Steak aufs Feuer, Bierflasche in der Hand und Fachsimpeln unter Männern – so sah bisher der klassische Grillabend aus, wie er in Mitteleuropa im Frühling und Sommer wieder Saison hat. Auf Mallorca ist der Zeitplan für die Lagerfeuerromantik allerdings etwas anders gelagert, denn Grillen in der Natur und teilweise sogar auf der eigenen Terrasse ist hier zwischen Mai und Oktober streng verboten, um Waldbränden vorzubeugen.
Gebrutzelt und gebraten wird daher vor allem in den Wintermonaten bis in die ersten Frühlingswochen hinein. Jetzt im April, der auf der Insel an guten Tagen fast sommerlich sein kann, ist also die ideale Zeit, um einen der vielen Grillplätze aufzusuchen, die es zum Beispiel beim Kloster Lluc, in der Nähe von Lloret de Vistalegre oder zwischen Santa Maria und Bunyola gibt. In der Tat werden die von der Balearen-Regierung ausgewiesenen Erholungszonen („Areas Recreativas”) mit ihren fest installierten Feuerstellen, Tischen und Bänken von den Mallorquinern am Wochenende geradezu gestürmt. Will man einen Platz ergattern, muss man möglichst früh dran sein. (Allerdings ist dort das Feuermachen von Mai bis Oktober wegen Waldbrandgefahr strengstens verboten.)
Oder eben zu Hause grillen, wie es momentan noch gefahrenfrei möglich und erlaubt ist. Dass es sich dabei um ein allein von Männern dominiertes Steckenpferd handelt, bestreitet Jens Becher von der Weber Grillakademie, die in der Nähe von Portocolom eine Grillfinca betreibt und Kurse in verschiedenen Formaten anbietet. „Gerade auf Mallorca haben wir eine hohe Frauenquote, und die Teilnehmerinnen sind oft der interessiertere Teil der Gruppe”, sagt Becher. Das führt er unter anderem darauf zurück, dass heute nicht mehr nur Würstchen und Standardfleischstücke geröstet werden, sondern auch Lachs auf Zedernholz, Salatherzen, Gemüse oder auch einmal eine Weihnachtsgans.
Für das Gelingen entscheidend ist laut Becher, dass ein Kugelgrill mit Deckel zur Verfügung steht, in dem der Garprozess backofenähnlich abläuft. Statt bei 800 Grad lernt man in der Weber Grillakademie, bei 180 bis 200 Grad zu arbeiten: „Dann wird alles schön saftig und bekommt eine leckere Kruste”, erläutert Jens Becher. Als Faustregel, um diese Temperatur zu erreichen, empfiehlt er exakt 26 Stück Holzkohle, wobei man sich über Garprozess und Zeitfaktor schon vorher Gedanken machen und eventuell ein Kochbuch zu Rat ziehen solle. „Je dicker, desto besser”, lautet ein weiterer Tipp von ihm. Alles unter drei Zentimetern sei Carpaccio und somit besser für den Rohverzehr geeignet.
Mit der Ausgangsqualität des Grillguts ist Becher auf Mallorca sehr zufrieden, wenn es um Fisch, Gemüse oder Geflügel geht. Nicht so jedoch beim Rindfleisch, das die Akademie nach verschiedenen Tests vor Ort lieber wieder aus Deutschland importiert.
Dafür schwört er auf die vom Schwein gewonnene mallorquinische Paprikawurst Sobrassada, die in einer seiner Kursmodalitäten zu einem gegrillten Sandwich mit Feigen und Mahón-Käse verarbeitet wird. Auch eine Besichtigung der Sobrassada-Fabrik La Luna ist im Programm der mehrtägigen Grillreise enthalten.
Experten sind sich einig, dass in Deutschland so viel gegrillt wird wie noch nie. Auf 1,2 Milliarden Euro schätzt das Kölner Institut für Handelsforschung das jährliche Geschäft ums Grillen. Sogar spezielle Zeitschriften wie „Beef”, „Fire&Food” oder „Der Griller” sind in letzter Zeit aus dem Boden geschossen.
Von diesem Trend bekommt nun offenbar auch Mallorca etwas ab. Da in Städten wie Hamburg, München oder Stuttgart zu Stoßzeiten teilweise kaum noch Plätze für Grillkurse verfügbar sind, entscheidet sich manch ein Interessent für die Alternative auf der Insel und verbindet den Aufenthalt mit einem Kurzurlaub. Wobei die Grillfinca nach Rücksprache mit der Lokalpolizei auch in den Sommermonaten aktiv sein darf, da sich im Umkreis der Steinfläche nichts Brennbares befindet.
Weder für Holzkohle noch für Gas hat Grillexperte Becher übrigens eine klare Präferenz: „Beides hat seine Berechtigung, und wenn man es richtig macht, ist das Ergebnis genau gleich.” Vernünftige Kugelgrills sind laut Becher etwa ab 100 Euro im Baumarkt erhältlich, wobei es auch hochwertige Geräte mit Wok-Einsatz, Fleischkorb und integriertem Thermometer gibt. Die Preisspanne bewegt sich in diesem Fall von 400 bis 3500 Euro, kann bei Top-Geräten aber auch den Preis eines Kleinwagens erreichen. Letzteres hält Jens Becher allerdings eher für eine Spielerei.
(aus MM 15/2015)