Der Tourismus auf Mallorca ist in die Krise gerutscht, vor allem der zuständige Balearen-Minister Celestí Alomar gerät stark in die Kritik. Deswegen hoffen die meisten der in der Regel konservativen Hoteliers und Touristiker auf den Inseln und im Ausland, dass nach den Wahlen am 25. Mai auf den Balearen quasi die Normalität hergestellt und die Volkspartei PP wieder an die Macht zurückkehrt.
Nach den neuesten Wahlumfragen der Tageszeitung „El Mundo” würden die Konservativen, für die Jaume Matas antritt, ehemaliger balearischer Ministerpräsident und bis vor wenigen Wochen spanischer Umweltminister, ihre Spitzenstellung auf dem Archipel leicht auf 44'9 Prozent der Stimmen verbessern; 1999 erhielten sie 44'3 Prozent.
Doch das könnte erneut nicht reichen. Bei 59 Abgeordneten im Balearen-Parlament werden 30 Sitze für eine regierungsfähige Mehrheit benötigt. Da die Wahlprognosen eine Fehlermarge von 2'62 Prozentpunkten haben, heißt das nichts anderes, als dass die PP wohl zwischen 42'28 und 47'52 Prozent erreichen wird – das eine wäre eine Katastrophe für die PP, das andere ein Triumph.
Aber selbst, wenn der errechnete Wert stimmen sollte, wird es für die Konservativen knapp. Denn auf den Balearen hat eine Wählerstimme nicht überall den gleichen Wert. Nach dem Wahlgesetz wird in vier Wahlbezirken abgestimmt.
Auf Mallorca sind 547.123 Bürger stimmberechtigt und wählen 33 Abgeordnete, 56.216 Menorquiner wählen 13, 74.702 Ibizenker zwölf und 4540 Formenterencs einen. 1999 lag die Wahlbeteiligung unter 60 Prozent. Sollte diese Zahl in diesem Jahr wieder erreicht werden, benötigt man auf Mallorca knapp 10.000 Stimmen, um einen Sitz im Parlament zu gewinnen. Auf Ibiza braucht man dazu lediglich 3735, auf Menorca knapp 2600 und für den einen Diputierten von Formentera reichen sogar 1362 Stimmen.
Dieses von der balearischen Verfassung vorgesehene Missverhältnis, das die Repräsentierung der kleinen Inseln garantieren soll, war bei dem Urnengang 1999 schon mitentscheidend für den Ausgang. Denn die Mitte-Links-Wahlbündnisse räumten auf den kleinen Inseln ab: Auf Menorca schafften sie sieben Sitze gegenüber sechs von der PP, auf Ibiza kamen PP und die Linksparteien auf jeweils sechs, und der Abgeordnete von Formentera gehört ebenfalls zum „Fortschrittspakt”.
Bei dem vermutlich sehr knappen Wahlausgang wird es auf jeden einzelnen Parlamentssitz ankommen. Ein Wahlabend wie 1999, als erst die Rechten, dann die Linken, dann wieder die Rechten und zu guter Letzt die Linken über den Sieg jubelten, ist wahrscheinlich.
Da die Balearen eine traditionell konservative Hochburg sind, und angesichts der Tatsache, dass die von Ministerpräsident Francesc Antich (PSOE) angeführte Koalition aus fünf Parteien viele interne Streitereien in der Öffentlichkeit austrug und viele Aufgaben unerledigt gelassen hat, ist der von „El Mundo” prognostizierte knappe Wahlausgang auf zwei wichtige Faktoren zurückzuführen: Die PP ist durch die stramme Pro-USA-Haltung des spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar im Irak-Krieg in der Gunst der Wähler gesunken. Schließlich sind mehr als 90 Prozent der Spanier gegen den Krieg.
PP-Spitzenkandidat Jaume Matas wird anstelle von Aznar abgewatscht und einige Stimmen verlieren. Die Sippenhaft ist zumindest aus Wählersicht berechtigt: Schließlich war Matas als Umweltminister bis vor vier Wochen im Kabinett für den Kurs der spanischen Regierung mitverantwortlich.
Nicht vergessen ist auch die katastrophale Vorstellung der spanischen Regierung bei dem Unfall des Tankers „Prestige” vor der galicischen Küste. Der „Ministro de Medio Ambiente” (Umweltminister) wurde als „Medio Ministro de Ambiente” (halber Minister fürs Ambiente) verspottet, weil er vor allem in den ersten Wochen als Krisenmanager praktisch nicht zu sehen war.
Immerhin hatte er als spanischer Minister die Möglichkeit, Mittel aus seinem Etat auf den Balearen einzusetzen. Ob er auf diese Weise Wählerstimmen hat beeinflussen können, ist nicht sicher. Doch hat Matas es geschafft, sein Verhältnis zu Maria Antònia Munar zu verbessern, indem er ihr mit acht Millionen Euro half, den Herrensitz Raixa vor dem Kauf durch die Deutsche Jil Sander zu „retten”.
Die Vorsitzende des mallorquinischen Inselrates und der Partei Unió Mallorquina (UM) spielte in der noch laufenden Legislaturperiode das Zünglein an der Waage. Weil die PP die UM einst in einer Handstreichaktion schlucken wollte, war sie nachtragend und unterstützte die Koalition. Das hielt sie nicht davon ab, in einigen Abstimmungen die Gefolgschaft zu verweigern. Gleichwohl hielt das bunte Bündnis.
Ob es nach dem 25. Mai wieder zu dieser wichtigen Rolle für die UM reicht, ist laut „El Mundo” unsicher. UM verliert nach der Umfrage nämlich deutlich, fällt von 7'3 Prozent (drei Diputierte) auf 4'4 Prozent (ein bis zwei Abgeordnete) zurück. Sowohl die PP als auch die Linksparteien könnten die absolute Mehrheit von 30 Sitzen erreichen. Die Partit Socialista de Mallorca (PSM) kommt laut Umfrage auf elf bis zwölf Prozent und vier Sitze (1999: 13'5%, vier Sitze), die Listengemeinschaft aus Vereinigter Linke und Grünen (EU-Els Verds) auf sieben bis acht Prozent und zwei oder drei Sitze (6'0%/2).
Auf den Balearen gilt wie in Deutschland auch die Fünf-Prozent-Hürde. Allerdings bezieht die sich auf die einzelnen Wahlbezirke. So würden die prognostizierten 4'4 Prozent der UM reichen, weil sie die magische Marke auf Mallorca mit fünf bis sechs Prozent übertrifft.
Wenn es weder für die Linken noch für die Rechten reicht, dürfte Munar in ihrem Element sein. Als „bürgerliche Nationalisten” ist UM eine klassische Klientel-Partei und hat keine ideologischen Scheuklappen. Mit anderen Worten: Man kann sich ungerührt an den Meistbietenden verkaufen.
Wenn es soweit kommt. Denn nur eins ist sicher: Auf den Balearen zählt am 25. Mai jede Stimme. Entsprechend turbulent dürfte der Wahlkampf werden.