AUS IBIZA BERICHTET
KARL-HEINZ EIFERLE
Auch sechs Tage nach dem schweren Schiffsunglück sitzt den Ibizenkos noch der Schrecken im Nacken. Das Eiland ist nur knapp von einer Katastrophe verschont geblieben. Es hätte auch ein vollbeladener Tanker und nicht nur eine Frachtfähre sein können, die einen der vielen, dem Hafen von Ibiza vorgelagerten Felsen rammte. Mit Techno und Chillout kommen zwar die Partyjünger in Fahrt, ihre Autos aber nicht.
Dennoch, die Besorgnis bleibt. Die Zeitbombe in 45 Meter Tiefe tickt weiter. Immer noch strömen geringe Mengen Öl und Diesel aus kleinen Lecks des 142 Meter langen Iscomar- Schiffes ,,Don Pedro". Taucher konnten zwischenzeitlich die grössten Risse versiegeln, die kleinen Lecks sind für sie aber nur schwer zu lokalisieren. Helikopter suchen weiterhin die Meeresoberfläche ab. Zwei grosse, rote Spezialschiffe der Seenotrettung schiessen mit ihren Wasserkanonen auf Ölflecke rund um die Unglücksstelle, um diese zu zerstäuben. Kilometerlange schwimmende Barrieren sollen das Öl von der Küste fernhalten. aber es wird immer noch Treibstoff angeschwemmt, wenngleich täglich weniger.
Ingesamt 90 der vermuteten rund 200 Tonnen gebunkerten Schwer- und Dieselöls, so das balearische Umweltministerium, konnten bislang eingesammelt werden. Die beiden Strände von Ibiza-Stadt (Platja de ses Figueretes und Talamanca) sind für das Baden nach wie vor gesperrt. An der zur Nachbargemeinde Sant Josep de sa Talaia gehörenden Platja d'en Bossa gab es am Dienstag Entwarnung Die rote Flagge wurde gegen eine gelbe ausgetauscht, die dicken Öl-Absperrwülste auf den Strand gezogen. Aber die Playa ist verwaist. Noch hat sich die gute Nachricht nicht herumgesprochen.
,,Normalerweise ist es um zwölf Uhr hier rappelvoll," sagt ein Kellner der ,,Bar nassau". Heute sitzt hier nur eine Handvoll Medienvertreter, und zwei Arbeiter vom Strandsäuberungskommando gönnen sich ein Kaffeepäuschen. Auch Liegenvermieter Ramón hat nicht viel zu tun. ,,Schau dich um, nicht einmal ein Zehntel der Liegen sind belegt". Strandmasseurin Marga knetet schon seit Tagen keinen Urlauber mehr durch. Am Strand Figueretes ist noch weniger los. Rettungsschwimmer Antonio flirtet mit argentinischem Akzent gelangweilt mit zwei blassen Engländerinnen. Auf mehr Schäfchen muss er an seinem Abschnitt heute nicht aufpassen. ,,Eine Playa ohne Leute ist schon verdammt trist."
Strandverkäufer gibt es keine, Souvenirstände an der Promenade werden erst gar nicht aufgebaut. Carmen sitzt in ihrem kleinen Kabuff des dortigen Touristen-Informationsbüros und versucht den enttäuschten Urlaubern Inselausflüge abseits der Ölpest schmackhaft zu machen oder erklärt den Weg zu nicht verschmutzten Stränden. ,,Ich kann den Urlaubern auch nur sagen, was im Fernsehen berichtet wird. Ofizielle Informationen habe wir keine." Normalerweise würde Carmen den nahegelegenen Strand im Naturschutzgebiet Ses Salines als Ersatzplaya empfehlen. Aber dorthin weichen jetzt alle Reiseveranstalter und Hotels aus. Sie bieten ihren Gästen kostenlose Bustransfers an. ,,Da wimmelt es jetzt nur von Urlaubern."
Wer die Möglichkeit hat, sich ein Auto zu mieten, verbringt die Strandtage an den mehr als 50 weiteen touristisch erschlossenen Playas der Insel. Aber die Nachfrage nach Leihwagen kann nicht immer befriedigt werden. Günstige Modelle gibt es gar nicht mehr. Am Strand von Talamanca ist das Katastrophenszenario am deutlichsten präsent. Dutzende der rund 150 Mitarbeiter, die im Kampf gegen das Öl eingesetzt werden, waten hier in ihren einst weissen Schutzanzügen durch das seichte Wasser, um mit Schaufeln, Rechen und sogar Spachteln Ölrückstände aufzuklauben. Zahlreiche Schaulustige räkeln sich in der Sonne und beobachten die Plackerei. Von morgens um acht wird Zentimeter für Zentimeter das Areal durchgekämmt. Tausende und Abertausende Male bücken sich die Arbeiter, um Ölklümpchen in der Grösse einer Münze in ihre Eimer zu werfen.
,,Geht mal weiter hinten schauen", ruft ein Arbeiter der Presse zu. Da gibt's richtig was zu sehen. Mehrere Männer stehen dort bis zu den Waden und kämpfen schwitzend mit dem Schwerölschlick. Nur manche tragen Gummihandschuhe. Atemmasken hat niemand auf. Einige Arbeiter greifen mit ihren zu einer Schaufel geformten nackten Händen nach der hochgiftigen Masse und fördern mit nur einer baggernden Bewegung gleich mehrere Kilo hochgefährlichen Schlamm zutage. Kaum klickt die Kamera, schreitet ihr Chef ein, behindert und beschimpft den Pressefotografen und droht mit Polizei und sogar dem Zivilschutz. Vermutlich, so der Fotograf, werden hier elementare Arbeitsschutzverordnungen nicht eingehalten.
,,Von mir aus kann der Zivilschutz gerne kommen, das gibt neue Motive." Weniger Probleme mit den Medien hat der Präsident des Hotelierverbandes Ibiza und Formentera, Roberto Hortensius. ,,Ibiza hat als Insel ein sehr schlechtes Image bekommen. Denn die meisten wissen nicht, dass die Hauptstadt der Insel auch Ibiza heisst. Und im Prinzip waren nur deren Strände betroffen . Alle anderen Playas sind topsauber. Aber wir sind sicher, dass wir diesen falschen Eindruck schnell korrigieren können."
Wirtschaftliche Einbußen werden nicht befürchtet. Stornierungen habe es aufgrund des Unfalls so gut wie keine gegeben. Umweltschützer teilen den Optimismus der Hoteliers nicht. So lange die ,,Don Pedro" nicht geborgen werde, sei es nur eine Frage der Zeit, bis korrosionsbedingt wieder Öl in grossem Masse auslaufe.