Als hyperaktiver Mensch wird man in Spanien gerne mit einem Tintenfisch ("pulpo") verglichen. Wegen der vielen Tentakel, die gleichzeitig unterschiedlichen Aktivitäten nachgehen können. Diese Beschreibung passt auch auf Mallorcas ehemaligen Sternekoch Koldo Royo. Der 58-jährige Baske hat sich in seinem Leben schon mehrmals neu erfunden. Dass er dabei manchmal belächelt wird, stört ihn nicht weiter. "Wenn du in Europa etwas ausprobierst und keinen Erfolg hast, giltst du als Versager. In den USA ist es dagegen völlig normal, auch mal eine Firma in den Sand zu setzen und danach etwas völlig Neues anzufangen", sagt Royo.
Dass ihm nach 18 Jahren als Sternekoch im Restaurant Porto Pi sowie im eigenen Lokal Koldo Royo am Paseo Marítimo von Michelin die Auszeichnung entzogen wurde, sieht er im Nachhinein nicht als Makel: "Es war ein guter Zeitpunkt, um den Stern vor der Krise an den Nagel zu hängen. Viele Spitzenlokale arbeiten ja kaufmännisch leider im Verlustbereich", erklärt der Gastronom, der seinerzeit mit einem Jahr Auszeit auf den Tiefschlag reagierte, und sich stattdessen lieber dem Schreiben von Kochbüchern und dem eigenen Küchenportal www.afuegolento.com widmete. Das Projekt feiert 2016 sein 20-jähriges Bestehen und hat im Monat 400.000 Besucher zu verzeichnen. Zum Auskommen hilft Koldo Royo darüber hinaus auch noch die Stellenbörse www.gastroempleo.com, über die spanienweit jedes Jahr 7500 Jobs besetzt werden.
Digital war Koldo Royo trotz des anstrengenden Arbeitsrhythmus in der Küche schon früh engagiert - einer Schlüsselbegegnung mit Web-Pionier Vinton G. Cerf zum Dank. Koldo Royo begegnete dem Informatiker, der unter anderem das TCP/IP-Protokoll erfunden hat und deswegen als einer der Väter des Internet gilt, bei einem Flug im Jahr 1994 und war von dessen Ideen auf Anhieb so begeistert, dass er kurz darauf seine erste Internetseite "bongusto.com" realisierte. Das war die Basis für die Plattformen, die ihm nach dem Michelin-Abschied zum zweiten gastronomischen Leben verhalfen.
Dass Koldo Royo nicht nur in der Küche einen Riecher für Trends besitzt, hätte man also wissen können, als er 2013 mit einem knallroten Imbisswagen vor dem Makro-Großmarkt in Palma startete. Trotzdem wurde er ausgelacht und tuschelnd als mutmaßlicher Bankrotteur und Verzweiflungstäter bezeichnet. Heute sind seine Gourmet-Hotdogs mit speziellen mallorquinischen oder mexikanischen Zutaten ein Renner und bei fast jeder Feria auf Mallorca zu haben. Koldo Royo brachte mit der Idee das in den Metropolen der Welt schon länger bekannte Konzept der "Food Trucks" auf die Insel und konnte seine Flotte inzwischen auf fünf Imbisswagen erweitern. Das Grundkapital stammte aus dem Verkauf seines Tapas-Lokals Aquiara am Paseo Marítimo. Wandlungsfähig und mutig war der kreative Baske schon immer. Sonst hätte er 2009 nicht das Experiment gewagt, in den Räumen seines Sternelokals mit Häppchen anzufangen.
Worauf er seinen Erfolg sonst noch zurückführt? "Kontakte pflegen und nirgends verbrannte Erde hinterlassen", sagt der Wahlmallorquiner, der mittlerweile seit 30 Jahren auf der Insel lebt. In der Gastroszene kennt ihn fast jeder, und trotz seiner Ausgeflipptheit ist er überaus beliebt. Was das Privatleben betrifft, versteht er sich mit seiner Ex Mercedes Palmer so gut, dass die beiden Geschäftspartner geworden sind und gemeinsam durch Spanien touren. An dem guten Einvernehmen kann auch Koldo Royos neue Partnerschaft nichts ändern. (mic)