Single. Einen Mann nehme ich nur noch ‚ambulant’ auf. Stationär kommt nicht in Frage!” – Die Runde bricht in Gelächter aus.
Das Lachen klingt noch nach, da vibriert mein Handy auf dem Tisch. Tinder. Ein neues Match. Ricardo schickt mir ein Herzchen. Ich schiebe das Telefon schnell wieder weg und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen (...– mal sehen, wer sich hier noch unter die Singles gemischt hat.)
Macht der Kellner auch mit beim Speeddating?
Der erste attraktive Mann, den ich sehe, ist der Kellner. Schade. Ein Herr, der verdächtig nach Sugar-Daddy aussieht – weiter. Zwei Männer, die absolut kein Herz tragen – vermutlich versehentlich hier. Weiter ... und noch einmal: weiter. (Hat das schon angefangen und wir haben es nicht gemerkt? Oder läuft das Event irgendwo im Geheimraum?)
Zurück am Tisch ist der eben noch so nüchterne Kai sichtbar aufgeblüht. „Moment mal, wieso ist dein Herz jetzt pink? Vorhin war es doch silbern!”, stellt meine Tischnachbarin Ina fest. Kai grinst, während ihm gerade eine Dame ein Post-it mit ihrer Nummer zuschiebt. „Läuft!” Nanu! Noch eine Änderung: Auf Inas Pulli kleben mittlerweile mehrere pinke Herzen. Ich löse mein Herz vom gleichfarbigen Oberteil und platziere es mir auf die Haut. Hier kommt der V-Ausschnitt gelegen. (Sonst sieht das ja wirklich niemand .)
Eine weitere Stunde vergeht, in den Gesprächen dreht es sich längst nicht mehr um Männer. Als ich mich zu Ina drehe, um mit ihr weiter zu plauschen, fällt mir auf, dass sie noch kreativer geworden ist: ein pinkfarbenes Herz klebt inzwischen auf ihrer Nase. In der Hand hält sie die Tischdeko: eine Schnur, an der ein roségoldener Herzluftballon befestigt ist und über ihrem Kopf schwebt. Kais Grinsen ist jetzt breiter als je zuvor. Vor ihm liegt das zweite Post-it mit Telefonnummer.
Später steht Ina auf, dreht eine Runde durch den Saal und kommt lachend mit mehreren Herzluftballons zurück, die sie sich von anderen Tischen „geliehen” hat. Die Ballons wirken wie Textmarker, die den Kontext betonen. Männer sind immer noch keine da. Dafür amüsieren wir uns köstlich.
Volle Frauenpower
Wir verlassen kurz den Saal und treten auf die Terrasse. Dort treffe ich weitere Frauen, alle irgendwie beeindruckend: Eine gründet gerade ihr eigenes Start-up, eine andere hat ein hartes Marathontraining hinter sich. Eine dritte Gleichgesinnte lacht über die absurdesten Lebenserfahrungen.
Viele wirken vollkommen zufrieden – auch ohne Mann an ihrer Seite. Es ist inspirierend und unterhaltsam zugleich. Dass Männer dem Event ferngeblieben sind, stört niemanden. Mein Handy steckt in der Handtasche. Ein paar weitere Tinder-Matches leuchten auf, aber ich beachte sie gar nicht. Wirklich bemerkenswert sind aber die Frauen: witzig, clever, selbstbewusst. Niemand wartet hier darauf, dass der Prinz auf dem weißen Pferd zu Hilfe geritten kommt – sie regeln alles selbst.