Seine Leidenschaft für Spanien und den Stierkampf sind Literaturgeschichte. Aber war Ernest Hemingway (1899-1961) auch einmal auf Mallorca? In seinem Werk hat der US-Schriftsteller und Nobelpreisträger (1954) die Insel mit keinem Wort erwähnt. Nichtsdestotrotz gibt es bisweilen Stimmen – und mitunter sogar reichlich plumpe Versuche – den Autor von Werken wie „Der alte Mann und das Meer” mit Mallorca in Verbindung zu bringen.
Neu im Chor der Theoretiker ist der Züricher Musikproduzent und Verleger Willy Viteka. Er behauptet in einem Aufsatz, sein Vater und Hemingway hätten gemeinsam und ganz im Geheimen einen Abstecher nach Mallorca gemacht. Und dies mitten im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1941. Nach Vitekas Angaben hatte sein Vater, ein „Maler und Lebenskünstler”, in den 30er Jahren in Paris Hemingway kennen gelernt. Aus der Leidenschaft der beiden für Stierkämpfe und Trinkgelage habe sich eine Freundschaft entwickelt.
Mit Hilfe eines weiteren Bekannten, eines hohen Militärs in Spanien, seien Viteka und Hemingway über Barcelona mit einem Wasserflugzeug nach Port de Pollença aufgebrochen. Sie logierten auf der Insel inkognito in billigen Pensionen, unter anderem im Carrer Apuntadores in Palma, und hatten im Kneipen– und Rotlicht-Viertel viel Spaß.
Über den Grund der Reise stellt Viteka nur Vermutungen an. Möglich, dass es sich um eine launige Wette gehandelt habe, möglich aber auch, dass Hemingway in Agentenmission unterwegs gewesen sei.
Der Hamburger Amerikanistik-Professor Hans-Peter Rodenberg, Autor der 1999 erschienenen Rowohlt-Monographie über Ernest Hemingway, hält dagegen einen Inselaufenthalt für unwahrscheinlich. „Ich muss Sie enttäuschen, ich weiß nichts von einem Mallorca-Aufenthalt.” Das gelte insbesondere für das Jahr 1941. Hemingway war während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) wiederholt in der republikanischen Zone als Kriegsberichterstatter tätig.
Auch wegen seiner politischen Stellungnahmen gegen die Faschisten musste Hemingway zumindest in den frühen 40er Jahren damit rechnen, in Franco-Spanien Persona non grata zu sein. Doch noch weit mehr gegen den Mallorca-Besuch von 1941 spricht nach Angaben der Literaturwissenschaft die Tatsache, dass Hemingway sich von 1939 bis 1944 gar nicht in Europa aufhielt.
Mallorca dürfte dem Weltreisenden indes durchaus ein Begriff gewesen sein. Bereits in den 20er und 30er Jahren war die Insel bei ausländischen Künstlern und Schriftstellern ein beliebtes Ziel. Bekannt ist darüber hinaus, dass Hemingway bereits 1923 in Paris mit dem spanischen Maler Joan Miró Bekanntschaft schloss. Miró heiratete 1929 auf Mallorca Pilar Juncosa. Später, im Mai 1941, als Hitler in Frankreich einmarschierte, verlagerte Miró seinen Wohnsitz ganz auf die Insel.
Eine – wenn auch falsche – Mallorca-Hemingway-Verbindung präsentiert das Buch „Mallorca, Mallorca, Reiselust-Geschichten”. Es handelt sich um eine Zusammenstellung bekannter Autoren wie George Sand oder Robert Graves samt ihren Werkauszügen über Mallorca. Die Zitate zu Hemingway stammen jedoch aus dem Stierkampfroman „Fiesta”, der bekanntlich in Pamplona spielt, was im Text jedoch nicht weiter erwähnt wird. Wohl aber der Satz: „Sie fuhren mit dem Siebenuhrzug nach Barcelona”. Von Mallorca aus wäre es wohl eher die Siebenuhrfähre gewesen.
Doch selbst wenn „Papa Hemingway” nie seinen Fuß auf die Insel gesetzt hat, er wird auch auf Mallorca in Ehren gehalten. Vor allem in der Bar La Bodeguita del Medio in Palmas Lonja-Viertel. Es handelt sich um die Kopie der Lieblingsbar von Hemingway auf Kuba. An der Wand hängt sein Porträt, und an den Mojitos, die dort serviert werden, hätte Papa Hem sicher seine wahre Freude gehabt.