Das Plaza Bendinat liegt schon ein wenig im Winterschlaf, doch im 1. OG an einem Blümchen-berankten Ladenlokal herrscht wuseliges Treiben. Eine Jung-Mutter bahnt sich mit Buggy und Yoga-Matte ihren Weg über den Balkon, durchgestylte Jogger balancieren Latte-Becher vorbei, zwei TikTok-Teenies posieren mit ihrer bunten Tee-Beute. MM ist zu Besuch im Matcha-Mekka von Mallorca.
Obwohl rundum nur Baustellenlärm tönt, fühlt man den 2024er-Sommerhit von Shirin David im Ohr: "Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates…" Das grasgrüne Gebräu aus dem Zen-Kloster flutet seit zwei Jahren die sozialen Netzwerke und schwappte von Hipster-Hotspots in den Metropolen nach Mallorca herüber.
"Es ist nicht nur fancy, sondern gesund, das trifft den Zeitgeist", freut sich Matcha-Macherin Lara Josephine Connolly, während sie kleine Kunstwerke im To-Go-Gefäß kreiert. Dass sie ihr Hobby zum Beruf machen und als "La Matcharista", wie sie ihr Geschäft nennt, hinter dem Tresen stehen würde, damit hätte die gelernte Kauffrau für Versicherung und Finanzen aus Hamburg bis vor kurzem gar nicht gerechnet. Zwar ist der trendige Kaffee-Ersatz inzwischen in Dutzenden Cafés auf der Insel zu haben, doch bei ihr wird die Zubereitung traditionell zelebriert. Für Laras Kunden ist der Tee-Trunk nicht bloß Genuss, sondern Selfcare-Ritual und Lifestyle-Statement. Für die 35-Jährige bedeutet er sogar noch mehr: "Matcha hat mein Leben verändert", sagt sie dem Mallorca Magazin und erzählt, wie der asiatische Superfood-Saft zum Glückskeks für ihr Schicksal wurde!
Als die Power-Blondine vergangenen Sommer samt Familie ihre norddeutsche Heimat verließ, um an der Bahia de Palma neu anzufangen, hatte sie ganz andere Pläne. "Ich wollte mich als Kosmetikerin selbstständig machen, habe bereits in Bad Oldesloe erfolgreich ein Beauty-Studio geführt und mein Konzept hierher mitgenommen und erweitert." Weil in ihrem Salon in Bendinat hinten noch eine Ecke frei war, ließ Lara spontan eine Matcha-Bar einbauen. "Die Idee entstand mehr aus Spaß, um das Rundum-Wohlfühlpaket abzurunden und mich auszutoben bei meiner Leidenschaft.” Schon lange vor dem Hype war sie der Zauber-Brause verfallen, inhalierte ihr Wissen in Kursen und Workshops und experimentierte mit Zutaten: "Ich dachte immer, es geht noch besser, so habe ich alles probiert und perfektioniert, ursprünglich nur für mich privat."
Dank Mundpropaganda und Instagram dampfte die Teeküche schnell auf der halben Insel. "Im Sommer durfte ich viele Caterings machen auf Booten, habe bei Sundowner-Touren meine selbstkreierten Cocktails serviert", so Lara weiter. Dafür kippt sie auch gerne hochprozentiges ins Gesundheitsapostel-Getränk. "Ich habe mir den Skinny Bitch Matcha mit Wodka ausgedacht und die Mix-Drinks Matcha-Mimosa, mit Cava, und Matcha Spritz. Die sind einzigartig und kommen super an, gerade bei Herren und auf Abendveranstalungen." Matcha à la Malle – Warum nicht mal auf bewusste Art einen im Tee haben!
Während Laras Latte-Business überschäumte, verbrühte zu Hause die Liebe und ihr Götter-Gatte stellte sie vor die schwerste Entscheidung ihres Lebens: "Mein Mann wollte wieder nach Deutschland." Ein Dilemma, an dem ihre Liebe zerbrach. „Natürlich habe ich überlegt, ob ich mitmuss, damit die Kinder näher beim Papa sind und er Teil der Familie bleiben kann”, berichtet sie. Letztlich aber ließ die Tee-Turbine ihren Liebsten ziehen, denn: "Ich mache keine halben Sachen, nur weil es die einfache und bequeme Lösung ist. Auch wenn ich alleine als Mama durch muss, ich bleibe meinem Weg treu und gebe nicht einfach auf." Schließlich habe sie der Kids wegen überhaupt erst ihren langgehegten Auswanderer-Traum wahrgemacht: "Ich bin überzeugt, dass Spanien ein schönerer Ort für sie zum Aufzuwachsen ist und setze alles daran, ihnen hier ein sorgenfreies Leben zu gewähren."
