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SPRACHPOLITIK

„Die geheime Eintrittskarte”

Catalán/Mallorquín als Mittel zur Integration / Von drei Vierteln der Bevölkerung gesprochen / Breites Lernangebot

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Wer im Kramladen von Cati in Palmas Altstadt einkauft, bekommt seine Katalanisch-Lektionen gleich mit auf den Weg. Schnell ist gelernt, dass „grossa” groß und „petita” klein bedeutet, wenn es um die Wasserflaschen geht, „res més?” „Darf es sonst noch etwas sein?” bedeutet, und „adéu” die katalanische Abschiedsform des spanischen „adiós” ist.

Was bei Cati in ihrer freundlichen Art über die Inselsprache spontan vermittelt wird, will die Balearen-Regierung, ihrer politischen Zielvorgabe folgend, gezielt verstärken. In Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft zur Förderung der katalanischen Sprache (Consorci per al Foment de la llengua catalana) organisiert das balearische Kultusministerium bereits im dritten Jahr Catalán-Kurse für Ausländer.

Geboten werden allein auf Mallorca elf Kurse, in denen fremdsprachigen Residenten Grundkenntnisse des Inselidioms vermittelt werden. Der Unterricht beginnt in Palma, Calvià, Llucmajor, Sa Pobla, Felanitx und Artà an diesem Montag (21. Oktober) und dauert bis Mitte Februar. (Obgleich die Anmeldefrist überschritten ist, können Interessenten noch freigebliebene Plätze erfragen (bei Bàrbara Torres Serra, Telefon 971-177391. Der Kurs kostet 30 Euro.)

Für viele deutschprachige Residenten, die zumindest über Kenntnisse in Spanisch-Castellano verfügen, stellt es häufig eine große Überwindung dar, zusätzlich Catalán zu erlernen – schließlich kommt man auf der Insel mit Spaniens erster Amtssprache völlig problemlos durch. Nicht wenige befürchten, ihr zum Teil mühsam angeeignetes Castellano mit dem neuen Catalán hoffnunglos durcheinanderzuwerfen. Je nach sprachlicher Vorbildung, persönlicher Lernfähigkeit und individuellem Sprachgefühl gestaltet sich der Prozess in der Tat mal leichter, mal schwerer.

Wem Fremdsprachen zufliegen, der jongliert bald gewandt mit „Buenos días” und „Bon dia”, mit „me voy” und „me'n vaig” (ich gehe) über die Insel. Andere, die mittlerweile Catalán fließend beherrschen, räumen ein, dass die Sprachverwechslung am Anfang mitunter frustrierte.

Hinzu kommt, dass wer Catalán im Kurs lernt, sich vor allem die aus dem Raum Barcelona stammende Schriftsprache aneignet. Diese weist – je nach Definition und politischem Standpunkt – kaum bis deutliche Unterschiede zum Insel-Catalán „Mallorquín” auf, das philologisch zumindest als Dialekt des barcelonesischen Schrift-Catalán gilt. Wie groß die Unterschiede sind, darüber sind viele Ansichten zu hören.

Ulfert Engels, vereidigter Dolmetscher und einer der wenigen deutschen Residenten, der beide Catalán-Varianten perfekt beherrscht, beschreibt den Unterschied mit dem Vergleich zwischen bayerischer Umgangssprache und Schriftdeutsch. Anders sieht das Matthias Sohn, studierter Romanist mit Schwerpunkt Katalanistik. Nach Abschluss seiner Ausbildung an der Universität Tübingen zog der Sprachwissenschaftler vor 20 Jahren nach Pollença. Auch er bemüht den obigen Vergleich, setzt aber andere Akzente: Für Sohn kennzeichnet das Verhältnis Bayerisch-Hochdeutsch in etwa die Unterschiede zwischen Catalán und Castellano.

Mit den beiden Catalán-Varianten tun sich mitunter selbst Mallorquiner schwer. Viele, die vor allem den Insel-Dialekt sprechen, bewältigen zwar das Umdenken in die katalanische Schriftsprache, können sie aber nicht so gut schreiben wie Spanisch, das während der Franco-Diktatur alleinige Unterrichtssprache war.

Manche Inselbewohner sehen ausschließlich im Catalán den Ausdruck ihrer Identität. Andererseits lehnt eine Minderheit unter den Mallorquinern wiederum das Schriftsprachen-Catalán ab, da es – so deren Befürchtung – das ursprüngliche Mallorquín verändert.

