Zum Liften oder Lasern kommen sie schon länger nach Mallorca, jetzt zieht die Insel zunehmend eine neue Gruppe sogenannter „Gesundheitstouristen” an: Immer mehr kinderlose Paare aus Deutschland kommen zur künstlichen Befruchtung auf die Mittelmeerinsel oder auf das spanische Festland. In Spezialkliniken in Valencia und Alicante liegt die Quote der ausländischen Patienten inzwischen bei über 50 Prozent, und auch auf Mallorca steigt sie an. Das „Instituto Balear de Infertilidad” (Ibilab) plant demnächst für deutschsprachige Patienten einen besonderen Service. Paare mit Kinderwunsch können sich dort voraussichtlich ab Ende März in ihrer Muttersprache beraten lassen. Onno Buurman, Gynäkologe mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Invitrofertilisation (IVF), plant dort regelmäßige Sprechstunden.
Die Klinik in Palma, 1996 gegründet, gehört heute zu den renommiertesten Instituten für künstliche Befruchtung im Lande. Wie viele andere Privatkliniken in Europa profitieren sie dabei vom strengen deutschen Embryonenschutzgesetz und der Gesundheitsreform im Nachbarland. Auf Mallorca sei es gelungen, so betonte auch Ibilab–Gründer Javier Marqueta, in den letzten zehn Jahren die Schwangerschaften, die auf künstliche Befruchtungen folgten, zu verdreifachen. Aus 310 Embryonen–Transfers – also wieder in den weiblichen Uterus eingepflanzte Embryonen – seien 125 erfolgreiche Schwangerschaften hervorgegangen. Zusammen mit seinen Gründungs-Kollegen, den Gynäkologen Dr. Antonio Roses und Dr. Margalida Torres, hat sich Javier Marqueta einen Namen als einer der führenden Mediziner im Bereich der künstlichen Befruchtung auf den Balearen gemacht. Besonders stolz seien sie auf die relativ geringe Anzahl der Mehrlingsschwangerschaften. Von 138 Geburten im Jahr 2003 seien in ihrem Institut lediglich 20 Mehrlingsgeburten erfolgt, so Marqueta.
Jede sechste bis siebte Frau mit Kinderwunsch in Spanien hat heute laut Untersuchungen der „Sociedad Española de Fertilidad” (SEF) Probleme, auf natürliche Weise schwanger zu werden, in Deutschland gelten ähnliche Zahlen. Künstliche Befruchtung ist hier für viele das Zauberwort. Doch anders als in Spanien herrscht in Deutschland ein strenges Embryonenschutzgesetz. Höchstens drei Embryonen dürfen einer Frau demnach während eines Zyklus übertragen werden, genetische Untersuchungen vor dem Einpflanzen sind in Deutschland nicht möglich. In Spanien hingegen ist diese Preimplantationsdiagnostik (PID) vom Gesetzgeber erlaubt – und erhöht die Quote der erfolgreichen Schwangerschaften signifikant.
„Spanische Ärzte haben hier die Möglichkeit, genetische Schäden am Embryo schon vor dem Transfer in die Gebärmutter zu untersuchen”, erklärt Buurman. Diese genetische Diagnose im Embryonenstadium (Diagnóstico Genético Preimplantacional) ist nach Auskunft der Ibilab in Spanien das erste Mal 1990 erfolgreich praktiziert worden. „Wir wenden diese Möglichkeit der Früherkennung besonders bei Patientinnen an, die eine spezielle medizinische Indikation haben, das heißt bei Frauen, die erblich vorbelastet sind oder schon mehrere Fehlgeburten hatten”, erklärt Yolanda Cabello, Biologin bei Ibilab.
In Deutschland, so ergänzt Buurman, sei dies nicht erlaubt, was dazu führe, dass die Rate der erfolgreichen Schwangerschaften in Spanien deutlich höher läge. In der Bundesrepublik liege die Schwangerschaftsrate pro Transfer bei rund 30 Prozent, in Spanien dagegen würden rund 50 Prozent der eingepflanzten Embryonen erfolgreich ausgetragen.
Hinzu kommen geringere Kosten. In Spanien ist eine künstliche Befruchtung mit 3000 bis 4000 Euro pro Zyklus günstiger als in Deutschland. Außerdem kann man hier die IVF beliebig oft wiederholen. In Deutschland zahlen die gesetzlichen Krankenkassen zur Zeit maximal drei Zyklen, und die auch nur teilweise. Seit der Gesundheitsreform übernehmen die gesetzlichen Kassen nur noch 50 Prozent der 4000 bis 5000 Euro teuren Behandlung, ab dem 4. Zyklus muss voll bezahlt werden.
Während in Deutschland noch über eine Lockerung des Embryonenschutzgesetzes diskutiert wird, geht Spanien noch ein paar Schritte weiter. Zur Rettung schwerkranker Geschwister dürfen hier ebenso wie in England Embryonen mit bestimmten Stammzellen und wünschenswerten Merkmalen ausgesucht werden. Auch der Umgang mit tiefgefrorenen Embryonen, die bei vielen Fertilitätsbehandlungen „übrigbleiben”, wird in Deutschland und Spanien sehr unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland ist das Spenden von tiefgefrorenen Embryonen grundsätzlich untersagt. In Spanien dagegen sind 2004 das erste Mal 1700 Embryonen zur Adoption freigegeben worden, 14 der 90 Frauen, die an dem Verfahren teilnahmen, wurden schwanger.