Die gertenschlanke Blondine im Sommerkleidchen kann ihn noch so sehr aus blauen Augen anblicken. „Ich fliege morgen zurück nach Russland. Kann ich wirklich keinen Fisch kaufen?” Bernat Bonet, Präsident der Vermarktungsgesellschaft in Palmas Fischauktionshalle La Lonja, bleibt hart. „Es geht nicht”, sagt er kurz angebunden. Mit rudernden Armen komplimentiert er die junge Frau zum Ausgang.
Das war nur eine kleine Episode in dem Chaos, das am Dienstag in der Lonja ausbrach. Knapp 200 Menschen hatten vor der Auktionshalle Schlange gestanden, um frischen Fisch aus balearischen Gewässern zu kaufen. Es war das allererste Mal, dass dort ein Direktverkauf an Verbraucher stattfinden sollte. Die Zeitungen hatten als Termin 17 Uhr genannt. Um 17.15 Uhr ließ man die Menschen ein, die potentiellen Kunden strömten in die Halle und füllten die Sitzreihen auf den beiden Tribünen. Das Transportband in der Mitte des Saales setzte sich in Bewegung und beförderte die ersten Steigen mit Fisch heran, da verschaffte sich Bernat Bonet Gehör. Was er den Anwesenden zu verkünden hatte, war wenig erfreulich: „Wir dürfen nicht verkaufen. Es fehlt die Genehmigung.”
Ein heilloses Durcheinander bricht aus. Empörte Hausfrauen ergehen sich in Schimpftiraden, ein Rentner entrüstet sich: „Schande!” In den engen Sitzreihen wogen die Menschen hin und her. Erst allmählich gelingt es den Lonja-Mitarbeitern, die Enttäuschten, höflich aber beharrlich, zum Ausgang zu drängen.
Das peinliche Geschehen war ein Höhepunkt im skurrilen Streit, der die Fischer und Fischhändler auf Mallorca seit nunmehr elf Tagen entzweit. Seit Dienstag vergangener Woche boykottieren die „Peixeters”, die Fischhändler der Markthallen, die allmorgendliche Versteigerung in der Lonja. Ausgerechnet in der Karwoche waren sich die beiden Parteien in die Haare geraten. Und da es sich bei Fischern und Fischhändlern in der Regel um wenig zimperliche Burschen handelt, kam es prompt zu Handgreiflichkeiten. Zwischen den Steigen voller Fisch und Krabben sollen gar die Fäuste geflogen sein. Am Ende rückte Polizei an.
Auslöser der Streitigkeiten ist nach Angaben der Fischhändler eine neumontierte Metallschranke in der Auktionshalle. Die Barriere versperrt den Händlern den Zugang zur fangfrischen Ware, bevor diese ab 4.30 Uhr zur Versteigerung freigegeben wird. Die Fischer berufen sich auf EU-Bestimmungen. Aus Gründen der Sicherheit und der Hygiene dürfe vor der Versteigerung nur autorisiertes Personal Zugang zu den Steigen haben.
Die Fischhändler wiederum sind nicht bereit, auf ihr Gewohnheitsrecht zu verzichten, den Fang vor der Versteigerung auf Qualität und Quantität in Augenschein zu nehmen. Es reicht ihnen nicht, aus der Ferne – sprich hinter der Schranke – einen Blick auf die Steigen werfen zu dürfen, bevor diese dann per Beförderungsband in den Auktionsbereich einfahren. Als Reaktion auf die Sperrung beschlossen sie, vorerst keinen Fisch mehr in der Lonja zu ersteigern.
Das hatte gerade für die Osterfeiertage – bei denen die Mallorquiner familiäre Festessen ausrichten, und die Fischpreise traditionell Höhenflüge erleben – weitreichende Folgen: In den Markthallen fand sich kein Fisch aus heimischen Gewässern. Dass es dennoch Meerestiere zu kaufen gab, lag an den Importen. Nach den Worten des Sprechers der Fischhändler, Francisco Bauzá, müssen ohnehin 72 Prozent aller Fische, die auf den Inseln verzehrt werden, von anderen Gestaden auf die Balearen importiert werden. Es sei kein Problem, dort noch mehr Ware herbeizuschaffen. Die Versorgung der Konsumenten sei gesichert.
Hinter dem Streit um das Gold der Meere verbirgt sich offenbar auch ein Preiskrieg zwischen den beiden Berufsgruppen. In Zeitungsinterviews beklagen Fischer, dass die Händler die ersteigerte Ware teilweise um das bis zu Zehnfache verteuern. Würde ein Kilo Meerbarben in der Lonja 50 Cent kosten, müsste der Endverbraucher in der Markthalle dafür fünf Euro hinblättern, so die Fischer. Der Streit um die Schranke sei nur ein Vorwand. „Die Händler wollen die Preise kontrollieren.”
Auf den Boykott der Fischhändler reagierten die Fischer mit dem Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes. Neben der Belieferung von großen Supermärkten appellierten sie in halbseitigen Zeitungsanzeigen an Hotel– und Restaurantbetreiber, dass auch diese nun zur Teilnahme an der elektronischen Versteigerung zugelassen werden können. Nach dem Fiasko mit den Privatkonsumenten am Dienstag startete dann am Mittwoch erstmals auch der Direktverkauf an die Endverbraucher. Bereits um 9 Uhr standen Hausfrauen und Rentner vor der Lonja Schlange, um sich mit Fischen aus dem heimischen Meer einzudecken. Viele der Einkäufer waren sich am Ende einig, dass die Preise in der Lonja unter denen der Markthalle liegen. „Aber der Unterschied ist nicht so groß, wie ich dachte”, sagt eine Kundin.
Fakt ist, dass auch auf die Käufe in der Lonja Mehrwertsteuer und spezielle Hafengebühren anfallen. Die Fische aus Balearengewässern können dort zudem weder ausgenommen noch filetiert werden.
Mit dem Direktverkauf in der Lonja haben sich die Fischer den geballten Zorn der Händler zugezogen. Diese wollen die Seeleute jetzt wegen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht sowie gegen die Hygiene-Bestimmungen verklagen.
Das balearische Agrarministerium ist in diesem Konflikt bislang der große Verlierer. Alle Versuche, zwischen den Streitenden zu vermitteln, sind bislang gescheitert.