Es hätte so schön werden können. Der genaue Platz, wo John Barrys Piano in jenem kleinen Häuschen unterhalb seiner aus dem Boden wachsenden Mallorca-Villa hingestellt werden sollte, stand bereits fest. Der Komponist zahlreicher Filmmelodien, vor allem für James-Bond-Streifen (1933-2011), wohnte damals – in der ersten Hälfte der 1970er Jahre – nicht weit entfernt auf einer heute als Landhotel genutzten Edel-Finca namens Sa Capella und beobachtete die Bauarbeiten. Während Barry dort immer mal wieder an durchaus ausschweifenden Partys teilnahm, malte er sich wohl aus, wie wunderbar doch alles werden würde inmitten der faszinierenden Landschaft dieser damals touristisch noch nicht allzu erschlossenen Insel. John Barry wollte betört von der beeindruckenden Natur und dem Luxus in dem Anwesen zu neuen kreativen Höhenflügen sondergleichen ansetzen, um die Welt mit faszinierenden Tönen zu beglücken.
Doch daraus wurde nichts. Das kleine längliche Gebäude, in welchem die musikalischen Ideen nur so sprudeln sollten, wurde genauso wie die oberhalb liegende Riesenvilla mit dem Traumblick in alle vier Himmelsrichtungen niemals fertig. Nicht auszuschließen, dass der Blick auf die liebliche Bucht von Alcúdia das empfindsame englische Genie mit dem Gespür für besonders dramatische Tremoli zu andersartig klingenden Ergüssen inspiriert hätte als zu denjenigen, die letztendlich entstanden (siehe Kasten) und weltbekannt wurden ...
Etwa ein halbes Jahrhundert stehen das Häuschen für die kreativen Schübe und das an kalifornische Architektur und nichts Geringeres als die Alhambra von Granada erinnernde Riesen-Anwesen samt Traumpool schon als Rohbauten in der dicht bewachsenen Umgebung des schmucken Dorfes Santa Margalida in der Gegend herum, ohne dass je etwas passierte. Die Zeit verging, Bäume und Sträucher wuchsen, der Beton wurde brüchiger und Fuchs und Hase sagten sich gute Nacht. Und auch Gesetze änderten sich: Es war plötzlich rechtlich nicht mehr möglich, das Ganze weiterzubauen.
Doch auf einmal geschah ein Wunder: Laut einem Beschluss der Gemeinde vom Ende des abgelaufenen Jahres darf der Komplex jetzt endlich nach so langer Zeit fertig gebaut werden, das jedoch unter Bedingungen: Am nunmehr unter Denkmalschutz stehenden Rohbau darf nichts geändert werden und das kleine Häuschen, wo das Piano des Meisters stehen sollte, muss zu einem Bond-Museum umgebaut werden, in welchem man sich unter anderem die wuchtig-eingängigen Klänge des Meisters zu Gemüte führen kann. Es soll zudem ein Zufahrtsweg eingerichtet werden, der von der Landstraße zwischen Santa Margalida und Can Picafort abzweigt. Hinzu kommt ein Parkplatz für die geneigten Bond-Fans.
„Ich bemühe mich, dass John Barrys Familie einige persönliche Dinge von ihm für das Museum bereitstellt”, so Kristian Worbs gegenüber MM, der einen guten Kontakt zu den Nachfahren des mit fünf Oscars ausgezeichneten Genies pflegt. Dem am Tegernsee in Bayern wohnhaften und Mallorca als seine zweite Heimat sehenden Immobilienunternehmer gehört nämlich bereits seit Anfang des Jahres 2016 die imposante Villa. Als der Restaurierungsexperte vor vielen Jahren auf einer Harley-Davidson an jenem Hügel immer mal wieder vorbeigefahren war, verguckte er sich in den markanten Bau. „Ich habe ihn nicht mehr aus dem Kopf gekriegt”, so Worbs. Und da ihn, wie er sagt, Ruinen nicht schrecken, kaufte er den Komplex Laurie Barry, der Witwe des Meisters, ab. „Es lagen dort Tonnen von Müll herum”, so Kristian Worbs gegenüber MM, Gestrüpp in riesigen Mengen habe entfernt werden müssen. Wenn alles glattgeht, will der Inselfreund Mitte bis Ende des kommenden Jahres in den dann in neuem Glanz erstrahlenden Bau endlich einziehen.
