Wenn Alcúdia erwacht, arbeitet eine Gruppe von Studenten, Schülern, Freiwilligen und Archäologen schon fleißig. Denn Sommerzeit ist Ausgrabungszeit in der römischen Siedlung von Pollentia, die sich gegenüber der Kirche von Sant Jaume im Ort befindet. "Gibt es etwas Neues?", fragt Miguel Ángel Cau vom Forscherverband ICREA und der Universität Barcelona eine Gruppe Studenten, diese schütteln den Kopf.
Sie haben eine bisher undankbare Aufgabe: Auf einem zuvor festgelegten Gebiet suchen sie mit Spitzhacke und Schaufel nach Mauerresten. Nachdem eine Durchleuchtung des Bodens ergeben hatte, dass sich an dieser Stelle Mauerwerk befindet, haben sich die Studenten schon 30 Zentimeter tief ins Erdreich vorgearbeitet und nichts gefunden. An diesem Tag ist die Anstrengung noch erträglich, denn der Himmel ist bewölkt, die Temperaturen liegen bei 23 Grad. "Es kann sein, dass wir erst einen halben Meter graben müssen, bevor wir auf etwas stoßen", sagt der mallorquinischstämmige Archäologie-Professor, der gemeinsam mit Professorin Esther Chávez Álvarez (Universität La Laguna, Teneriffa) seit 2003 die Ausgrabungen leitet.
Beide sind Spezialisten der altrömischen Siedlung Pollentia. Miguel Ángel Cau war bereits 1985 als Student dabei, Esther Chávez Álvarez kam zehn Jahre später dazu. Doch warum betreuen Professoren aus Barcelona und Teneriffa die Ausgrabungen? Weil an der Balearen-Universität noch kein reiner Archäologie-Studiengang angeboten wird.
Pollentia ist die bedeutendste römische Ausgrabungsstätte Mallorcas, bereits 1923 begann ein Team dort nach Überresten der Siedlung zu graben. Mittlerweile finanziert ein Konsortium aus Balearen-Regierung, Inselrat und dem Rathaus Alcúdia die Forschungen. Von 1951 bis 1996 wurden die Arbeiten von der amerikanischen Bryant-Stiftung getragen.
Aus jener Zeit stammt das Austauschprogramm mit amerikanischen Universitäten und Schulen. Auch in diesem Jahr sind Studenten aus Portland sowie Highschool-Absolventen an den Ausgrabungen beteiligt. Wie der 17-jährige Will Lynch aus Washington D.C.: "Ich habe gerade die Schule abgeschlossen und will Archäologie studieren" erzählt er, während er Erde und Steine in eine Schubkarre siebt. "Mal sehen, was wir heute finden", sagt er motiviert. Der bedeutendste Fund war ein Pferdekopf aus Bronze, der mittlerweile im Archäologischen Nationalmuseum in Madrid zu sehen ist.
Von Anfang Juli bis Mitte August dauert die Ausgrabungszeit. Die 90 Helfer starten um 7.30 Uhr mit Spitzhacke, Schaufel und Pinsel, meistens arbeiten sie bei Temperaturen um die 30 Grad. Besucher können in den Vormittagsstunden den Schülern, Studenten und Freiwilligen bei der Arbeit zusehen. Um 13 Uhr ist Mittagspause und am Nachmittag werden die Funde gesäubert und katalogisiert.
Scherben aus römischer Zeit hat Carlos Dot an diesem Vormittag zahlreiche gefunden. "Das ist total interessant", schwärmt der 16-Jährige aus Palma. "Ich helfe schon seit zwei Jahren als Freiwilliger hier mit", erzählt er stolz. Wenn der Teenager mit der Schule fertig ist, will er studieren, Archäologie natürlich. Auch die Helferinnen Anastasia Kazekina und Marina Díaz haben die wichtigsten Utensilien für die Ausgrabungen in der Hand, Besen und Hacke, mit denen sie sich zentimeterweise durchs Erdreich arbeiten, um die Geheimnisse der Geschichte zu entdecken: "Es macht Spaß, hier zu graben", sind sie sich einig.
Pollentia besuchen
Die Ruinen der römischen Siedlung Pollentia können ganzjährig besichtigt werden. Ausreichend Parkplätze gibt es neben dem Gelände an der Avinguida Príncep d'Espanya in Alcúdia (gegenüber Kirche Sant Jaume). Die Stätte kann von montags bis freitags von 9.30 bis 20.30 Uhr sowie am Wochenende von 9.30 bis 14.30 Uhr besichtigt werden, an Feiertagen bleibt die Anlage geschlossen. Der Eintritt kostet 3 Euro und schließt den Besuch des Museums, in dem Fundstücke aus Pollentia zu sehen sind, mit ein. Andere Stücke sind auch im Museo de Mallorca in Palma sowie im Archäologischen Nationalmuseum in Madrid ausgestellt. Am Donnerstag, 21. Juli, findet ab 19 Uhr in Pollentia ein Tag der offenen Tür in katalanischer und spanischer Sprache statt.
(aus MM 30/2016)