Erstmal bin ich grundsätzlich da, wo mein Herz schlägt. Zweitens als Schauspieler da, wo ich arbeite.” Martin Semmelrogges Herz schlägt schon lange für Mallorca. Immer wieder mietet er sich zwischen Dreharbeiten gemeinsam mit seiner Frau Sonja bei einem Freund eine Wohnung in Port d'Andratx. „Meine private Zeit verbringe ich mehr hier als in Deutschland. Ich finde das südländische Flair schön, das Wetter ist toll, und du kannst von jedem Kaff herfliegen.”
In den nächsten Wochen wird man Semmelrogge seltener auf Mallorca treffen. Weihnachten will er zwar hier mit seiner Familie feiern, bis dahin geht er auf Lese-Tournee. Gemeinsam mit Rapper Smudo von den „Fantastischen Vier” und dem Sozialwissenschaftler und Drogenexperten Günter Amendt hat er den Roman „Angst und Schrecken in Las Vegas” von Hunter S. Thompson als Audio-Buch produziert. Live präsentieren die drei ihr Werk nun in 13 Städten, Start ist am Samstag, 1. Dezember, in Bremen.
Schwerpunkt bleibt bei Semmelrogge aber die Schauspielerei. Man kennt den gebürtigen Württemberger und Wahl-Berliner, der am 8. Dezember seinen 46. Geburtstag feiert, aus vielen einprägsamen Rollen. Schon als 16-Jähriger wirkte der Sohn des Schauspielers Willy Semmelrogge in der ZDF-Serie „Der Kommissar” mit, 1975 fiel er in der Reihe „Tadellöser und Wolf” auf, dann war er '81 Wachoffizier in „Das Boot”. Viele weitere Rollen folgten in Laufe der Jahre, oft gab und gibt Semmelrogge Gauner, durchgeknallte Typen oder kaputte Charaktere. „Ich will Qualitätsfilme machen, auch eigene Projekte verwirklichen. Gottseidank krieg' ich kaum Mist angeboten”, erzählt Semmelrogge im MM-Gespräch.
Eine konkrete Wunschrolle hat er nicht. „Was heißt Wunschrolle? Man kann sich die Rollen schon aussuchen. Wenn man will, dann geht man halt ans Theater. Naja, den Mephisto würde ich gerne mal spielen. Und einen Detektiv, so Columbo-mäßig. Eine Mischung aus Columbo und James Bond. Aber ich will einfach authentische Filme machen. In jeder Rolle ist etwas drin. Es kommt auf dich selber an, was du daraus machst.”
Inzwischen setzt auch Martins Sohn Dustin Semmelrogge die schauspielerische Familientradition fort. Der 21-Jährige hatte schon einige TV-Rollen und ist seit Montag in der RTL-Daily-Soap „Unter uns” zu sehen. Hat der Vater Türen geöffnet? „Nee, das hat er alles selber gemacht. Von 1997 bis '99 wohnte er bei mir in Berlin und hat vieles von mir abgespickt. Da hat er gemerkt, dass er immer im Schatten vom Opa und von mir steht. Er hat auch lange überlegt, ob er das bei ,Unter uns' machen soll. Aber ich hab gesagt: Mach das! Erstens ist es eine tolle Rolle, Dustin spielt einen reichen Schnösel, so'n bisschen ein Gangstertyp, außerdem ist das eine tolle Truppe. Und er muss halt irrsinnig viel Text lernen.” Semmelrogge ist stolz auf seinen Sprössling: „Dustin hat eine Riesen-Entwicklung gemacht und sich frei gestrampelt. Anders geht es ja auch nicht.”
Den 46. Geburtstag verbringt Martin Semmelrogge auf Lese-Tournee, groß gefeiert wird nicht. Das wird wohl erst beim 50. anders sein. „Ich feier eigentlich jeden Tag, wenn's geht. Ich denke auch nicht, was gestern war oder was morgen ist. Wichtig ist, was heute ist. Wenn ich heute nicht gut lebe, was nützen mir die besten Verträge morgen?”, philosophiert Semmelrogge, dessen Leben ein einziges Auf und Ab war. Wegen Drogengeschichten, Verkehrsdelikten und Diebstahls saß er in den Achtzigern zwei Jahre im Knast, geriet auch später immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Nicht zuletzt wegen Trunkenheit am Steuer. Doch damit ist jetzt Schluss. Semmelrogge ist trocken, engagiert sich für Suchthilfe.
„Im Mai werden es drei Jahre.” Drei Jahre ohne Alkohol – und auch keine anderen Drogen? „Nein, das geht nicht. Das kann man nicht machen, das ist Sucht-Verdrängung. Du kannst nicht sagen „Jetzt fang' ich an zu fixen, weil ich nicht mehr saufe' oder „Ich kokse oder nehme Extasy'.”
Martin Semmelrogge scheint vom Alkohol losgekommen zu sein. Er weiß aber, dass das Erfolgsgefühl auch trügerisch sein kann: „Man muss sich selber gegenüber immer ein gesundes Misstrauen haben, immer aufpassen. Man kann nicht einfach sagen, ,Ich hab's geschafft, sondern muss bewusst leben.”