Es ist dieses die Gehirnwindungen wie Stromschläge durchzuckende, irgendwie grelle Klingen der Kastagnetten, das den geneigten Flamenco-Freund noch mehr elektrisiert. Wenn die „Bailaora” (Tänzerin) Silvia Fernández, genannt „la chispa” (Der Funke), im winzig-gemütlichen Teatre Sans zu Palma nach etwa 20 Minuten zur absoluten Hochform aufläuft, wippen selbst starr und ausdruckslos auf ihren Stühlen sitzende mitteleuropäische Besucher auf einmal mit. Und wenn dann das typische Steppen auf Brettern besonders laut wird, scheinen sich fast alle über Gebühr rassig zu fühlen ...
Die noch bis Ende September immer wieder mittwochs um 21 Uhr für 35 Euro pro Nase in einer stillen Altstadtgasse (Carrer Can Sans, 5) stattfindende Flamenco-Show ist eine der wenigen ihrer Art, die auf der bekanntlich fern von Andalusien liegenden Insel derzeit aufgeführt werden. „Was wir hier bieten, ist nicht das, was man in einem normalen ‚Tablao’ sieht, sondern eine Mischung aus mehreren Stilen”, so der Choreograph Oleh Zahyney, der die Show ersonnen hat. „Hier spielt auch die Geige eine Rolle, und man hört Blues-, Jazz- und Tango-Anklänge.”
Eine Art Gesamtkunstwerk
Und so ist das, was hier geboten wird, nicht irgend eine mal eben aus dem Hut gezauberte Show für Touristen, sondern eine Art Gesamtkunstwerk, das auf einer anderen Ebene daherkommt. Flamenco-interessierte Spanier und Lateinamerikaner treffen hier auf Deutsche, Briten und andere Ausländer, die nach dem im Patio erlebten Genuss von Tapas und je einem im Eintrittspreis inkludierten Getränk das Tanzspektakel in sich aufsaugen möchten. „In der Regel erfahren die Menschen durch Mund-zu-Mund-Werbung von unserer Veranstaltung”, so Oleh Zahyney, der in Spanien einst unter anderem Shows für die gottgleiche kubanische Jahrhundert-Balleteuse Alicia Alonso (1920-2019) choreographiert hatte.
Und Silvia Fernández liefert. Die in Spanien hochangesehene „Bailaora” aus Córdoba wirbelt etwas mehr als eine Stunde lang in verschiedenen Kleidern herum, ihr zuweilen durchdringend-entschlossener Blick verrät die leidenschaftliche Hingabe für diesen Tanz, der im Ausland naiverweise als Synonym für spanisches Selbstverständnis schlechthin gilt. Die Künstlerin steppt und dreht sich nur wenige Meter von den Zuschauern entfernt zwischen einer Geigerin und einem pechschwarz gekleideten Gitarristen auf den Brettern des in einem Stadtpalast aus dem 16. Jahrhundert befindlichen Theaters, das sich in einer der stillsten Ecken der verwinkelten Altstadt befindet.
Das Uralt-Gebäude im ehemaligen Judenviertel, wo es noch immer unterirdische Fluchttunnel gibt, unterscheidet sich radikal vom anderen Flamenco-Hotspot in Palma, dem in einem modernen Bau untergebrachten „Tablao” an der Avenida Portugal Nummer 5. Dort treten noch bis zum 12. August die Künstler „El Tachu” und Paula Moreno auf, und das sogar dreimal pro Tag – um 17.30, 19.30 und 21.30 Uhr.