Wo Politik oder Fußball nicht diskutiert werden, wo Weltanschauung, Religion oder Ideologie keine Rolle spielen, wo man sich einig sein, in Harmonie zusammenleben könnte, da trennt eine kleine, weiße Zehe die Menschheit in zwei Hälften.
Während die einen den Besuch in einen Fischrestaurant davon abhängig machen, ob es dort Aioli, jene knoblauchgetränkte Mayonnaise gibt, meiden die anderen Kneipen, in denen sie nur vermuten, dass der Koch jene kleine Zehe zur Anwendung bringen könnte.
Während die einen durch langjährige Kennerschaft zwischen den kleinen, harten Knollen aus der Provence und den größeren spanischen unterscheiden können, während es eingefleischte Fans gibt, die auf dem Balkon statt Petunien oder Geranien Knoblauchzwiebeln in Kästen versenkt haben, weil nichts über frischen Knoblauch geht, sind andere kaum bereit anzuerkennen, dass die Knolle neben dem kulinarischen auch gesundheitlichen Wert hat.
Sonst liebevoll einander zugewandte Ehepartner verweigern den morgendlichen Kuss und brechen Streit vom Zaun, noch schlaftrunkene Bürger werfen im Autobus böse Blicke um sich, nur um denjenigen herauszufinden, der am Abend zuvor seiner Knoblauchleidenschaft gefrönt hat. Kürzlich ging ich mit deutschen Freunden essen. Zunächst wurde das Thema Knoblauch tot geschwiegen. Dann sprach sich die Mehrzahl dagegen aus.
Ich versprach, dass kein Knoblauch verwendete würde und informierte den Kellner. Der zwinkerte mir vielsagend zu. Man servierte, meine Freunde lobten die Gerichte, man aß mit großen Vergnügen. Auch Bernhard, der ein unversöhnlicher Knoblauchgegner ist. Zum Schluss wollte er auch von meiner Sauce probieren: „Weißt du, mich interessieren immer die Gerichte, die ich nicht kenne.”
Er war begeistert. Gott sei Dank, er hatte den satten Knoblauch-Geschmack nicht bemerkt. Dass er nie wissen wird, warum es ihm so gut schmeckte, ist schade. Aber bitte: Manche Leute pflegen eben ihre Vorurteile.