Es war eine merkwürdig ereignislose ITB. Auf der Internationalen Tourismusbörse, die am Mittwoch in Berlin zu Ende ging, gab es keine heißen Neuigkeiten, gute Gerüchte waren Mangelware. So mauserte sich die Ökosteuer auf den Balearen zum Hauptthema, immer wieder wurde die Frage gestellt: Wird sie verschoben, oder wird sie nicht verschoben?
Noch vor dem Beginn der weltgrößten Reisemesse wurde die Meldung lanciert, dass Francesc Antich, der balearische Ministerpräsident, bei seinem Besuch in Berlin die Entscheidung bekanntgeben würde, die "Steuer auf Übernachtungen in touristischen Beherbergungsbetrieben" erst ab 1. November zu kassieren. Damit wurden hohe Erwartungen geweckt, die sich jedoch bis Donnerstag nicht erfüllten.
Immerhin war die ITB der Auftakt zu einer neuen Runde von Verhandlungen des Regionalpräsidenten mit Vertretern der Touristikwirtschaft. Am Montag setzte er sich mit Martin Brackenbury, dem Präsidenten des internationalen Reiseveranstalterverbandes IFTO zusammen. Außerdem führte Antich Gespräche mit dem deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalterverband DRV, vertreten durch den Vorsitzenden des Ausschusses für Auslandstourismus, Günter Ihlau.
Dabei konnte man dem Politiker wohl klarmachen, welche Probleme es Reiseveranstaltern und Hoteliers bereitet, die Taxe mitten in der laufenden Saison einzuführen. Schließlich liegen die Reisekataloge längst in den Agenturen, viele Urlaube sind bereits gebucht. Auf der anderen Seite hat Antich seine Position verdeutlicht, sich nicht vom Widerstand der Branche von der Taxe abhalten zu lassen.
Um dem Super-GAU mit zeternden Urlaubern, die sich weigern, die Ökosteuer an der Rezeption zu zahlen, und weiter sinkenden Buchungszahlen zu vermeiden, zeigten sich Politik und Wirtschaft kompromissbereit. Antich hat in einem Schreiben an Reiseveranstalter seine Bereitschaft signalisiert, auf die geplante Einführung der Ecotasa zum 1. Mai zu verzichten. Als "Gegenleistung" für das Verschieben auf 1. November will er von den Touroperators die Garantie, dass die Steuer mit dem Beginn der Wintersaison im Pauschalpreis eingeschlossen wird. Viel Zeit bleibt dafür nicht, denn die Veranstalter verhandeln bereits Preise mit den Hoteliers, die Verträge stehen kurz vor der Unterzeichnung.
Bis Mittwoch wurde praktisch stündlich damit gerechnet, dass die Taxe bis November verschoben wird. Doch dann wurden die Verhandlungen ergebnislos vertagt. Damit steht nach wie vor der 1. Mai als Einführungsdatum. Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband DRV erklärte dazu, dass mangels Durchführungsverordnung die Steuer nicht als Geldquelle, sondern vielmehr als fortgesetztes Image-Probelm für die Balearen zu sehen ist.
Zur Begründung des vorläufigen Scheiterns meinte der DRV, dass kein IFTO-Land dem Balearen-Vorschlag zugestimmt habe. "Abgesehen von der Tatsache, dass Rücksprache mit den Mitgliedern dafür erforderlich gewesen wäre, war insbesondere ausschlaggebend, dass der Vorschlag auf eine Unterstützung der Ecotasa hinausgelaufen wäre. Zudem wäre eine solche Übereinkunft untragbar, da sonst jedes Zielgebiet mit Steuer-Androhungen Werbekosten-Zuschüsse erpressen könnte." Tourismusminister Alomar beteuert, dass weiterverhandelt wird, aber noch gibt es keinen neuen Gesprächstermin.
Reichlich Gespräche gibt es zwischen Reiseveranstaltern und Partnerhoteliers. Auf der ITB haben sie vor allem Preise für die Sommersaison '02 nachverhandelt, um dem drastischen Buchungsminus entgegenwirken zu können. Preussag-Vorstand Ralf Corsten (World of TUI) gab zu, dass es Abschläge zwischen zehn und 20 Prozent gäbe. Das Geld will der hannoveraner Reiseriese für verstärkte Werbung ausgeben. Rabatte für Kunden soll es nur als letzten Ausweg geben, also im Last-Minute-Geschäft. Schließlich will man die Preise nicht verderben.