Ihren Alltag als alleinerziehende Unternehmerin meistert Lara mit einem guten Babysitter und viel Improvisation. Seit dieser Woche lässt sie ihren Tee auch in der Motorworld Mallorca blubbern: "Ich eröffne ein dauerhaftes Pop-Up dort und schicke Bendinat in die Winterpause. Ab Frühjahr betreibe ich dann beide Locations." Zusätzliches Personal und weitere Zweigstellen seien bereits in Arbeit. Woher nimmt sie die Motivation? "Jeder hat sein 'Warum' im Leben. Das habe ich als Matcharista gefunden. Es erfüllt mich und gibt mir Kraft. Dass ich damit meine Familie ernähren kann, trägt mich auch nach einer durchgearbeiteten Nacht gut durch den Tag."
Lara macht in Bendinat Macha zum Lifestyle
Schließlich sei Entspanntheit Teil der Matcha-Magie, meint Lara: "Die Prozedur ist Entschleunigung pur. Jeder sollte sich seine Matcha-Momente nehmen." Andächtig drapiert sie ihr selbstgemachtes Fruchtpüree als Tee-Topping. Jede ihrer 20 schicken Koffein-Kreationen folgt den althergebrachten Standards. Die Milchkanne ist auf exakt 75 Grad vorgeheizt. "Nicht irgendeine Milch, sondern meine eigene", erklärt sie stolz. Nix Kuh, nix Tetrapack! Die Sorten Hafer, Mandel, Kokos oder Pistazie kommen meist aus Laras eigener Herstellung. Auch das grüne Pulver ist sorgsam ausgewählt. "Von einer tollen kleinen Farm in Japan bekomme ich Bio-Matcha von höchstem Reinheitsgrad, 'Ceremonial'. Es schmeckt mild und vollmundig-cremig. Das Richtige zu finden, hat mich über fünf Monate gekostet.” Denn der brummende Markt werde von jeder Menge Minderwertigem überschwemmt: "Wie oft habe ich 50 Euro für 30-Gramm-Dosen versenkt, wo mir direkt der Geruch von Fisch entgegen kam." Gut sei, was satt-grün strahlt: "Bräunlich bedeutet billig, schmuddel-grün schmeckt nach Gras oder fischig."
MM-Mitarbeiterin Bea Peters (r.) genoss sichtlich Lara Connollys Kreationen. (Foto: Star Press)
Die standesgemäße Zubereitung bedarf gefühlt eines halben Werkzeugkastens und einiger Fingerakrobatik. Im Chavan (Schüssel) wird mit dem Chasen (Besen) herumgerührt: "Nicht einfach wild im Kreis, nur mit Bewegungen aus dem Handgelenk, in Form eines M, W, oder Z, sonst entstehen Blasen." Elektrische Helfer sind für Lara tabu. „Inzwischen gibt es dafür Roboter, die aussehen wie ein Vibrator, da gehen mit die Zehennägel hoch. Das beleidigt die Kultur”, ätzt sie.
Aber was, wenn Matcha bald nur noch kalter Kaffee ist, weil der Hype um das Seelen-Doping schmilzt wie bei seinem Farbverwandten, der Dubai-Schokolade, die mittlerweile wie Bodensatz in Mallorcas Supermarkt-Regalen pappt? "Gute Dinge bleiben", ist Lara überzeugt. "Man merkt körperlich den Unterschied, wenn man von Kaffee umsteigt. Kunden, die nur dem Trend hinterherjagen, braucht man eh nicht." So oder so, der blonde Wirbelwind von der Nordseeküste bekommt alles gebacken – neuerdings kredenzt sie ihren Matcha als Käse- und Karotten-Kuchen sowie auf Tiramisu-Art: "Auf mein Matchamisu bin ich besonders stolz, das gibt es inselweit nur bei mir. Alles ohne Industriezucker, nur mit Dattelsüße – und Geheimzutaten. Den Geschmack kann nicht jeder hinbekommen wie ich."
Abwarten und Tee trinken ist eindeutig Nichts für die mega-motivierte Matcha-Meisterin, ihre Hoffnung grünt wie ihr Gebräu: "Ich habe so viel durchgemacht und gebe den Glauben nicht auf, dass der Traumprinz irgendwo auf Mallorca auf mich wartet." In Herzensangelegenheiten hat sie auch klare Vorstellungen: "Er muss Biss haben! Ich brauche einen, der mich in meinen Vorhaben unterstützt und nicht ausbremst!" Mehr Matcha, weniger Macho! "Ein moderner Mann mit dem richtigen Mindset, der Matcha mag", manifestiert Lara und lacht: "Selbst wenn nicht, bisher habe ich noch jeden dazu bekehrt."