Noch sieht es dort aus wie eh und je in den vergangenen langen 50 Jahren aus: Der Goldfischteich, den John Barry nebst Palmen umrahmt von Säulen und Bögen zum Frommen seiner Seele anlegen wollte, ist beim MM-Rundgang leer wie immer schon. Der geplante Weinkeller, in welchen der Glamour-Komponist herabsteigen wollte, um sich einen guten Tropfen zu holen, befindet sich weiterhin im Dornröschenschlaf. Das riesige Wohnzimmer mit Traumblick auf die Bucht von Alcúdia, das sich unterhalb einer fast kathedralenhaft anmutenden Kuppel befindet, harrt nach wie vor seiner glänzenden Zukunft. Und der rechteckige Swimmingpool, in welchen der Musikus mit Blick auf das Dorf Colònia de Sant Pere steigen wollte, ist noch immer ein unfertiges graues Beton-Etwas.
Dass hier in den vergangenen Jahrzehnten nicht allzu viel von Eindringlingen kaputt gemacht wurde, liegt sicherlich an der abgelegenen Lage des Anwesens, das nur auf einer schmalen, schwer zu findenden Stichstraße erreicht werden kann. Doch der Bau wurde immer bekannter auf Mallorca: Früher zog es wiederholt Drogenabhängige oder erlebnishungrige Jugendliche auf das Villengelände, die dort Partys feierten oder auf dem nachts sicherlich unheimlichen Grundstück einfach nur abhingen und das Gruseln lernten. Lange Zeit war es möglich, ohne jegliche Schwierigkeiten auf das Gelände zu gelangen, jetzt steht rund um den palastartigen Bau ein Zaun, der mit der Sicherheitszentrale der Firma Securitas verbunden ist. Versucht jemand widerrechtlich einzudringen, sind Beamte der Guardia Civil im Nu vor Ort, um ihn abzuführen.
Das ganze schöne Projekt, das sich der hippe Komponist erträumt hatte, ging in die Hose, weil er übel betrogen worden war. Ein zwischengeschalteter Insulaner, der sich vor Ort um die ordnungsgemäße Abwicklung der Bauarbeiten kümmerte, zweigte einen Teil von Barrys überwiesenen Geldern einfach ungeniert für private Zwecke ab: Er baute im nahegelegenen Ferienort Can Picafort damit ein Hotel. Irgendwann kam Barry auf den Trichter, dass er auf der Traum-Insel schmählich übers Ohr gehauen wurde. Er verlor gänzlich die Lust auf das Eiland. Der Weltstar verabschiedete sich in die Vereinigten Staaten, wo er zunächst standesgemäß in Hollywood lebte und später an die Ostküste zog, wo er in New York starb. Der Betrug auf der Insel kam in der Stadt Inca vor Gericht, Barry bekam nach langem Hin und Her sein Geld zurück.
„Er wurde hereingelegt”, so Santa Margalidas aktueller Bürgermeister Joan Monjo gegenüber MM. Doch das sei Vergangenheit, jetzt blicke man in die Zukunft. Unter Monjos Ägide gelang es schlussendlich, alles in trockene Tücher zu bringen, auf dass der unvollendete Prachtbau zu neuem Leben erweckt wird, die Gegend überstrahlt und die Gemeinde obendrein dank dem geplanten Museum Touristen en masse anziehen kann.
Gut möglich, dass diese dann eine Besonderheit dort antreffen werden: zwar nicht eine echte Oscar-Statue, wie vom Bürgermeister laut dem Eigentümer Kristian Worbs gewünscht, aber immerhin eine Kopie.