Sie war, so heißt es, die Ersterlöste nach der Auferstehung Christi: Maria, die Mutter des Gekreuzigten, wurde an einem 15. August zwischen den Jahren 50 und 54, das genaue Datum ist nicht bekannt, im Himmel aufgenommen. Seit Jahrhunderten wird dem Ereignis vor allem in katholischen und christlich-orthodoxen Gegenden eher still und zurückhaltend als mit Pomp gedacht. Papst Pius XII. erklärte den Glauben an die leibhaftige Himmelfahrt der Gottesgebärerin im Jahr 1950 in seiner apostolischen Konstitution „Munificentissimus Deus” feierlich zum auf ewig unverrückbaren Dogma.
Mariä Himmelfahrt oder Mariä Entschlafung hinterließ auch auf Mallorca einen bleibenden Eindruck und verfestigte sich mit der Zeit im Alltagsglauben als sogenanntes Hochfest, also als liturgischer Vorgang mit dem allerhöchsten Rang: Und so beginnt die katholische Kirche bereits am Vorabend des Gedenktags mit Feierlichkeiten, die den wunderbaren Vorgang aus grauer Vorzeit würdigen und den Gläubigen nahebringen. In einigen Kirchen der Insel, allen voran in der wuchtigen Kathedrale „La Seu”, aber auch etwa in der Sant-Miquel-Kirche des Dorfes Campanet, werden Figuren der toten „vírgen” am Donnerstag ab 20 Uhr an speziellen Stellen auf sogenannten „lechos” auf den Rücken gelegt.
Dazu ertönen spezielle marianische Gesänge, die dazu beitragen, eine ganz besondere Aura zu schaffen, und die Bedeutung des Ereignisses hervorheben. Und damit nicht genug: Im Sitz der Denkmalschutz- und Kulturvereinigung „Arca” in Palma (Carrer de Can Oliva, 10) wird an diesem Abend zudem die Ausstellung „Los lechos de la Mare de Déu d’agost en Mallorca” mit Fotos von Jeroni Juan Tous eröffnet.
Am eigentlichen Feiertag, dem Freitag, wird in der Kathedrale um 10.30 Uhr eine Messe vor der aufgebahrten Marienstatue gelesen – eine Holzfigur aus dem 16. Jahrhundert, die auf eine mit Blumentöpfen voller gesegneter Basilikum-, Mirabellen- und sonstiger Gewürzpflanzen geschmückte Schlafstatt gelegt wurde.
Gregorianische Gesänge, Blumentöpfe mit Pflanzen
Erhabene gregorianische Gesänge, die mächtig und durchdringend durch die Tiefe des Raums hallen, dürften manch einen Gläubigen dann im mildesten Fall in Wallung und im weitreichendsten Fall in eine Art extatischen Zustand versetzen. Die liegende Maria kann in der Kathedrale noch bis zum 22. August in Augenschein genommen werden, und zwar montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr sowie samstags von 10 bis 13.30 Uhr bzw. 18.30 bis 20 Uhr und sonntags von 9:30 bis 13 Uhr bzw. 18:30 bis 20 Uhr.
Wer noch mehr über die Historie des Ganzen erfahren will, sollte das Inselmuseum „Museu de Mallorca” in Augenschein nehmen: Dort werden dienstags, freitags, samstags und sonntags von 9 bis 14 Uhr sowie mittwochs und donnerstags von 9 bis 19 Uhr Sonderführungen zu den Exponaten mit Verbindung zu Mariä Himmelfahrt über die Bühne gehen. Woanders auf der Insel geht es derber zur Sache: Im Mühlendorf Montuïri etwa bewegen sich am Feiertag in bunte Kleider gehüllte Cossiers-Tänzer fröhlich und im Kreise ab 18.30 Uhr durch die Straßen, womit ein Vergnügen der besonders erdverbundenen Art wohl garantiert ist.
Wobei aller Volkstümlichkeit zum Trotz der Hintergrund des Ganzen durch und durch erhaben, also herausragend ist: In einigen Evangelien wird die sogenannte Entschlafung Mariens ausführlich geschildert. Die Apostel seien von ihren Missionsorten durch die Luft an das Sterbebett der Mutter Gottes geschwebt, heißt es da unter anderem. Dieses habe sich in Jerusalem oder dem in der heutigen Türkei liegenden Ort Ephesus befunden. Die Kirchenmänner hätten Maria nach deren Tod bestattet und das Grab mit einem großen Stein verschlossen.
Und dann geschah den Schriften zufolge das Unglaubliche: Ohne Zeitverzug soll der Heiland höchstselbst in Begleitung von mehreren Engeln erschienen sein. Der Stein sei mühevoll weggeschoben worden, Jesus habe Maria aus ihrer Grabkammer gerufen. Es sei in der Folge geschehen, was der Überlieferung zufolge vorherbestimmt war.