Sie sind in aller Munde, die Ausländer auf Mallorca. Lange wurden Nicht-Spanier nur als reiche deutsche Finca-Käufer wahrgenommen. Dann buddelten ganz viele Schwarze Palmas Straßen auf. Und jetzt hat die mallorquinische Politik das Thema Einwanderung aufgegriffen.
Hochrangige Sozialpolitiker sprachen beim Residentenkongress des Vereins ,,Circulo Europa Baleares” am vergangenen Wochenende. Inselrats-Sozialministerin Josefina Sintes kündigte eine Offensive an, um die Integrationschancen der Ausländer auf den Balearen zu verbessern.
Am Mittwoch zog auch der balearische Vize-Präsident und Wirtschaftsminister Pere Sampol (PSM) nach: Das ihm unterstehende balearische Statistik-Institut veröffentlichte eine umfangreiche Studie über die demografische Entwicklung der ausländischen Wohnbevölkerung auf den Balearen zwischen 1962 und 1998.
Aber die Daten, die Silvia Carretero, Leiterin der Demografie-Abteilung, zusammengetragen hat, sind schon veraltet, wie Sampol einräumte.
Offiziell waren 1998 genau 38.260 Ausländer auf den Inseln gemeldet, sei es als Residenten oder als ,,Empadronados” in den Melderegistern der Gemeinden. Das entprach damals einem Ausländeranteil von 4'8 Prozent, mit weitem Abstand Rekord der spanischen Autonomen Regionen. Während die Gesamtbevölkerung der Inseln von 1991 bis 1997 nur um zwölf Prozent zunahm, stieg die Zahl der Nicht-Spanier um 126 Prozent.
Laut Sampol und seinem für Wirtschaft zuständigen Generaldirektor Antoni Montserrat ist die Zahl der Ausländer aber seitdem noch einmal spektakulär gestiegen. Ein Befund, den auch der wichtigste Einwanderungsexperte der Balearen, der Geografieprofessor Pere Salvà teilt. Der Forscher geht von 120.000 Ausländern auf den Inseln aus, beeinhaltet in seinen Berechnungen jedoch im Gegensatz zu den Behörden auch die nicht legal gemeldeten Ausländer.
Wie stark allerdings die Zahl auch der offiziell registrierten Nicht-Spanier gestiegenen ist, das konnten auch die Spitzenpolitiker nicht genau sagen. Hätte man das bisherige Wachstum mathematisch fortgeschrieben, wäre man 2001 bei 45.132 Ausländern angekommen, 2005 wären es 56.000, erläuterte Montserrat. Die Realität sei aber eine andere: 2001 würde man schon bei 60.000 legal gemeldeten Ausländern liegen. So steht es zumindest in den Unterlagen, die die Journalisten am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie ausgehändigt bekamen.
Aber auch die 60.000 seien zu niedrig gegriffen, sagte Sampol: Kurzfristige Meldungen einiger wichtiger Gemeinden hätten dazu geführt, die Schätzung weiter nach oben zu korrigieren, sagte der Links-Nationalist: Seine Regierung gehe jetzt für 2001 von 80.000 legalen Ausländern auf den Balearen aus, das entspräche rund neun Prozent der Bevölkerung. Zur Begründung für diese Annahme sagte Sampol, viele bereits hier lebende Nicht-Spanier hätten ihreSituation legalisieren lassen. Diese Möglichkeit hat ihnen im Sommer eine Reform des spanischen Ausländergesetzes eingeräumt.
In der Vertretung der Madrider Zentralregierung, der die Ausländerbehörde untersteht, sorgte die Zahl von 80.000 Ausländern jedoch für Verwunderung. ,,Wir wissen nicht, wie die darauf kommen”, hieß es auf MM-Anfrage. In der ,,Oficina de Extranjeros” seien im September 2000 genau 35.895 ausländische Residenten registriert gewesen, sagte eine Sprecherin. 4200 zuvor illegal hier lebende Ausländer seien im Laufe des Sommers legalisiert worden.
So bleibt der Verdacht, dass Sampol die hoch geschätzte Ausländerzahl als Waffe im politischen Gefecht nutzen will, um die Tourismus- und Baupolitik der links-nationalistischen Koalition zu rechtfertigen. ,,Die Regierung meint, dass die Balearen mehr Immigranten nicht verkraften”, fasste der ,,Diaro de Mallorca” die bei vielen Mallorquinern durchaus populäre Aussage in einer Schlagzeile zusammen.
Das bisherige Wirtschaftswachstum sei nicht länger verkraftbar, so lautete die subtilere Botschaft Sampols. Und der Boom habe eben auch viele Arbeitsimmigranten aus Marokko und den Ländern südlich der Sahara angezogen. Die Wirtschaft der Inseln sei jedoch ein ,,Koloss auf tönernen Füßen”. Wenn die Wachstumsraten sich abschwächten, werde auch der Einwanderungsdruck nachlassen. Die Inseln verlassen müssten die Afrikaner jedoch nicht: In Zeiten sich abschwächender Baukonjunktur könnten ausländische Bauarbeiter in die Landwirtschaft oder die Industrie wechseln, sagte der Wirtschaftsminister.
Und auch die andere Immigranten-Gruppe werde nicht wie bisher wachsen: Der Zuzug von Europäern werde durch die restriktive Baupolitik auf dem Archipel beschnitten.