Auf Mallorquín heißt es beispielsweise „sa platja” für „der Strand”, auf Catalán dagegen „la platja”. Sprachwissenschaftler brillieren damit, dass der katalanische Artikel sich vom Lateinischen ille, illa, illud herleitet (deutsch: jener, jene, jenes), der mallorquinische dagegen vom Lateinischen ipse, ipsa, ipsum (deutsch: er, sie, es selbst).

„Ich weiß, es gab immer endlose Diskussionen: Was ist Mallroquín? Was ist Catalán?”, erinnert sich die Hamburger Künstlerin Eyle, die nach fünf Jahren Spracherwerb nun fließend Mallorquín spricht – inklusive der eigenen Sóller-Sprachfärbung. Wie jeder Ausländer, der Catalán beherrscht, empfiehlt auch sie den deutschen Residenten, das Angebot der Sprachkurse wahrzunehmen. Nicht nur als Zeichen des Interesses und des Respekts gegenüber der Kultur der Insel. „Es ist wie das Überwinden von unsichtbaren Barrieren. Hat man es geschafft, Mallorquín zu sprechen, dann ist das wie die geheime Eintrittskarte überallhin.”

Die Wege zum Sprache Erlernen können dabei stark variieren. Die in Deià lebende deutsche Schauspielerin Maria Roxane studierte eines ihrer Theaterstücke auf Mallorquín ein. „Eine Freundin sprach den Text auf Kassette, ich hörte ihn mir so ungefähr 5000 Mal an, und danach traute ich mich, es auch einfach auf der Straße zu sprechen.” Der Rest kam über den Sprachaustausch.

In den vergangenen drei Jahren ist das Angebot an Kursen enorm gestiegen. Neben der Balearen-Regierung bieten Rathäuser und die kommunalen Bildungseinrichtungen für Erwachsene (Centres d'Educació de Persones Adultes / CEPA) Kurse an.

Der mallorquinische Inselrat wiederum hat in Palma zwei Zentren zum Selbsterlernen von Catalán eingerichtet. Diese „Centres d'Autoaprenentatge” gestatten Schülern, ihre Lernzeiten ganz individuell zu gestalten. Ein umfangreiches Übungsmaterial, Computer und Sprachkassetten sowie Tische und Stühle stehen bereit. Für Deutschsprachige sind spezielle Lernbroschüren vorhanden. Zwei Lehrkräfte helfen bei Fragen und korrigieren die schriftlichen Lektionen.

Seit der Gründung des Zentrums Paraula in der Nähe des Bahnhofs vor vier Jahren haben sich dort 1200 Sprachschüler eingeschrieben, darunter 14 Deutsche (Carrer de Julià Àlvarez 7; Kosten: 13 Euro für vier Monate; Telefon: 971-761301). „Viele kommen, weil sie Catalán an ihrer Arbeitsstelle benötigen”, sagt die Zentrumsleiterin Maria Antònia Company. „Andere wiederum, weil sie Kinder haben, die Catalán in der Schule lernen.”

Neben den Zentren gibt es eine Reihe Lernprogramme per Computer zu Hause oder im Internet. Manches davon richtet sich speziell an deutsche Muttersprachler. Eine Übersicht der Kurse und Lernprogramme bietet die Balearen-Regierung im Internet unter „http://dgpoling.caib.es”, anzuklicken unter „Recursos per aprendre català”.

Mit dem neuen Kursangebot werden maximal 220 Ausländer zusätzlich in die katalanische Sprache hineinschnuppern. Seitdem das Consorci im Jahre 2000 mit sieben Ausländer-Kursen mit vier Monaten Dauer sowie diversen Intensiv-Angeboten (Dauer: zwei Wochen) startete, haben 710 Zuwanderer Grundkenntnisse der „Llengua Catalana” erworben. Davon 60 Prozent Deutsche.

Den zweitgrößten Anteil von 17 Prozent stellten Lateinamerikaner. Verteilten sich im ersten Jahr noch 93 Adepten auf die sieben Kurse, erhöhte sich das Lehrangebot stetig auf 27. Die Teilnehmerzahl stieg von 160 auf in diesem Jahr bislang 350. Das Interesse an, beziehungsweise die Notwendigkeit nach Angeboten dieser Art, hat demnach zugenommen.

