Der Tankwart auf Mallorca schaut weg, als Andrea Feigl bemerkt, dass rund 3300 Peseten, also rund 20 Euro Bargeld aus ihrer Tasche verschwunden sind. Im selben Moment wird ihr klar: Der Mann muss sie beklaut haben. "Mi dinero …", stammelt sie. Mehr Spanisch fällt ihr nicht ein. Der Tankwart reagiert nicht, tut so, als hätte er nichts verstanden. Überfordert verlässt sie die Tankstelle. "Ich fühlte mich so hilflos, dass ich nicht einmal auf die Idee kam, mit der Hand auf die Überwachungskamera zu zeigen. Die hatte sicherlich alles aufgezeichnet. Und den Wink hätte er sicherlich verstanden", sagt sie .
Heute, 28 Jahre später, blickt die 54-Jährige auf dieses Erlebnis mit klarem Blick zurück. Es war der Wendepunkt. Damals hatte sie gerade ihre fränkische Heimat Marktredwitz hinter sich gelassen, um "für ein Jahr etwas anderes zu machen". Elf Jahre lang hatte sie in derselben Arztpraxis gearbeitet. Doch nach über einem Jahrzehnt im selben Rhythmus spürte sie: Wenn ich nicht jetzt gehe und etwas anderes mache – wann dann?
Sie belegte einen Spanischkurs an der Volkshochschule, packte ihren Twingo bis unters Dach und machte sich auf den Weg nach Mallorca. Dass aus dem geplanten Jahr beinahe drei Jahrzehnte werden würden, ahnte sie nicht.
Die ersten Monate auf der Insel waren geprägt von Unsicherheit. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse improvisierte sie sich durch den Alltag, arbeitete beispielsweise als Verkäuferin in Boutiquen. Stets mit dem Gefühl, kaum verstanden zu werden und selbst nur wenig zu verstehen.
Es gibt eine Methode, wie man schneller Spanisch lernt
Nach dem Erlebnis an der Tankstelle meldete sie sich zum Sprachkurs am Alpha-Institut an. Die dort eingesetzte Lernmethode half ihr, Vokabeln schneller zu verankern und mit mehr Selbstvertrauen Spanisch zu sprechen. "Weil in unseren Kursen mehrere Sinneskanäle gleichzeitig angesprochen werden, prägt sich das Gelernte besser ein", erklärt sie. Bald arbeitete sie selbst im Institut – zunächst am Wochenende, später in Vollzeit. Bis heute ist sie Teil des Teams.
Für Feigl ist Sprache weit mehr als ein Werkzeug der Verständigung. Sie ist der Zugang zu einem neuen Leben. Wirkliche Integration, sagt sie, sei nur möglich, wenn man bereit ist, sich auf Sprache, Kultur und Menschen einzulassen. Der Durchbruch im Sprachverständnis kam, als sie eine Mallorquinerin kennenlernte, die sie in ihren Freundeskreis einführte. Über sie kam die Fränkin in eine Sportgruppe, in der ausschließlich Spanisch gesprochen wurde. Anfangs fordernd, später befreiend. "Der Knoten platzte. Ich fühlte mich zum ersten Mal wirklich angekommen."
Jeder kann eine Fremdsprache lernen
Feigl ist überzeugt: "Niemand ist zu alt, um eine Sprache zu lernen." Entscheidend sei nicht Perfektion, sondern der Mut, Fehler zu machen. "Nobody is perfect", sagt sie und lacht. Wer sich traue, zu sprechen, könne echte Begegnungen erleben – und genau diese Begegnungen machen Integration möglich.
Andrea Feigl hat nicht nur ihre eigene Sprachbarriere überwunden, sondern kennt auch die Herausforderungen, die entstehen, wenn unterschiedliche Kulturen nebeneinander leben – ohne wirklich miteinander zu sprechen. Sie kennt beide Mentalitäten: die deutsche Gründlichkeit ebenso wie die mallorquinische Herzlichkeit. Und sie sieht, wo es hakt, wenn zwischen den Kulturen keine Brücken gebaut werden. Besonders in Gemeinden wie Santanyí oder Calvià, wo viele Deutschsprachige leben, entstehen schnell Parallelwelten. Insbesondere dann, wenn der Austausch fehlt. Ein Beispiel ist für sie die Geschäftswelt: "Viele Einheimische wissen gar nicht, dass sie in bestimmten deutschen Geschäften willkommen sind", beobachtet sie. Sprache, Beschilderung und Werbung richten sich oft ausschließlich an ein deutsches Publikum. Das führe zu Missverständnissen und das auch dort, wo Interesse vorhanden wäre. "Ich habe es mehrfach erlebt, dass mallorquinische Bekannte sich für ein Geschäft oder eine Dienstleistung interessiert haben, es aber nicht in Anspruch genommen haben, weil sie dachten, es sei nur für Deutsche. Als ich ihnen erklärte, dass auch die Einheimischen dort willkommen sind, testeten sie den Service oder das Angebot und wurden nicht selten zu Stammkunden."
Solche Missverständnisse sind für Feigl keine Ausnahme, sondern typisch für das Leben zwischen den Kulturen. Eine Anekdote, die sie von früheren Kursteilnehmern erzählt bekam, bringt das auf den Punkt: An einem heißen Sommertag stand ein Auto mitten auf der Straße. Der Fahrer wirkte sichtlich nervös und versuchte vergeblich, den verklemmten Kofferraum zu öffnen. Er winkte die deutschen Beobachter heran, zeigte auf das Heck des Fahrzeugs und rief: "Mi gato está en la maletera." Die Touristen waren entsetzt – sie glaubten, eine Katze sei im Kofferraum eingeschlossen. In dem Versuch, das Tier zu retten, hatten sie sich panisch an dem Wagen zu schaffen gemacht. Erst als der Spanier sie um das Auto herumführte und auf einen platten Reifen zeigte, wurde das Missverständnis klar. Mit "gato" hatte er nicht ein Tier gemeint, sondern einen Wagenheber.
Für Feigl ist die Geschichte ein Paradebeispiel dafür, wie schnell aus kleinen sprachlichen Lücken große Missverständnisse werden können – und wie wichtig es ist, sich sprachlich aufeinander einzulassen. Wer nicht spricht, macht zwar keine Fehler, aber auch keine Erfahrungen. Erst im Versuch zu sprechen beginnt das Verstehen – auf beiden Seiten.