Mag sie mit ihrem Puderzuckerhäubchen eine der bekanntesten Backwaren Mallorcas sein, die süße Königin bei jedem mallorquinischen Fest und eines der beliebtesten Souvenirs von Touristen überhaupt, die die eckigen Kartons trophäengleich nach Hause tragen: Die Ensaïmada kann noch mehr. Und die Ensaïmada kann auch anders. Verfeinert lediglich mit Engelshaar, Aprikosen, Creme, Sobrassada oder besagtem Zucker – darauf lässt sich Mallorcas berühmte Schnecke aus Schmalzteig nicht reduzieren. Warum auch, wo doch so viel Gutes in ihrem Inneren Platz hat?!Jedenfalls haben sich auf der Insel Köche und Bäcker aufgemacht, die Ensaïmada gewissermaßen neu zu erfinden und sie mit Salzig-Herzhaftem zu füllen.
Tomeu Arbona, einen der profundesten Kenner der traditionellen, mallorquinischen Küche, gehört zu ihnen. Er bietet in seiner verführerischen Bäckerei Fornet de la Soca im denkmalgeschützten Jugend-stilgebäude Forn del Teatre im Zentrum Palmas einige lecker gefüllte Exemplare der etwas anderen Art an. Dabei bindet er das Ganze mit einem feschen Bändchen zusammen, damit ja nichts auseinanderfällt, und dekoriert das Werk schließlich mit einen Kräuterzweig. Ensaïmada als Gebäck-Paket. Darauf muss man kommen.
Alles brandneu? Nicht ganz. Denn Arbona, der mit Vorliebe in Klöstern und ehrwürdigen Herrenhäusern nach überlieferten Insel-Rezepten stöbert, ist im Rahmen seiner gastronomischen Archäologie, wie er es nennt, auf Erstaunliches gestoßen. Bei seinen Recherchen entdeckte er Hinweise auf althergebrachte Spezialitäten wie frittierte Ensaïmadas, gefüllt mit Huhn, Trüffel und Béchamel-Sauce oder auch mit Truthahn, Hackbällchen und Trockenfrüchten.
Aus Menorca wiederum sind angestammte Rezepte von Ensaïmadas bekannt, in denen diese mit Rebhuhn gefüllt wurden. Was vielleicht exotisch klingen mag, stand über Jahrhunderte hinweg zum Beispiel bei den vornehmen Herrschaften in Palma durchaus auf dem Speisezettel. Nur die Noblesse konnte sich früher diese erlesenen Zutaten leisten.
Wie schön, dass es heute solche Delikatessen für jedermann gibt. Denn wer einmal die Vielfältigkeit einer kräftig gefüllten Ensaïmada für sich entdeckt hat, wird von den zahlreichen Varianten fasziniert sein. So haben Inselköche und Bäcker offenbar ziemlich großen Spaß daran, sich in dieser Hinsicht kreativ zu entfalten.
Sternekoch Andreu Genestra etwa hat’s schon ausprobiert und versteckt im Bäuchlein des Gebäcks in Essig eingelegtes Gemüse, während ein Spieß die ganze Pracht zusammenhält. Andere setzen stattdessen auf eine Paste aus schwarzen Oliven als Innenleben oder bestücken die Ensaïmada mit Spanferkel samt Sößchen vom schwarzen Schwein.
Rafel Solivellas, Chef des Forn Can Rafel in Búger, wiederum schwört auf Ensaïmadas mit Schweinefleisch, Paprika und Auberginen. Auch mit Kabeljau und Tintenfisch hatte er das Schmalzgebäck schon aufgepeppt. „Doch das lief im Gegensatz zur fleischigen Version nicht ganz so gut”, erzählt Solivellas. Das allerdings tut seiner Experimentierlust keinen Abbruch. Aus gutem Grund: „Eine Ensaïmada passt sich an alles an, was immer man mit ihr vorhat, schmeckt als deftige Tapa in der Bar oder als Appetithäppchen zu Hause”, sagt er. Was zeigt: Sie ist so was von flexibel!
Denn auch Xesc Reina von der Firma Can Company schwärmt von ihren abwechslungsreichen Facetten. Und weil auch Reina jemand ist, der es liebt, Neues aus traditionellen einheimischen Produkten zu schaffen, kombiniert er zur Schmalzschnecke schon mal ein paar Scheiben Figatella, einer typisch mallorquinischen Wurst aus Schweinefleisch und Leber, mit Salat und Yoghurtsauce.
„Die Ensaïmada ist für so vieles einsetzbar und oft deutlich besser zum Füllen geeignet als etwa Hamburger-Brötchen oder Croissants”, ist Xesc Reina überzeugt. „Und eine Ensaïmada mit Käse aus Mahón und Sobrassada oder mit Mahón-Käse und Apfel – das muss man einfach mal probiert haben!” Frei nach dem Motto: Wer eine Ensaïmada nur süß zum Frühstück oder als Nachtisch verspeist, verkennt ihr wahres Potenzial. Und auch Andreu Genestra ist überzeugt. „Wir Mallorquiner sind ja manchmal durchaus etwas sehr traditionell, was das Essen angeht. Aber man kann etwas Neues kreieren, ohne die Klassiker zu vernachlässigen. Wir haben die Ensaïmada in der letzten Zeit zu einem Dessert gemacht, aber sie ist nicht nur das: Sie so viel mehr!” Es kommt eben, wie so oft, auf die inneren Werte an …