Mönchsgeier leben dort, wo kein normaler Mensch einen Fuß hinsetzt: An die unzugänglichen Steilküsten Mallorcas, zwischen Sóller und Pollença, und in die zerklüfteten Berge des über 1000 Meter hohen Tramuntanagebirges haben sich die Letzten ihrer Art auf Mallorca zurückgezogen. Während der stattliche Vogel – er besitzt eine Spannbreite von bis zu drei Metern – in anderen Gebieten Europas bereits ausgestorben ist, hat sich der „buitre negre”, wie er auf Katalanisch genannt wird, auf Mallorca zum Symbol des Naturschutzes entwickelt, weil es gelang, die seltene Art vor der Ausrottung zu retten.
Vor rund 20 Jahren, als die spanische Regierung und diverse mallorquinische und europaweit agierende Naturschutzgruppen ein ehrgeiziges Schutz- und Wiederansiedelungsprogramm auf die Beine gestellt haben, gab es auf der Insel gerade noch 20 Exemplare des Mönchsgeiers. Heute ist die Population auf mindestens 90 angewachsen. Zu verdanken ist die beispielhafte Entwicklung unter anderem der österreichischen Biologin Evelyn Tewes, die das Mönchsgeier-Projekt seit 1987 zunächst im Rahmen ihrer Doktorarbeit über den Mönchsgeier begleitete und dann mit Geldern des Umweltministeriums und der Stiftung bedrohte Tierwelt der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt vorangetrieben hat.
Aus öffentlicher Hand fließen 12.000 Euro pro Jahr, um Kosten für Löhne, Büro und Auto abzudecken. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt hat nach eigenen Angaben „bisher den Naturschutz auf Mallorca mit 1'1 Millionen Euro unterstützt”. Neben dem Mönchsgeier-Projekt wurde das Geld für eine Initiative des balearischen Naturschutzbundes GOB im ehemaligen Kloster „la Trapa” in den Bergen bei Sant Elm verwendet.
Anlässlich der Tourismusmesse ITB in Berlin kritisierte die Zoologische Gesellschaft Frankfurt die Politik der Balearenregierung: „Sollte die Provinzregierung nicht von ihrem unsäglichen Betonkurs abzubringen sein, dann könnte man gegenüber Spendern in Deutschland eine weitere Unterstützung von Naturschutzmaßnahmen auf der Insel kaum noch verantworten”, erklärte der Biologe Wolfgang Fremuth, Leiter der Europa-Abteilung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.
Die finanzielle Unterstützung für das Mönchsgeier-Projekt auf Mallorca hat die deutsche Organisation bereits Anfang dieses Jahres eingestellt, so Evelyn Tewes, die selbst Projektleiterin der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und auch in der internationalen Stiftung zur Erhaltung des Mönchsgeiers aktiv ist. Der Stopp des Geldflusses habe allerdings weniger politische als vielmehr ökonomische Gründe: Der Bestand des „buitre negre” auf Mallorca sei so weit gesichert, dass er nun auch ohne weitere Auswilderungen von gesund gepflegten Vögeln und in Gefangenschaft gezüchteten Jungtieren fortbestehen könnte, wenn sein Lebensraum respektiert würde.
In anderen Regionen Europas ist die Art dagegen bereits ausgestorben oder stark bedroht, weshalb ein Eingreifen dort heute dringlicher erscheint. „Ich kann die Haltung der Zoologischen Gesellschaft verstehen”, so Evelyn Tewes. In anderen Ländern, etwa in Osteuropa, könne man mit demselben finanziellen Aufwand wegen der geringeren Kosten ungleich mehr Arbeit leisten.
Projekte in diesen Regionen profitieren allerdings von den Erfahrungen der Biologen und Tierschützer auf Mallorca und von den Jungtieren, die in der Aufzuchtstation der Insel ausgebrütet werden. „Diese Tiere eignen sich hervorragend zur Auswilderung, da sie sich leicht an die neue Umgebung anpassen”, so die Biologin. In die Natur zurückgeführt werden aber auch Tiere, die verletzt aufgefunden und in Rehabilitationszentren aufgepäppelt wurden.
Die Jungtiere werden immer paarweise ausgewildert, da Mönchsgeier die Gesellschaft eines Artgenossen schätzen und als Einzeltiere leicht depressiv werden. Haben sie einmal einen Partner zur Paarung gefunden, schließen Mönchsgeier einen Bund fürs Leben. Die Brutpaare pflanzen sich nur einmal im Jahr fort, müssen sich also vergleichsweise stark um das Überleben ihres Nachwuchses kümmern.
Natürliche Feinde haben die majestätischen Tiere nicht, dafür sind sie um so empfindlicher, was Eingriffe des Menschen in ihren Lebensraum anbelangt. Die ungewollte Störung der Nistplätze durch Wanderer ist denn auch eines der Hauptprobleme, das das Geierzentrum unter Leitung von Evelyn Tewes mit Hilfe von ehrenamtlichen Naturschützern bekämpft. An Stellen, wo die Geier durch Menschen gestört werden könnten, werden an den Wochenenden Wachen aufgestellt, um den Tieren die „Eindringlinge” vom Leib zu halten. Auch ausgelegtes Gift – häufig für streunende Katzen bestimmt – und schießwütige Jäger stellen eine Bedrohung für die seltene Tierart dar. Aufklärungskampagnen gehören daher genauso zum täglichen Geschäft der Tierschützer wie die Identifizierung und Markierung der Tiere zur Bestandsaufnahme.