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Comeback eines Kult-Aperitifs auf Mallorca

Gastronom und Wermut-Experte Nacho Velasco verrät, was einen guten Wermut ausmacht.

Nacho Velsaco produziert seinen eigenen Wermut namens "5 Petals", hat aber noch viel mehr Marken im Sortiment. | Patricia Lozano

| Mallorca |

Es ist ein heißer Freitagmittag im Spätsommer auf Mallorca, das Lokal La Rosa Vermutería & Colmada an der stark frequentierten Plaza Weyler in Palmas Innenstadt ist brechend voll. Es sind größtenteils Einheimische, die das Restaurant aufsuchen, nur wenige ausländische Urlauber finden sich in der Gaststätte vor. Auf den Tischen der Gäste stehen, wie es in Spanien üblich ist, Tapas oder deftige Gerichte wie Lammkoteletts aus Burgos mit Pommes frites und Knoblauch-Confit oder Wachteln in eingelegter Sauce mit schwarzem Knoblauch. Bei genauerem Hinsehen wird man sich dessen gewahr, dass insbesondere zu den spanischen Appetithäppchen neben Bier vorrangig Wermut auf Eis mit einer Fruchtscheibe serviert wird.

Der aus Valladolid stammende Nacho Velasco ist der Inhaber des Restaurants, das die erste Vermutería ihrer Art in der Balearenhauptstadt ist und im Jahr 2015 eröffnet wurde. Er sagt: „In Spanien haben sich die Leute in den 1960er und 70er Jahren getroffen, um mittags Wermut zu trinken. Es war ein gesellschaftlicher Anlass und fand beispielsweise nach dem sonntäglichen Kirchenbesuch statt.” Vor allem auf Mallorca sei diese Tradition jedoch in der Vergangenheit komplett verschwunden, erklärt Velasco. Erst seit ungefähr zehn Jahren würde man wieder an dieses alte Brauchtum anknüpfen, fügt er dem hinzu.

„Wermut ist ein Getränk, das man zu jeder Tageszeit trinken kann. Es handelt sich um einen aromatisierten Wein, der mit Gewürzen und Kräutern wie Wermutkraut und Angelikawurzel hergestellt wird”, so der Lokalinhaber. Um den Aperitif zu konservieren, werde dem Getränk darüber hinaus auch Zucker beigefügt, was ihm zu seinem leicht bitteren und herben auch einen süßlichen Beigeschmack verleiht.

In Zusammenarbeit mit einer einer Bodega bei Marratxí produziert Nacho Velasco sogar seinen eigenen Wermut – Vermut 5 Petals –, den er in Flaschen zu 12,50 Euro in seinem Bistro verkauft. „Im Gegensatz zu vielen Wermutweinen verwende ich bei meinen nur 95 Gramm Zucker anstatt 130 Gramm je Liter. Denn als Basis nehme ich einen einen Manto Negro-Rotwein, der an sich schon etwas süßlich ist”, erklärt der Gastronom.

Die Ursprünge des mit Kräutern und Gewürzen aufgespriteten Weines können sich beinah bis in die Antike zurückverfolgen. „Schon der griechische Arzt Hippokrates von Kos hat ein Weingewürz hergestellt, das er als Heilmittel verwendete”, macht Velasco deutlich. Aber in welchem europäischen Land der genaue Ursprung des Wermutweines liege, lässt sich dem Aperitif-Experten zufolge nicht sagen. Doch begann der Siegeszug des in Alkohol gelösten Wermuts wohl Ende des 18. Jahrhunderts in Italien oder in Frankreich.

Laut einer EU-Verordnung handelt es sich bei Wermut um einen aromatisierten Wein, der zu 75 Prozent aus Weinbauerzeugnissen besteht und dem Süßungsmittel, Farbstoffe und Alkohol beigemischt werden können. Dabei darf das Getränk einen Alkoholanteil zwischen 14,5 und 22 Prozent enthalten, womit der Aperitif unter die gleiche Verordnung fällt wie Sangría und Glühwein. So setzt sich die Zutatenliste des Wermut-Weines 5 Petals wie folgt zusammen: 75 Prozent Rotwein, 13 Prozent Zucker und sechs Prozent Äthylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs bilden die Basis des Getränks. Dem werden botanische Stoffe zu einem Anteil von 5,8 Prozent beigesetzt, worunter sich Wermut, Orangen- und Zitronenschalen, Zitroneneisenkraut, Gewürznelken, Melisse, Holunderblüten, Wacholderbeeren, Kardamom, Grüne Minze und Rosmarin befinden.

Restaurantinhaber Nacho Velasco hebt hervor: „Der Wermut ist ein komplett anderes Getränk als beispielweise ein Cocktail wie Gin Tonic, der vor allem abends oder auf Partys konsumiert wird. Es handelt sich um einen Apertif, der vorzugsweise vor den Mahlzeiten getrunken wird.” Um den kulinarischen Genuss des Aperitif-Weins zu vervollkommnen, empfiehlt Velasco Miesmuscheln in Escabeche oder Sardellen-Tapas mit gefüllten Oliven. Dabei sei die Zubereitung eines guten Wermut-Cocktails kein Hexenwerk, erklärt der Gastronom. Man müsse ihn nur gut genug schütteln, was die Aromen intensivieren würde, und mit Eiswürfeln verrühren und wahlweise mit einer Limetten- oder Orangenschale garnieren. Die sechs Barkeeper in der Vermutería werden intensiv in der Zubereitung des Getränks ausgebildet und angelernt, wobei die Preise für einen Wermut-Cocktail in dem Lokal zwischen 3,50 Euro bis 14,50 Euro liegen.

Ich benutze in meinem Restaurant 27 verschiedene Wermutliköre, wobei außer meinem eigenen noch zwei weitere Hersteller ihren Aperitif auf der Insel produzieren, und zwar Muntaner und Vermut de Puntiró”, erklärt Velasco. Der Experte erinnert sich zurück, dass es vor Jahrzehnten keine große Auswahl bei den Wermutproduzenten gegeben hat, und man daher stets auf die Marken Martini und Yzaguirre zurückgegriffen habe. Zudem war auf der Insel in den vergangenen Jahrzehnten vielmehr der sehr dunkle, cremige und sämige Kräuterwein Palo im Trend gewesen.

Velasco ist sich sicher, dass sich das früher vergessene Getränk nach seinem Comeback nun auf den Inseln etablieren werde: „Der Wermut ist zurückgekommen, um zu bleiben. Ich mag keine Moden, da sie wieder vorübergehen. Doch ist das Getränk kein Trend, sondern wird vielmehr als Bestandteil unserer Kultur bleiben.”

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