Fliegender Wechsel: Nach einer reichhaltigen Urlaubswoche auf Mallorca sind die ersten 150 „Flutkinder” aus Ostdeutschland am Donnerstag wieder nach Hause verabschiedet worden. Kurz danach traf auf Palmas Flughafen Son Sant Joan die zweite Gruppe der jungen Elbe-Hochwasseropfer ein, die von der Balearen-Regierung zu einem einwöchigen Erholungstripp eingeladen worden ist. Mit einer dritten Gruppe, die am kommenden Donnerstag (17. Oktober) anreist, werden somit insgesamt 450 Kinder sowie rund 50 erwachsene Betreuer jeweils eine Woche kostenlos Urlaub auf der Sonneninsel verbracht haben.
Die solidarische Hilfsaktion war unter dem Eindruck der Jahrhundertflut in Sachsen und Sachsen-Anhalt von den Balearen-Politikern sowie den mallorquinischen Hoteliers und anderen Tourismusunternehmen ins Leben gerufen worden. Die am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Kinder sollten dadurch Abstand zu den traumatischen Ereignissen in ihrer Heimat gewinnen. Aus organisatorischen Gründen war die Aktion schließlich auf die Zeit der Herbstferien in den beiden Bundesländern verschoben worden.
Nach dem Besuch der ersten Gruppe gratulierte die Balearenregierung allen Unternehmen und Institutionen, die die Einladung der Kinder ermöglicht hatten, zum Erfolg der Aktion: Vertreter der Landesregierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten dem Koordinator der Reise mündlich ihren Dank ausgesprochen. Die Initiative sei bei der Öffentlichkeit in ganz Deutschland außerordentlich gut angekommen.
Ein dichtes Programm ermöglichte den acht bis 14 Jahre alten Schülerinnen und Schülern, die schönsten Seiten der Insel kennenzulernen, ohne auf altersgerechte Attraktionen verzichten zu müssen. Höhepunkte waren unter anderem die Delphin-Show im Meeres-Freizeitpark Marineland in Puerto Portals oder der Streichelzoo im Natura-Park bei Santa Eugènia sowie eine Stadtbesichtigung in Palma mit Kathedrale, Schloss Bellver und Pueblo Español.
Die zweite Gruppe, die am Donnerstagnachmittag auf Mallorca begrüßt wurde, bekommt ein ähnliches Freizeitprogramm geboten. Sie ist in Hotels an der Playa de Muro untergebracht.
Eines ist sicher: Den Spaß am Wasser hat die Flutkatastrophe den Kindern nicht nehmen können. Ausgelassen tobten Eva, Mandy, Ricky, Steffen, Torsten, Nicole und wie sie alle heißen durch die Sprühfontänen des Western-Waterparks bei Magaluf, flitzten über die Wasserrutschen, tauchten ein ins türkisfarbene Nass. Für die Kinder und Jugendlichen war das Gelände im Wildwest–Stil mit seinen riesigen Röhrenrutschen, Wildwasserschluchten und sprudelnden Erlebnisschwimmbecken bei fast hochsommerlichen Temperaturen geradezu ein Eldorado.
Für die meisten Kinder hatte der Urlaub auf Mallorca nicht nur die erste Reise ins Ausland bedeutet, sondern auch den ersten Flug ihres Lebens dargestellt. Als sie vor über einer Woche nach dem Start in Dresden auch die Landung in Palma überstanden hatten, kannte die Euphorie der jungen Menschen kaum Grenzen. „Die vielen leuchtenden Kinderaugen, das war schon ein Erlebnis”, erinnert sich eine Mitarbeiterin der balearischen Tourismusbehörde Ibatur, die einen Teil der Organisation übernommen hatte.
Nach der Ankunft in Palma war die erste Gruppe vom Ministerpäsidenten des Archipels, Francesc Antich, begrüßt worden. Den Koordinator der Aktion, den Vertreter der Balearen in Berlin, Josep Moll Marquès, ließ er dolmetschen: „Herzlich willkommen! Wir wollen euch und euren Familien unseren Beistand und unsere Solidarität zeigen, weil wir wissen, dass ihr schwierige Zeiten hinter euch habt.”
