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Wenn auf Mallorca entfernte Orte und Zeiten zusammenkommen

Ben Jakober auf den Stufen, die in den Ausstellungsraum „Sokrates” herabführen. Im Juli feierte der Künstler und Sammler seinen 90. Geburtstag. | Fotos: Patricia Lozano

| Alcúdia, Mallorca |

Seinen 90. Geburtstag am 31. Juli hat sich Ben Jakober sicherlich anders vorgestellt. Mitten in der Covid-Pandemie lag das runde Datum des Bildhauers, der gemeinsam mit seiner Frau Yannick Vu arbeitet und mit ihr das Museum Sa Bassa Blanca geschaffen hat, das außerhalb von Alcúdia liegt. Inmitten dieser Oase der Kunst und Natur feierte das Paar den bedeutenden Jahrestag Jakobers, von dem der Künstler scherzend sagt: „Ich hätte ihn gerne noch um ein, zwei Jahre hinausgeschoben.“

Ben Jakober, Spross einer ungarischen Familie, geboren in Wien, aufgewachsen in London, war zunächst in der Welt der Finanzen unterwegs, bevor er 1968 die künstlerische Laufbahn einschlug. Die 60er Jahre waren auch das Jahrzehnt, in dem er nach Mallorca kam, durch seinen besten Freund, den italienischen Künstler Domenico Gnoli (1933-1970). Gnoli war der erste Ehemann der Malerin und Bildhauerin Yannick Vu, die 1942 in Frankreich geboren wurde und Tochter des vietnamesischen Künstlers Vu Cao Dam ist. Nach Gnolis Tod heirateten Jakober und Vu 1972. Als Teil eines Konsortiums erwarb das Paar 1978 das Anwesen Sa Bassa Blanca außerhalb von Alcúdia. Dort schufen sie das gleichnamige Museum, das von der Stiftung Fundación Yannick y Ben Jakober getragen wird.

Auf dem 16 Hektar großen Anwesen schufen Vu und Jakober eine Oase der Kunst, Natur und Architektur. Und diese Oase wächst bis heute. Unermüdlich fügt das Künstlerpaar Kunstwerk um Kunstwerk hinzu, Vu lässt zudem ihren grünen Daumen in dem ummauerten „Hortus conclusus“ mit zahlreichen Rosenarten und in einem Experimentiergarten walten.


Ein weitläufiger Skulpturenpark mit zahlreichen
Arbeiten von Yannick Vu und Ben Jakober sind
Teil des Museums Sa Bassa Blanca.

Was das Paar in diesem Alter noch antreibt? „Es gibt immer Dinge zu entdecken, und was wir wahrnehmen, wollen wir anderen vermitteln“, antwortet Vu. Und Jakober meint mit einem Augenzwinkern: „Ich muss Diät halten, und über Sex rede ich erst gar nicht. Was soll man also tun? Arbeiten!“ Doch dann wird er ernst. „Wir haben etwas ganz Besonderes geschaffen. Und das ist jetzt auch ein Rennen, um die Dinge zu Ende zu bringen und fest zu machen.“ Dazu gehöre auch die finanzielle und verwaltungstechnische Zukunft. „Wir haben ein engagiertes Kuratorium mit hochqualifizierten Mitarbeitern, die das Ruder übernehmen werden, wenn wir das nicht mehr können.“

Die Stiftung wurde 1993 ins Leben gerufen. Im selben Jahr begannen die Umbauarbeiten eines alten Wasserreservoirs in eine unterirdische Ausstellungshalle. Sie beherbergt seither „Nins“, deutscher Titel: „Kleine Prinzen“. Die Schau zeigt Kinderporträts aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, vornehmlich Sprösslinge der europäischen Adelshäuser.


Yannick Vu und Ben Jakober in der Ausstellung „Nins”:
Über 45 Jahre hinweg sammelten sie Kinderporträts
aus dem 16. bis 19. Jahrhundert.

Ebenfalls unterirdisch ist der Kunstsaal „Sokrates“ gebaut. Einsteins Formel von Raum und Zeit, angebracht als Leuchtschrift an der Wand, gibt das Leitmotiv vor: Ein Raum, an dem entfernte Orte und Zeiten zusammenkommen und in einen Dialog treten. Durch die Eingangstür kann man beispielsweise einen Streifen des blauen Himmels sehen. Den Vorhang aus 10.000 Swarovski-Kristallen am anderen Ende der Halle bezeichnet Jakober als „Echo des Himmels“. Vor ihm steht das Skelett eines prähistorischen Wollnashorns.


Zeitgenössische und ethnografische Kunst treten
im Saal „Sokrates” in einen Dialog.

Neu ist ein Bild der franko-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgois. Es hängt zwischen dem Werk eines afrikanischen Künstlers, das aus Köpfen von Zahnbürsten und Verschlüssen von Plastikflaschen gefertigt ist, dem Wandteppich einer marokkanischen Künstlerin, gewoben aus fast zehn Kilometern Plastikstreifen, einem Bild der Aborigine-Künstlerin Sally Gabori und einer Skulptur aus rot gefärbten Spülschwämmen. Gegenüber stehen zwei beidseitig beschnitzte Holzsäulen, die einst ein Zeremonienhaus in Papua-Neuguinea stützten.

Die Kommunikation über Zeit und Raum hinweg setzt sich fort im Skulpturenpark, aber auch in Haupthaus der Stiftung im hispanisch-maurischen Stil, das einzige Gebäude in Europa, das von dem ägyptischen Architekten Hassan Fathy entworfen wurde. Zuletzt haben Vu und Jakober das Anwesen vor allem um Kunst aus Marokko und Afrika, der Aborigines aus Australien und aus Papua-Neuguinea bereichert. „Wir kaufen nur noch Werke, die ganz in diesen Diskurs passen“, erklärt Jakober.


Schlangen aus verschiedenen Kulturen.
Das blaue Kriechtier schuf Ben Jakober.

Vu und Jakober wollen das Museum Sa Bassa Blanca so hinterlassen, dass der Nachwelt kein Raum für Interpretation und kein Anlass für Veränderung bleibt. Auch wenn das Museum viele Werke des Künstlerpaars beherbergt, steckt darin keine persönliche Eitelkeit. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Museum mit seinen Innenräumen und Außenbereichen zu einem Gesamtkunstwerk gewachsen. Es zu verändern, hieße es zu zerstören.

(aus MM 39/2020)

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