Nach ihrer überraschenden Schließung am Montag herrscht in der Deutschen Internationalen Schule in Magaluf das blanke Chaos. Die Direktion warf das Handtuch, die Schulbesitzer wissen nicht weiter, die Elternschaft ist in heller Aufruhr, die Zehntklässler stehen mitten im Prüfungsjahr zur Mittleren Reife vor dem Nichts, die Finanzen der Schule sind angeblich zerrüttet und der als Privatunternehmen geführten Einrichtung drohen Eltern mit Sammelklagen wegen Verdachts auf Betrug. Von den 44 Schülern, die die Schule am Montag noch zählte, seien bereits zahlreiche mit den Eltern nach Deutschland zurückgekehrt. Can Hasso, wie die Schule lange hieß, steht, so scheint es, vor dem Aus.
Doch das ist nur die eine Seite: Die andere Seite ist die: Ungeachtet aller Hiobsbotschaften kämpfen beherzte Eltern und engagierte Lehrerinnen für den Fortbestand der Schule. Am Donnerstag stellten sie einen Unterricht für die Klassen 1 bis 8 auf die Beine. Rund 20 Schüler nahmen daran teil. So soll es in den kommenden Tagen und Wochen weitergehen, damit die Kinder wieder einen geregelten Tagesablauf haben. Unterdessen ringen die Eltern – jene, die noch übriggeblieben sind – um ein Konzept, wie sie die Schule dauerhaft weiterführen können. Im Gespräch sind unter anderem eine Übernahme der als S.L. geführten Schule (GmbH), die Gründung einer neuen Gesellschaft oder eines Schulvereins. „Wir Eltern haben darauf bestanden, dass die Schule wieder aufgemacht und unterrichtet wird. Das Schulgeld ist für diesen Monat bezahlt, die Miete der Räume ist bezahlt, und darüber hinaus existiert in Spanien auch für deutschsprachige Kinder Schulpflicht”, sagte Gisela Juffart am Donnerstag zu MM.
Die Vorgänge um die Schließung der Schule am Montag sind skandalträchtig: Unmittelbar vor Schulschluss um 15 Uhr wurde an die Schüler ein Zettel ausgegeben. Darin wurde lapidar mitgeteilt, dass die Schule geschlossen wird. „Ab Dienstag, den 15. 11. 2005 findet kein Unterricht mehr statt, weil mangelnde Lernbereitschaft und erste Anzeichen von Vandalismus festzustellen sind.” In Tränen aufgelöste Grundschüler liefen ihren Eltern entgegen, die sie wie gewohnt abholen kamen. „Werde ich meinen Freund nicht mehr sehen können?”, fragte ein Junge. Weiter konnten die fassungslosen Eltern lesen, dass die ursprünglich für denselben Abend angesetzte Versammlung nicht mehr stattfindet, sondern einzig dazu genutzt wird, „um noch offene Fragen zu beantworten”.
Dementsprechend tumultartig verlief die abendliche Versammlung. Vertreter der Presse wurden ausgeschlossen, die Anspannung aller Beteiligten war mit Händen zu greifen. Vor der Tür machten aufgebrachte Mütter ihrem Ärger Luft. „Wir sind von vorne bis hinten belogen und betrogen worden.” Sabine Schmitt, neben Burkhard Schielke Inhaberin der Gesellschaft, verließ die Sitzung nach zwei Stunden mit grauem Gesicht. Die Zahl der Schüler sei so stark gesunken, dass sich der Betrieb nicht rechne, sagte sie. Anders als in den Vorjahren seien zum Schulbeginn die erwarteten Neuzugänge ausgeblieben.
Bereits am 3. November hatten die Eltern in einem Brief gelesen, dass die Schule geschlossen werden muss, wenn die Zahl der Schüler unter 45 sinkt. (In ihren besten Zeiten zählte die Einrichtung 80 Schüler.) Gleichzeitig wurden Einsparungen angekündigt, Kunst– und Musikunterricht wurden zusammengelegt, die Lehrerstundenzahl in der Mittelstufe verringert.
Das größte Problem haben die Zehntklässler, weil sie noch in diesem Schuljahr die Realschulprüfung ablegen sollen. Diese sollte in Zusammenarbeit mit der Fernschule ILS in Hamburg vor der dortigen staatlichen Schulbehörde erfolgen. Rund 3000 Euro hatten die Eltern pro Schüler an Kosten bezahlt. Doch dann nahm die ILS davon Abstand, die Schüler beim Oberschulamt zur Prüfung anzumelden. „Nach dem Stand der eingesandten Aufgaben ist der Unterrichtsstoff der 10. Klasse nicht einmal im Ansatz bearbeitet worden”, sagte die Leiterin des ILS-Fernlehrwerks, Inge Döll-Krämer. Da die Reifeprüfung nur einmal wiederholt werden könne, sei es „pädagogisch grob fahrlässig”, die jungen Menschen ohne ausreichende Vorbereitung zur staatlichen Prüfung zu ermutigen.
Der Bewertung seitens der ILS wird von der Schuldirektorin Angelika Janssen deutlich widersprochen. Sie und auch die übrigen Lehrer hätten für die „guten” Schüler keine Gefahr gesehen, die Prüfung nicht zu bestehen, sagte Janssen am Donnerstag MM. Gleichwohl kreideten Eltern der Gymnasiallehrerin Janssen an, beim Lehrstoff nicht im Plan gewesen zu sein. Janssen sah ihrerseits keine Grundlage mehr zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und ging.
Ungeachtet der vorläufigen Weiterführung der Schule gibt es keine 9. und 10. Klasse mehr. Einige der Schüler befinden sich bereits in Deutschland oder wurden auf Internaten eingeschrieben. Einige wenige kamen auf der anderen deutschen Schule auf Mallorca sowie den englischsprachigen internationalen Schulen unter. Doch dort gab es dem Vernehmen nach nicht für alle Interessenten freie Plätze. Die Mutter eines Zehntklässlers plant nun, die Reifeprüfung mit Hilfe des ILS-Materials und einem Privatlehrer in Eigenregie anzugehen. „Es ist alles ganz schlimm.” Enttäuschte Eltern planen, die Schule zu verklagen.
Sabine Schmitt, die Miteigentümerin der Schule, wurde nach eigenen Worten selbst von der Entwicklung überrollt. „Wenn es absehbar gewesen wäre, hätten wir vorher etwas dagegen machen können.” Sie sei für jede Lösung, die die Schule weiterführe, offen. Ihre Tochter besucht dort die 4. Klasse. Sie selbst will die Schule nicht leiten. „Ich bin weder Kaufmann noch Pädagoge, traue mir das nicht zu. Ich bin in erster Linie Mutter.”