Eine große Sorge der mallorquinischen Touristiker hat sich hingegen nicht bewahrheitet. Noch haben Reiseveranstalter und Charter-Airlines keine größeren Kapazitäten aus dem Markt genommen. Bei der TUI will man alles versuchen, das Programm wie geplant durchzuführen. Dietmar Kastner, Chef der Rewe-Touristik (ITS, Jahn-Reisen, Tjaereborg) weist allerdings darauf hin, dass man ständig die Reservierungen überprüfe und jeweils sechs Wochen im Voraus nötigenfalls Kapazitäten aus dem Markt nehmen würde. Detlef Altmann, Geschäftsführer von Thomas Cook Deutschland (Neckermann-Reisen), geht jedoch davon aus, dass sowohl Flüge gestrichen als auch reservierte Hotelbetten zurückgegeben werden. Fraglich ist, in welchem Umfang. Alltours-Chef Willi Verhuven bestätigt, auf den Balearen bereits "mindestens 10.000 Plätze" aus dem Markt genommen zu haben.
Die Buchungszahlen für die Balearischen Inseln liegen gegenwärtig deutlich zweistellig hinter denen von 2001. Immerhin: Die täglichen Buchungseingänge sind wieder leicht positiv, wie Thomas-Cook Bereichsvorstand Lothar Buss berichtet.
Bei Alltours habe man sogar fast den Vorjahresstand erreicht, wie Besitzer Verhuven versichert. Er hat zur ITB einen neuen Katalog vorgestellt, der sich besonders an Familien mit Kindern wendet. Die Kleinen fahren bei Alltours bei zwei Vollzahlern schon ab 79 Euro in den Mallorca-Urlaub. Denn es ist gerade das Familiensegment, das besonders schlecht läuft. Sybille Jeschonek, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Alltours, führt das darauf zurück, dass die Balearen nach den ständigen Preiserhöhungen der vergangenen Jahre für Familien mit normalen Einkommen schlicht nicht mehr erschwinglich sind. Sie fordert deswegen ein grundsätzliches Überdenken der Preispolitik der balearischen Hoteliers. TUI-Geschäftsführer Volker Böttcher sekundiert, Mallorca sei sehr teuer geworden, das Preis-Leistungsverhältnis aus dem Lot geraten. Deswegen müsste man jetzt die Leistung wieder verbessern.
Seine Botschaft war unter dem Strich positiv: „Der Reisemarkt wird in diesem Jahr noch anspringen, aber wir müssen um jeden Kunden kämpfen”, speziell auf den Balearischen Inseln. Lothar Buss findet sowieso, dass „Mallorca nicht totzukriegen ist, dazu ist die Insel viel zu schön, bietet viel zu viele Vorteile”. Allerdings, so Böttcher, müssten diese Vorteile jetzt wieder „rübergebracht” werden. Sehr aktiv wolle man besonders um Familien werben.
Auch, weil er von Preussag-Vorstand Corsten dazu aufgefordert wurde, betonte Ministerpräsident Antich ausdrücklich vor deutschen Journalisten, dass Urlauber aus Alemania besonders willkommen seien. Der Eindruck, dass das nicht so sei, entspräche nicht der Realität. Tourismusminister Celestí Alomar versprach verstärkte Bemühungen im Bereich Werbung noch in diesem Jahr.
Da das Vertrauen in die Marketing-Bemühungen von Seiten der Regierung nicht besonders groß ist, bot Miquel Vicens, Präsident des mallorquinischen Fremdenverkehrsvereins Fomento de Turismo, den Veranstaltern Zusammenarbeit an. „Die mallorquinische Wirtschaft ist bereit, in Werbung zu investieren, eine Art privates Ibatur zu gründen.”
Alle Beteiligten sind sich jedoch einig, dass alle Werbebemühungen umsonst sind, wenn Mallorca und die Balearen nicht aus den Negativ-Schlagzeilen herauskommen. Ein wichtiger, erster Schritt ist eine schnelle Einigung in Sachen Ökosteuer. Der zweite Schritt ihre möglichst geräuschlose Abwicklung. Dann kommt die Aufgabe, positive Nachrichten zu verbreiten.