Ungeachtet ihres Ruhestandes, den sie seit 2014 genoss, hat sich Gabriele Kunze stetig und regelmäßig zu Wort gemeldet, Woche für Woche für Woche, mit ihrer Kolumne im Mallorca Magazin, und das schon seit gut drei Jahrzehnten. Die ehemalige Kulturredakteurin, Garten- und Gastronomieexpertin sowie Buchautorin war wegen ihrer Fachkenntnis und ihrer Lebenserfahrung eine regelrechte Insel-Institution. Die 76-Jährige war zudem für ihre durch und durch eigenständige und kämpferische Persönlichkeit bekannt. Am Sonntag, 20. Juli, ist Gabriele Kunze ihren Verletzungen in der Klinik Son Espases in Palma erlegen. Ihre Cousine Sabine aus München sowie nahe Freunde standen ihr zur Seite.
Gabriele Kunze, geboren am 30. Januar 1949 in Frankfurt, war in der Nacht zum Donnerstag, 10. Juli, in ihrem Haus in den Bergen bei Puigpunyent gestürzt und hatte sich einen schweren Hüftbruch zugezogen. Freunde fanden die alleine lebende Frau und alarmierten den Notdienst. Die Ärzte kämpften vergeblich um das Leben ihrer Patientin, die durch altersbedingte Vorerkrankungen bereits geschwächt war. Gleichwohl trotzte Gabriele Kunze dem Tod viel länger, als die Prognose der Mediziner es zunächst hatte erwarten lassen.
Neben ihrer Arbeit als unangefochtene Langzeit-Kennerin der Kulturszene auf der Insel verfasste die passionierte Hobby-Köchin Bücher mit Kochrezepten zu klassischen Traditionsgerichten, Reiseführer über Mallorca und Märchensammlungen über und aus der Inselwelt. Gabriele Kunze brachte damit den Fremdsprachen unkundigen Mallorca-Touristen und -Residenten die Geschichte, Folklore und Traditionen ihrer Urlaubsdestination seit Mitte der 1980er Jahre nahe. Aufgrund all dieser Verdienste als Brückenbauerin zwischen den Kulturen und zur Völkerverständigung wurde Gabriele Kunze 2004 auf Mallorca offiziell als "Europäerin des Jahres" auf den Balearen gewürdigt.
Das Interesse an fremdartigen Kulturen war in der jungen Frankfurterin schon früh erwacht. Nach dem Abitur und einigen Studien-Semestern der Anglistik und Romanistik entdeckte Gabriele Kunze als 25-Jährige ihre Liebe zu fernen Ländern und eröffnete in Ratingen ihr eigenes Reisebüro. Sie lernte den damaligen Tui-PR-Manager Giovanni Kunze kennen, den sie 1974 heiratete. Nach Stationen in Nürnberg und Hannover zog das Ehepaar 1980 nach Mallorca.
Hier arbeitete Gabriele Kunze zunächst als Tui-Reiseleiterin und begann parallel dazu, für touristische Kundenmagazine und Reiseführer zu schreiben. Den deutschen Rundfunksender "Radio Alemán" leitete sie zeitweise in Eigenregie. 1986 bot ihr dann der damalige Mallorca-Magazin-Co-Herausgeber und Chefredakteur Wolfram Seifert die redaktionelle Mitarbeit in dem aufstrebenden Blatt an. Ein schicksalhaftes Angebot, das Gabriele Kunze im Laufe der Jahrzehnte zur dienstältesten MM-Mitarbeiterin machte.
Ihre Berichte, Artikel und Porträts über Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Gesellschaft der Insel waren stets ebenso prägnant wie ihr journalistisches Kürzel – G.K. Ihr war es als einzige in der Redaktion vorbehalten, Großbuchstaben zu verwenden. Die ausgewiesene Kulturredakteurin erschrieb sich den Ruf einer enzyklopädischen Expertin Mallorcas und wurde dadurch zu einem wichtigen Bindeglied zwischen deutschen Insel-Residenten und der mallorquinischen Bevölkerung.
