Der plötzliche Regen Mitte August hat der Traubenernte auf Mallorca nichts anhaben können. Im Gegenteil: Nach der vorübergehenden Abkühlung lässt die von den Insulanern gefürchtete und im Spätsommer manchmal wochenlang anhaltende Schauer- und Gewitterphase bisher auf sich warten.
Möglicherweise fällt die "Gota Fría" (Kalter Tropfen) dieses Jahr nicht so stark aus wie üblich und erleichtert den Winzern damit die Arbeit. Aber auch wenn der Himmel doch noch seine Schleusen öffnen sollte, kommt es stark auf die Umstände und das Können an: "Wenn es einmal regnet, ist nicht automatisch die ganze Ernte verhagelt", sagt Charlotte Miller von den Bodegas Biniagual, "beim Syrah haben wir dieses Jahr schon zwei Mal eine grüne Lese gemacht, also feuchte und schimmelanfällige Trauben herausgeschnitten, um die Qualität zu sichern."
Lediglich wenn die Niederschläge allzu stark ausfallen, besteht Fäulnis-Gefahr für die Trauben, was den Wein durch Essigaromen verderben kann oder beim Lesen zum mühsamen Aussortieren von Hand zwingt - vor allem bei Sorten, die kompakt an der Rebe wachsen. Als Folge des Regens kann auch passieren, dass die ausgetrockneten Pflanzen die Feuchtigkeit aufsaugen, wodurch sich der Zuckeranteil verwässert.
Bisher ist jedoch keine Gefahr in Sicht, mit dem Potenzial der Trauben sei man höchst zufrieden, so Charlotte Miller, die sich einen sehr guten Jahrgang erhofft. Mit den weißen Moscatel- und Chardonnay-Trauben habe man bereits zwei Wochen früher beginnen können als üblich. "Und diese oder nächste Woche geht es wahrscheinlich auch mit den roten Sorten los", sagt die Bodega-Chefin.
Während einige Winzer von einem sehr frühen Erntebeginn sprechen, bewegt sich der Termin für den Erntebeginn nach Meinung von José L. Roses Ferrer im Rahmen der langjährigen Erfahrungswerte. Auch mengenmäßig gehen die Einschätzungen auseinander: In der Anbauregion Pla i Llevant, die Gebiete in der Mitte und im Osten der Insel umfasst, geht man von 1500 Tonnen Trauben aus, nachdem sich der Ertrag im Vorjahr in etwa auf 1300 Tonnen belaufen hatte.
In der Region Binissalem, wo man 2013 auf etwa 3200 Tonnen kam, rechnen die Betriebe hingegen mit einer etwas geringeren Menge. Ramón Servalls i Batle vom Weingut Macià Batle in Santa Maria glaubt trotz der Trockenheit rund um Binissalem jedoch an einen Jahrgang mit hervorragender Qualität. Medienvertreter und Freunde des Hauses konnten sich diese Woche beim traditionellen Weinlesefrühstück vom Zustand der Reben überzeugen.
Chardonnay und Moscatel waren beim offiziellen Erntebeginn bereits weitgehend eingebracht. Derzeit wird der Merlot geerntet, bevor es im September mit Syrah, Premsal, Cabernet Sauvignon und Mantonegro weitergeht.
Auch auf dem Weingut Can Majoral bei Algaida ist die Traubenlese bereits voll im Gang und soll voraussichtlich bis Ende September abgeschlossen sein. Eine Bilanz will Mireia Oliver noch nicht ziehen. Denn solange nicht der Großteil der Ernte im Keller ist, fallen bei einem Naturprodukt endgültige Beurteilungen schwer, sagt die Betriebschefin.
Entscheidend ist neben der Großwetterlage auch der Mikro-Standort, da die Bedingungen auf der klimatisch außerordentlich vielgestaltigen Insel Mallorca von Ort zu Ort ganz unterschiedlich sein können. "Die Reihenfolge der Traubensorten richtet sich nach den Laborergebnissen und den Lagen", sagt Pilar Oliver von den Bodegas Miquel Oliver, "in Petra, Felanitx und Manacor ernten wir jedes Jahr zu einem etwas unterschiedlichen Zeitpunkt", so die Chefin des seit 1912 existierenden Traditionsbetriebs, der fast überall in der Inselmitte und auch in einigen Gebieten der Ostküste über Anbauflächen verfügt.
Falls nichts mehr dazwischen kommt, dürfen sich Inselfans wohl über einen Wein freuen, der es in sich hat. Vielleicht kann sich die Qualität sogar mit dem sonnenreichen Jahrgang 2011 messen, als sich das Team der Bodega Castell Miquel bei Alaró im November über einen Süßwein mit 280 Grad Öchsle freuen durfte. Von diesem Spezialprodukt einmal abgesehen, wird der Großteil der Ernte aber schon in den nächsten Tagen und Wochen eingebracht.
Nicht nur Sonne gab es dieses Jahr satt, sondern je nach Lage auch Niederschläge in wohldosierten Mengen. Gute Voraussetzungen also für einen Wein mit hervorragender Qualität, der zudem in ausreichenden Mengen verfügbar sein wird.
(aus MM 35/2014)