Auch außerhalb der Sprachkurse für Ausländer ist das Catalán nach Erhebungen der Balearen-Regierung auf dem Vormarsch. Wie aus dem Informationsorgan der Generaldirektion für Sprachpolitik (Direcció General de Política Lingüística) hervorgeht, stieg der Anteil der Bevölkerung, der auf den Insel Katalanisch sprechen kann, seit 1998 um fünf Punkte auf 76'6 Prozent. Von denen, die auf dem Archipel geboren sind, beherrschten sogar 95'9 Prozent das Idiom.

Die Verfechter der „sprachlichen Normalisierung” – also der Rückbsinnung auf das Katalanische werten den Zuwachs als hoffnungsvolles Signal. Denn die Zunahme der Menschen, die Catalán zu parlieren wissen, ist mit 119.222 Personen deutlich höher ausgefallen, als der Anstieg der Inselbevölkerung insgesamt. So hat im Vergleich die Zahl der Menschen auf den Balearen lediglich um 103.517 (auf 900.000) zugelegt.

Die Generaldirektion für Sprachpolitik zieht daraus in ihrem Organ „Full Informatiu”, Nummer IV vom August dieses Jahres, den Schluss, dass die Kenntnisse des Catalán „vorangekommen sind”. Der Zuwachs falle zeitlich zusammen mit „einer starken Unterdrückung des Anstiegs bei der Einwanderung”.

Eine wichtige Rolle, so die Generaldirektion, haben die Schulen gespielt, in denen Catalán mehr und mehr zur Unterrichtssprache wurde. Weitere Gründe seien der Ausbau von Kursangeboten sowie eine größere Präsenz der Sprache im Alltag.

„Die Entwicklung des Sprachgebrauchs ist der Dreh– und Angelpunkt für die Zukunft unserer Sprache”, konstatiert die Generaldirektion. Gleichwohl machen die Sprachpolitiker auch Barrieren aus, die der gewünschten Zielrichtung entgegenstehen. „Ein soziales Umfeld, in dem die Anwesenheit von außerhalb der Inseln stammenden Personen wächst, führt dazu, dass der vorrangige Gebrauch des Katalanischen nicht Schritt hält mit der Zunahme der Kenntnisse dieser Sprache, oder gar sinkt.” Gleichsam besorgniserregend sei der Rückgang des katalanischen Sprachgebrauchs an bestimmten Orten wie Palma oder auf Ibiza – im Vergleich zu Menorca oder dem Hinterland Mallorcas, so das „Full Informatiu”.

Wie keine andere Regierung zuvor hat das balearische Koalitionsbündnis Pacte de Progrés etwa im Schulbereich auf die Anwendung des Katalanischen als Unterrichtssprache geachtet. Laut einem im Vorjahr in Kraft getreten Dekret muss mindestens die Hälfte des Unterrichts auf Catalán erfolgen. Wenn eine Schule es will, kann sie den Anteil darüber hinaus auf Kosten des Spanischen (Castellano) ausdehnen. Gerade in Dörfern machen nicht wenige Schulen von dieser Regelung insofern Gebrauch, als fast vollständig auf Catalán unterrichtet wird.

Nach der Übertragung der Kompetenzen im Gesundheitsbereich von Madrid nach Palma zu Jahresbeginn soll nach dem Willen der Balearen-Regierung auch in den Gesundheitszentren und Kliniken der Inseln das Catalán stärker zum Tragen kommen. So sind nach den Beobachtungen einer deutschen Katalanisch-Schülerin in den Sprachkursen derzeit zahlreiche Krankenschwestern anzutreffen, die ihre mündlichen und schriftlichen Kenntnisse ausbauen müssen. Ein weiteres Zeichen: In den staatlichen Krankenhäusern sind die Wegweiser häufig einzig im Inselidiom gehalten.

Nach einem Abkommen, das das balearische Kultusministerium am vergangenen Montag mit dem Verband der Notare und der Chemiker auf dem Archipel geschlossen hat, soll Catalán auch in diesen Berufsfeldern an Gewicht gewinnen. Obgleich etwa rechtliche Veträge und Dokumente seit längerem in der Landessprache verfasst sein dürfen, haben die meisten Klienten davon bislang kaum Gebrauch gemacht – „weil sie um die Möglichkeit nicht wussten”, so der Präsident der Notarenkammer, Pedro Garrido.

Ungeachtet allen Lerneifers von deutschen Sprachschülern ist der Erfolg nicht immer garantiert. So wollte eine Anfängerin ihre neuerworbenen Mallorquínkenntnisse am Telefon ausprobieren und stellte sich auf Catalán vor. Die französische Rezeptionistin des Hotels bedauerte: „Können Sie bitte Spanisch sprechen?”

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