"Europäerin des Jahres"
2004 wurde Gabriele Kunze für eben diesen Dauereinsatz für die deutsch-mallorquinische Freundschaft von der Bürgervereinigung "Ciudadanos Europeos" zur "Europäerin des Jahres" gekürt und erhielt die entsprechende Auszeichnung vom damaligen balearischen Ministerpräsidenten Jaume Matas überreicht.
Legendär waren zudem die Sommerfeste auf der Finca von Gabriele Kunze. Für viele mag das Get-together wie ein gesellschaftlicher Anlass gewirkt haben, tatsächlich aber förderte die Kulturenthusiastin damit lokale Kunstschaffende, die bei den Events ihre Werke ausstellen und an die geladene Hautevolee verkaufen konnten.
Privat war Gabriele Kunze seit 1993 verwitwet, als ihr geliebter Ehemann Giovanni unerwartet verstorben war. Von 1995 an war die Kulturredakteurin mit dem englischen Bildhauer David Zisman befreundet, der schließlich bei ihr in das Landhaus hoch oberhalb des Dorfes von Puigpunyent einzog. Über ihn erschloss sich "Gabriela" nach der deutschen und der mallorquinischen Gemeinschaft auch die englischsprachige Community auf der Insel. Durch Zismans Sohn Saffi wurde Gabriele Kunze, die zu ihrem Bedauern selbst nie eigene Kinder haben konnte, doch noch zur begeisterten Großmutter von zwei Enkelinnen. Ihren Lebenspartner musste sie indes im Oktober 2022 zu Grabe tragen.
Seitdem lebte Gabriele Kunze, die in ihrer Freizeit neben dem Gärtnern gerne das kommunale Freibad und Yoga-Kurse in ihrem heimatlichen Bergdorf besuchte, immer stärker zurückgezogen. Sie widmete sich liebevoll ihren drei Katzen, zuletzt erblickte sie hin und wieder einen freilebenden Waschbären auf ihrem weitläufigen und teils verwildertem Grundstück samt herrlicher Aussicht auf die Berge. Die Umweltbehörde wollte das Tier einfangen, aber es war bislang zu schlau, um in die Falle zu gehen. "Der Waschbär ist so ähnlich wie du, kein Wunder, dass er in deiner Nähe lebt", sagte ihr ein Bekannter, und sie nickte.
Pompöses war ihr zuwider
Nicht erst im Alter mied Gabriele Kunze offiziöse Partys und gesellschaftliche Anlässe. Pompöses war ihr zuwider. Eine zunehmende Sprachstörung, die Telefonate mit ihr weitgehend unverständlich machte, kompensierte die Rentnerin durch Mails und Whatsapp-Nachrichten. Ihr Geist war bis zuletzt klar. Wie ihr ganzes Leben hindurch, verfolgte die Journalistin das politische Geschehen ihrer Zeit und bewertete es in treffenden Kommentaren.
Gabriele Kunze war in ihren Berufsjahren eine extrem fleißige Schreiberin gewesen. Auf die MM-Kollegin war zu jeder Zeit Verlass. Auch aus ihrem (Un-)Ruhestand heraus belieferte sie die Redaktion zuverlässig mit Textbeiträgen für ihre wöchentliche Kolumne in der Printausgabe. Erst wenige Tage vor ihrem Unfall hatte sie der Redaktion ein ganzes Dutzend davon zukommen lassen. MM wird die Beiträge in den kommenden drei Monaten veröffentlichen. Die Redakteurinnen und Redakteure des Mallorca Magazins werden ihre Kollegin vermissen und sie in ehrender Erinnerung behalten.
Gabriele Kunze hatte keine Trauerfeier gewünscht. Die Abschiednahme in ihrem Dorf findet im engen Familien- und Freundeskreis statt.