Der Sprecher der Gruppe, Manfred Fechner vom Regionalschulamt Dresden, zeigte sich von der Aufnahme der Schüler und ihrer mitgereisten Betreuer – auf zehn Schüler kommt ein Erwachsener – überwältigt. „Das war ein grandioser Empfang. Ich kam mir vor, als ob ich eine Fußball–WM gewonnen hätte”.
Von gleichaltrigen mallorquinischen Schulkindern bekamen die deutschen Kinder Tüten mit Geschenken und Infobroschüren über die Insel überreicht. Dann ging es mit drei Bussen in die Hotels nach Cala Millor.
„Das beste waren die Zimmer. Die waren total toll, wie eine richtige Suite mit Aussicht auf das Meer”, schwärmte eine Schülerin, „und dann natürlich der Pool. Den werde ich vermissen.”
Auch Manfred Fechner konnte es nach der Ankunft kaum fassen. „Ich hatte zunächst gedacht, wir werden in einer Herberge untergebracht, die leergeblieben war. Aber dann verteilte man uns alle auf Vier–Sterne–Hotels”. Wo die Gruppe auch hinkam, sie wurde nach seinen Worten mit ausgesuchter Zuvorkommenheit behandelt. „Ich habe mich dabei jedesmal gefragt, ob wir das in Deutschland auch so gemacht hätten.”
Auch die übrigen Betreuer wie etwa die Sekretärin der Helene–Lange–Schule in Bitterfeld, Kathrin Bunge, sind voll des Lobes und der Anerkennung. „Die Woche hier auf Mallorca war ganz toll”, schwärmte sie kurz vor der Abreise. „Jeden Tag standen tolle Ausflugsziele auf dem Programm. Die Kinder konnten auch im Meer baden. Das war ganz wichtig für sie.”
Sie empfand die Menschen im Hotel als herzlich und hilfsbereit. Die Kinder wurden wie zahlende Gäste behandelt. Das fand ich sehr schön.” Überhaupt sei die Gastfreundschaft der Mallorquiner beeindruckend gewesen.
Die Lehrerin Petra Kreller, ebenfalls aus Bitterfeld, ist vom Angebot der Balearen–Regierung tief beeindruckt. „Ich habe mir sagen lassen, dass Mallorca als beliebtes Reiseziel preislich nicht gerade günstig ist. Viele der Kinder hätten ohne die Einladung fast nie die Möglichkeit gehabt, einmal mit ihren Eltern hierherzufahren.”
Die Schule, an der Kreller unterrichtet, hatte erst eine Woche vor dem Reisetermin von der Hilfsaktion erfahren. „Wir hatten Zweifel, ob wir angesichts der kurzen Frist noch unsere Teilnahme organisieren können.” Die Klassensprecherin rief die Eltern ihrer 20 Siebtklässler an, und nach deren Einwilligung wurden die Kinder informiert. „Die Freude war riesengroß. Von da an war an Unterricht kaum noch zu denken.”
So gab es in Krellers Klasse viele Kinder, die Säcke mit Sand gefüllt hatten, bis das Wasser kam und die Wohnungen überflutete. Im Falle von Ricky drang die Flut sogar in die erste Etage seines Elternhauses ein. „Da war alles nass, und alles kaputt”, sagte der junge Bitterfelder.
Nach den Worten von Kathrin Bunge kehren die Schüler jetzt wieder in ihre Wohnungen zurück: „Es wurde schon viel aufgeräumt, aber es bleibt noch einiges zu tun.”
Dass es dabei bei der Hilfsaktion-Premiere mitunter zu organisatorischen Missverständnissen kam – (so hatten etwa im Western-Wasserpark nicht alle ihre Badehosen dabei; aber die Unterhose tat es dann auch) – war für den Delegationsleiter Fechner kein Problem. „Das hätte bei uns genauso passieren können.”
Für den Schulsportreferendar aus Dresden war es wichtig, dass die Kinder nicht nur Badespaß hatten, sondern auch etwas über Land und Leute lernten sowie Erfahrungen in Sachen Weltoffenheit, Toleranz und Solidarität sammelten. „Hier haben sie das hautnah erleben können.”