Auf den ersten Blick scheint es mit der Artenvielfalt auf den Balearen nicht weit her. Außer wild lebenden Ziegen und dem Gekreische der Möwen, und im Herbst auch der Stare, bekommt der Unbedarfte wenig von der Tierwelt auf den vier Mittelmeerinseln mit. Doch der Schein trügt. Neben tausenden „Immigranten” existieren auf den Balearen mehr als 300 endemische Tierarten, die entweder immer dort leben oder ihren Nachwuchs ausschließlich auf den Inseln zur Welt bringen. Meist handelt es sich bei den endemischen balearischen Arten um Insekten, Reptilien, Amphibien und Vögel.
Allerdings nicht alles, was ein Mallorca im Namen hat, ist auch endemisch. Der Mallorca-Esel oder das mallorquinische Schwein seien zwar sehr bekannt, aber letztlich wie alle Hausund Nutztiere hier von den Menschen gezüchtet oder von ihnen auf die Inseln gebracht worden, klärt der für Jagd, Artenschutz und Umwelterziehung verantwortliche Direktor im balearischen Umweltministerium, Joan Mayol i Serra, auf. Auch die weitverbreitete Meinung, dass es viel mehr einheimische Pflanzen als Tiere gebe, sei nicht zutreffend. „Auf den Balearen sind etwa 100 endemische Pflanzenarten bekannt.”
Um die meisten endemischen Tierarten der Balearen, so Mayol, müsse man sich hinsichtlich ihres Bestandes keine großen Sorgen machen. Anders sehe es jedoch bei der mallorquinischen Geburtshelferkröte (Alytes muletensis) und dem balearischen Sturmtaucher (Puffinus mauretanicus) aus. Beide sind im sogenannten Rotbuch für vom Aussterben bedrohte Arten aufgelistet.
Aber ganz so dramatisch wie noch vor einigen Jahren sei die Situation nicht mehr, versprüht Mayol Optimismus. „Die Population der mallorquinischen Geburtshelferkröte hat sich gefestigt. Derzeit leben in den wasserführenden Schluchten der Tramuntana etwa 5000 Exemplare in 34 Populationen.” Nirgendwo anders auf der Welt ist die Kröte bekannt. Und auch auf Mallorca wurde man erst vor knapp 30 Jahren aufgrund eines Fossilienfundes auf die Existenz der Art aufmerksam. Das erste lebende Exemplar der auf der Insel Ferreret genannten Kröte ist erst 1981 gesichtet worden.
„Die Tiere leben in extrem unzugänglichen Gebieten. Selbst ihre natürlichen Feinde wie Schlangen hätten in dem abschüssigen und glitschigen Gelände kaum eine Chance, zu ihnen vorzudringen.” Dies mache eine Artenkontrolle des nur vier Zentimeter kleinen und extrem scheuen Tieres seitens der Biologen sehr schwierig. Da man die Kröten selbst nicht zählen könne, behelfe man sich mit der Zählung der Kaulquappen und berechne anhand dieser die Größe der Population. „2004 sind 29.700 Kaulquappen gezählt worden. Dies entspricht dem Nachwuchs von etwa 2500 Paaren.”
Aber ob der Bestand sich weiter positiv entwickeln könne, müsse abgewartet werden. „Unsere Wissenschaftler haben bei einigen Tieren eine Pilzerkrankung festgestellt. Leider können wir die Frösche nicht markieren, um mehr Aufschlüsse über ihr Leben zu gewinnen.”
Einige Exemplare des balearischen Sturmtauchers konnten dagegen mit einem winzigen Sender beringt und ihre Reisen durch ganz Europa und Nordafrika per Satellit verfolgt werden. „Auch wenn der Vogel weite Wege zurücklegt, zum Brüten kommt er immer wieder auf die Balearen zurück.” Der Sturmtaucher sei zwar leichter zu zählen als der Ferreret, aber letztlich müsse auch seine Population geschätzt werden. Man geht davon aus, dass es noch um die 2000 Paare gibt.
Neben Joan Mayol sind vier weiter Biologen und drei Helfer im balearischen Umweltministerium mit dem Artenschutz und einer dafür unabdingbaren Umwelterziehung der Bevölkerung beschäftigt. Etwa 20 weitere Mitarbeiter werden temporär beauftragt.
Aber richtig viel können sie nicht machen, um die Tiere vor einem völligen Aussterben zu bewahren. „Wir können eigentlich nur dafür sorgen, dass ihre natürlichen Feinde dezimiert werden.” Immer wieder werde in Kampagnen dazu aufgerufen, in den Brutgebieten der Sturmtaucher und acht weiteren vom Aussterben bedrohten nicht endemischen Arten die Katzen einzusperren und keine Giftköder auszulegen. „Allein eine frei laufende Katze erbeutet pro Jahr etwa 100 Tiere aller Größenordnungen. Darunter leider auch vom Aussterben bedrohte Arten.”
Eine weitere Gefahr für die hiesige Fauna und Flora sei auch die stete Zunahme von Tierarten, die hier überhaupt nicht vorkommen dürften. „Ausgesetzte Schildkröten, Sittiche und andere Gattungen haben sich so stark vermehrt, dass sie eine Bedrohung für hier heimische Arten darstellen.”