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Wenn Paella und Chop Suey heiraten: Mallorquinische Lokale in chinesischer Hand

In Palma gibt es immer mehr spanische Restaurants, die von Asiaten betrieben werden. Warum eigentlich?

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Die Realität kann trügerisch sein: Auf den ersten Blick sieht die „Bar-Cervecería 31 de Diciembre” wie eine typische spanische Pinte in irgend einer mittelgroßen Stadt aus, wo gemütliche schnauzbärtige Großväter an blechernen Tischen ihr Bier trinken und mit Lockenwicklern bewehrte Hausfrauen von nebenan am Tresen aus ihrem Erzählfluss nicht herauskommen. Erst auf den zweiten Blick fallen die Chinesen auf, die hier auffallend flink bedienen und kochen.

Fast wie geölte Blitze bewegen sie sich durch die Tischreihen, kredenzen „Café con Leche” oder die typischen spanischen länglichen Brote namens „Bocadillos”. Die Betreiber des auf der baumbestandenen Avenida 31 de Diciembre befindlichen und wie ein 60er-Jahre-Relikt aussehenden Lokals lassen es sich nicht nehmen, kulinarisch auch ostasiatisch mit Nachdruck daherzukommen – etwa mit einer als „Tapa” bezeichneten Frühlingsrolle plus mittelgroßem Bier für schlappe zwei Euro. Oder mit Wok-Gerichten.

Und das scheint den Spaniern zu gefallen. „Wenn ich hierhin komme, fühle ich mich wie zu Hause”, sagt Stammgast José, der beim MM-Besuch gerade gemächlich einen Zahnstocher in seinem Mund von der einen auf die andere Seite manövriert. „Und lange warten muss ich hier nie!” María Elena vom Nebentisch pflichtet ihm bei: „Mir gefallen die Preise, die Schnelligkeit und die Freundlichkeit.

Es ist neben den Preisen vor allem das bekanntlich sehr serviceorientierte Selbstverständnis der Asiaten, das die Kunden der „Bar-Cervecería 31 de Diciembre” und ähnlicher Lokale in Palma bei der Stange hält. „Dadurch haben es die Chinesen, die früher von Spaniern betriebene Lokale übernommen haben, geschafft, weiter erfolgreich zu sein”, so Fang Ji, der Chef der Organisation „Achinib”, die chinesische Geschäftsleute auf den Inseln vereinigt, gegenüber MM. „Es handelt sich vor allem um Menschen, die bereits in zweiter Generation auf den Inseln leben und mit der spanischen Küche und überhaupt den Gepflogenheiten bestens vertraut sind.”

Das Phänomen urspanischer Bars und Restaurants in Palmas Innenstadt und Vororten, die nunmehr von Chinesen unter den seit ewigen Zeiten in der Nachbarschaft bekannten Namen weiter gemanagt werden, ist Fang Ji zufolge nicht neu. „Das gibt es schon seit vielen Jahren, im Vorort La Vileta serviert ein chinesisches Ehepaar seit über zwei Jahrzehnten sogar Paellas.” Und an der Calle Aragón würden Pambolis von Gastwirten aus Fernost im Handumdrehen so perfekt wie Chop-Suey-Gerichte zubereitet. Wer in der Balearen-Kapitale seinen Magen mit Fernöstlichem und Hiesigem während eines einzigen Restaurantbesuchs kombiniert beglücken oder dort auch nur beim „Frito Mallorquin” bleiben will, muss nicht lange suchen: Neben der „Bar Cervecería 31 de Diciembre” gibt es unter anderem das „Déjate Llevar” nahe der Pascual-Ribot-Straße oder das „Fleming” am gleichnamigen Platz, wo spanische Kroketten, aber auch chinesische Gyoza-Teigtaschen kredenzt werden.

Zu nennen sind auch das „Racó de l’Olivar” an der Plaça de l’Olivar, das „San Vicente” an der Ausfallstraße nach Sóller oder das „Star” an der Eusebio-Estada-Straße. Und dann ist da ein noch immer ein „Portofino” heißendes, aber nunmehr von Chinesen gemanagtes Café an der Plaça Fortí, wo ebenfalls die klassische asiatisch-spanische Speise- und Getränkemélange zu erträglichen Preisen angeboten wird, also Reis- und Nudelgerichte, aber auch Croissants und „Café con Leche”. „Wir bemühen uns, unsere Gäste zufriedenzustellen”, so ein Kellner gegenüber MM.

Medial besonders wuchtig beschrieben wurde der schon Jahrzehnte alte Trend im Jahr 2016, als in der Halle des Olivar-Marktes ein ausnehmend uriges Wohlfühl-Geviert der Spanier Knall auf Fall in chinesische Hände überging, nämlich die „Bar del Peix”. Dort hatte man sich gefühlt Lichtjahre lang unter anderem Sardinen nebst Weißwein schon vormittags in die hungrigen Hälse geschoben, rundete das Ganze mit „Tapas” ab und tut dies dank des ausgeprägten Geschäftssinns der fernöstlichen Betreiber auch heute noch zu erschwinglichen Preisen.

Die Betreiber der spanischen China-Lokale bringen zusammen, was eigentlich fast unvereinbar erscheint, und haben damit zumindest in Palma einen erstaunlichen Erfolg. Grund dafür dürften ein verfeinerter Spürsinn fürs Machbare im Business, Freundlichkeit, Arbeitsamkeit und ein von den Spaniern goutierter Respekt vor dem Kunden und der spanischen Kultur sein. MM wünscht den Wirten der chinesischen Spanierlokale denn auch „Ni Hao” („Guten Tag”).

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