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In Umweltschutz „Zwei minus”

Das Thema Ökologie ist schick geworden. Aber führt die Diskussion über den Klimawandel auch zu einem besseren Umweltverhalten? Mallorca hat seine frühere Vorreiterrolle in Sachen Umweltmanagement längst verloren und muss sich ranhalten, meint der Leiter der Umweltabteilung der TUI, Wolf Michael Iwand

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So fröhlich und cool war Umweltschutz noch nie: Etwa zwei Milliarden Menschen sollen weltweit die Life-Earth-Konzerte am Bildschirm mitverfolgt haben, mit denen im Juli 150 Musiker unentgeldlich auftraten, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Hollywoodstars wie Brad Pitt und Cameron Diaz engagieren sich in Umweltstiftungen, und fahren werbewirksam in – luxuriösen – Hybridautos zur Gala oder zur Filmpremiere vor. Al Gores preisgekrönte Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit” ist einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten. Haftete ökologischem Bewusstsein früher der Mief von Birkenstocklatschen und der Charme einer Jutetasche an, so ist „Nachhaltigkeit” auf einmal schick geworden: Sich über den CO2-Ausstoß seines Mallorca-Fliegers Gedanken zu machen, gehört heute fast schon genauso zum Lifestyle wie die neueste Uhr von Dolce & Gabbana. Führt die Diskussion über den Klimawandel also auch auf Mallorca zu einem besseren Umweltverhalten der Bevölkerung, der Urlauber, der Tourismusbranche als wichtigstem Industriezweig und der Insel-Regierungen?

„Die Balearen haben in den 90er Jahren eine Vorreiterrolle in Sachen Ökologie gespielt”, hat Dr. Wolf Iwand, Leiter der Abteilung Umweltmanagement des TUI-Konzerns beobachtet. Vor allem Calvià mit der damaligen Bürgermeisterin Margarita Nájera, habe da Unglaubliches geleistet. Davon könne heute keine Rede mehr sein. Die bis Juli amtierende Regierung der Partido Popular (PP) habe sehr erfolgreich ein Wohlstandsmodell vorangetrieben. Wenn man aber Nachhaltigkeit wolle, könne das nicht so weitergehen.

Müsste er das bisherige Umweltmanagement auf Mallorca bewerten, dann gäbe es für die Insel gerade noch eine „Zwei minus”. „Menorca hat es geschafft, seinen Charakter zu bewahren. Auch auf Formentera ist das Umweltbewusstsein noch lebendig.” Als beispielhafte Tourismus-Destinationen nennt er die Kanaren, Andalusien, Marokko, die Seychellen und Südafika. Auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien, also den Ländern, aus denen viele Urlauber kommen, herrsche ein ganz anderes Umweltbewusstsein. Iwand warnt: „Wer im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sein will, muss in dieser Hinsicht exzellent sein.”

Die neue Balearen-Regierung wird einige Probleme meistern müssen, will sie wieder eine Vorreiterrolle in Sachen Ökologie erreichen: Aus der Sicht Iwands spielt die Auseinandersetzung mit dem globalen Thema Klimawandel eine Schlüsselrolle. „Man muss sofort anfangen, jede Energieverbrauchsquelle genau zu kontrollieren und die Energieverschwendung zu stoppen. Jeder kann dazu beitragen.” Nicht Verzicht, sondern neue Technologien, zum Beispiel zur Nutzung erneuerbarer Energien, seien gefragt: „Jetzt geht es nur noch mit großen Investitionen weiter”, so Iwand.

Vor allem der Flugverkehr hat ein Imageproblem, seitdem das Thema Klimawandel in den Medien so hochgekocht wird. Aber nicht einmal Umweltschützer auf Mallorca fordern dort Einschränkungen: „Mallorca lebt vom Tourismus. Den Flugverkehr einschränken zu wollen, wäre illusorisch”, sagt der deutsche Sprecher des Balearischen Naturschutzbundes GOB, Gerald Hau.

Menschen, die sich über den Schadstoffausstoß ihres Urlaubsfliegers Gedanken machen, können ihr schlechtes Gewissen mit einem Ablass beruhigen: Die gemeinnützige Gesellschaft Atmosfair bietet Fluggästen an, die durch ihren Flug provozierten Emissionen durch Umweltprojekte irgendwo in der Welt wieder auszugleichen. Für die Strecke Palma-Hamburg und zurück ist man mit 18 Euro mit sich und der Umwelt im Reinen.

„Ich würde das nicht machen”, sagt aber Umweltschützer Hau. „Das könnte ich mir gar nicht leisten.” Überhaupt ist er auf die ganze Diskussion über den Klimawandel und Aktionen wie das Life-Earth-Konzert nicht gut zu sprechen: „Ich frage mich, was das soll. Da stumpfen die Leute doch bloß noch mehr ab. Sie gehen aufs Konzert und damit ist die Sache für sie erledigt.” Der Klimawandel sei ein „Modethema” und werde als Vorwand genutzt, um die Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. „Ich bin als einer der wenigen Ökologen nicht davon überzeugt, dass der Klimawandel menschenverursacht ist.” Die wirklich wichtigen Probleme würden dabei vergessen, als da seien „Biodiversität und Erhaltung der Kulturlandschaft”. Außerdem müsse sich Ökologie auch in sozialen Aspekten widerspiegeln und das sei völlig abhanden gekommen: „Die Klimwandel-Debatte geht an der sozialen Realität vorbei.” Zu einem stärkeren Engagement in Sachen Umweltschutz habe sie seiner Beobachtung nach bislang jedenfalls nicht geführt. Hoffnungen setzt er auf die neue Balearen Regierung: „Da wird viel passieren.”

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